Wer als Kind gerne Monopoly gespielt hat, weiß: Gewinnen kann das Spiel nur, wer investiert. Erst durch das grün oder rot funkelnde Haus auf der eigenen Straße fällt beim gegnerischen Besuch genug für die Expansion ab. Das gleiche Prinzip gilt für auch für echte wirtschaftliche Betriebe: Ohne Investment kein Gewinn. Was aber, wenn kein Geld zum Investieren zur Verfügung steht? Diesem Problem sehen sich tausende am Existenzminimum knappsende Kleinbauern ausgesetzt – beispielsweise in Nigeria.
In Nigeria sind zufolge der Welternährungsorganisation rund 70 Prozent der arbeitenden Bevölkerung in der Landwirtschaft beschäftigt. Auf dem größtenteils fruchtbaren Boden des afrikanischen Landes wächst eine reiche Vielfalt an Agrarprodukten, zum Beispiel verschiedene Getreidesorten, Wurzelgemüse, Obst und Kakao. Die das Land kreuzenden Flüsse begünstigen außerdem die Viehwirtschaft mit Rindern, Schweinen oder Hühnern. Dennoch gibt das Land jedes Jahr Millionen von Euro für Lebensmittelimporte aus, weil die heimische Produktion die regionale Nachfrage nicht abdecken kann. Zudem sorgten Agrarprodukte beispielsweise im Jahr 2016 lediglich für 26 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Und das, obwohl fast drei Viertel aller Menschen des Landes auf den Feldern arbeiten. Woran liegt das?
Über 80 Prozent der Bevölkerung lebt Angaben der GIZ zufolge unterhalb der Armutsgrenze und demnach von weniger als zwei US-Dollar pro Tag. Für die meisten Landwirte reichen Saaten und Viehbestand gerade mal für die Versorgung der eigenen Familie. Für mehr Saatgut, Tiere oder den Ausbau der landwirtschaftlichen Infrastruktur sowie Lagermöglichkeiten von Produktionsgütern fehlt das Geld. Das nigerianisches Startup „Farmcrowdy“ will die Kleinbauern jetzt via digitaler Mikrokredite dazu befähigen, dieser Spirale der Armut zu entkommen.
Farmcrowdy: Mikrokredite für Acker, Saatgut, Versicherung und Rendite
Über Farmcrowdy können Smartphone-Besitzer aus der ganzen Welt Kleinbauern in Nigeria konkret beim Ausbau ihres Betriebs helfen. Der oder die MikroinvestorIn kann dabei aus verschiedenen festgelegten Paketen wählen: für 95.000 Naira – umgerechnet rund 225 Euro – verhilft er oder sie dem nigerianischen Farmer beispielsweise zu einer 5.000 Acker großen Anbaufläche für Mais. In diesem Betrag sind außerdem eine Versicherung für den Ernteertrag, Saatgut, Düngemittel, Arbeitsmittel sowie die benötigten Arbeitskräfte und der Transport zur Verkaufsstelle berücksichtigt. Neben Mais kann über Investment-Pakete außerdem der Ausbau von Hühner-, Mais und bald auch Sojafarmen unterstützt werden.
Der Investor erhält aller zwei Wochen Updates über den Verlauf der von ihm unterstützten Projekte und kann die von ihm unterstützten Farmen auf Wunsch sogar besuchen. Von den erzielten Gewinnen kann der Farmer 40 Prozent behalten. Von den anderen 60 Prozent gehen neben der Investitionssumme 40 Prozent an den Investor zurück und 20 Prozent gehen an das Startup Farmcrowdy. Obwohl dies auf den ersten Blick wenig ertragreich für den Farmer klingt, sind diese Konditionen für die Farmer dennoch deutlich besser, als alternative Angebote von regulären Banken. Außerdem erhalten die teilnehmenden Farmer professionelle Beratung zum Aufbau ihres eigenen Agrarbetriebs
Farmcrowdy will mit seinem Geschäftsmodell nicht nur den Kleinbauern einen Weg aus der Armut ebnen. Idealer Weise verschiebt sich duch den Ausbau des Agrarsektors die gesamte Bilanz der in Nigeria für dden lokalen Markt produzierten Lebensmittel stärker in Richtung Lebensmittelsouveränität und Ernährungssicherheit. Zusätzlich könnte der einfachere Zugang zu finanzieller Unterstützung für die eigene Farm die gewaltsamen Konflikte zwischen den unterschiedlich wirtschaftenden Bauern beschwichtigen. Insbesondere Viehhirten sind teilweise gezwungen, den Wasserwegen zu folgen, da sie für Futter und Wasser nicht stationär sorgen können und geraten darüber immer wieder in Streit über Weide- und Ackerflächen mit ansässigen Bauern.
Alles in allem scheint Farmcrowdy ein spannendes Projekt, von dem Menschen in Nigeria auf verschiedenen Ebenen profitieren können. Nur die Auswahl der unterstützten Produkte – wie Mais, Soja, Hühner und Reis – wirft Fragen auf: Welche Art des Saatguts verwenden die Bauern? Wird genetisch modifiziertes Saatgut verwendet, welches lediglich für die unterstützte Anbauperiode genutzt werden kann, oder hilft die Unterstützung den Kleinbauern wirklich langfristig auf eigenen Beinen zu stehen? Und auch die Auswahl der unterstützten Produkte scheint bisher noch sehr eingeschränkt und nicht die regionale Artenvielfalt unterstützend. An dieser Stelle gäbe es sicher noch viel Luft für individuellere Fördermöglichkeiten.
Mehr Informationen zum Projekt gibt dieses Video: