Blockchain – Eine neue Technologie mit großem Potenzial für eine nachhaltige Entwicklung?

Die Blockchain ist „eine der bedeutendsten Errungenschaften der Wissenschaft in den letzten 100 Jahren“, so der Schweizer Computerwissenschaftler Prof. Dr. Roger Wattenhofer. Für den Netscape-Gründer Marc Andreessen ist sie „[...] das dezentrale Vertrauensnetzwerk, das das Internet schon immer gebraucht und bislang entbehrt hat.” Wer schon einmal mit dem Begriff Blockchain in Berührung gekommen ist, kennt ihn aller Voraussicht nach im Zusammenhang mit der digitalen Währung Bitcoin. Doch was steckt hinter dieser Technologie und wie funktioniert sie?

Autor*in , 03.07.17

Übersetzung :

Die Blockchain-Technologie und die darauf basierenden Kryptowährungen à la Bitcoin gewannen zu Beginn dieses Jahrzehnts an Bedeutung. Ins Rollen gebracht wurde diese Entwicklung durch die Veröffentlichung eines White Papers unter dem Pseudonym Satoshi Nakamoto im Jahre 2008, in dem Bitcoin zum ersten Mal definiert wurde. 2008 war auch das Jahr, in dem der Zusammenbruch der US-amerikanischen Investmentbank Lehman Brothers einen Absturz der Aktienmärkte und eine über mehr Jahre andauernde globale Finanzkrise auslöste. Diese Krise führte der Welt vor Augen, welche systemimmanenten Risiken das globale Finanzsystem vor allem durch die Zentralisierung der Finanzinstitutionen birgt.

Kryptowährungen, die auf der Blockchain aufbauen, haben sich seit Beginn der 2010er Jahre zu einer ernstzunehmenden Größe am Kapitalmarkt entwickelt (10 Milliarden USD Marktkapitalisierung, ca. 5 Millionen User) und ihnen wird das Potential bescheinigt, den Finanzsektor radikal verändern zu können. Da die grundlegende Blockchain-Technologie und auch der Code des Bitcoin-Protokolls Open Source sind, wurde sie von vielen Entwicklern aufgegriffen und weiterentwickelt und befindet sich seitdem in einem rasanten Wandel. Heute findet die Blockchain-Technologie auch in vielen anderen Bereichen, wie dem digitalen Rechtemanagement, der Logistik, im eGovernment oder dem IoT (Internet der Dinge) Anwendung oder vereinfacht die Dezentralisierung der Energieproduktion. Dieser Artikel erklärt die Technologie hinter der Blockchain und stellt Einsatzmöglichkeiten vor, wie die Blockchain nachhaltigeres und gerechteres Wirtschaften voranbringen kann.

Wie funktioniert die Blockchain?

Die Blockchain ist eine dezentrale, auf vielen Computern gleichzeitig verwaltete Datei, in der Informationen über Transaktionen gespeichert werden. Eine Transaktion beschreibt den Austausch eines digitalen Wertes zwischen den Teilnehmern eines Netzwerks z.B. die Überweisung eines Geldbetrages oder die Übertragung eines Verfügungsrechts. In der Blockchain werden alle diese Transaktionen verschlüsselt und in Blöcken zusammengefasst gespeichert, wobei ein Block in der Regel einen bestimmten Zeitraum umfasst.

Die Verschlüsselung der Transaktionen erfolgt über sogenannte kryptologische Hashfunktionen. Kurz gefasst handelt es sich dabei um mathematische Einweg-Funktionen, die Zeichenketten beliebiger Länge auf Zeichenfolgen (Hashwerte) mit fester Länge abbilden können. Einweg-Funktion bedeutet, dass die Abbildung nur in eine Richtung funktioniert und es praktisch unmöglich ist, aus einem Ausgabewert den passenden Eingabewert zu bestimmen. Bevor eine Transaktion zu einem Block hinzugefügt werden kann, muss sie von der Mehrheit aller Nutzer des Netzwerks validiert werden, wofür jede Blockchain ein bestimmtes Protokoll vorgibt. Diese Validierung stellt sicher, dass niemand im Netzwerk eine Transaktion manipulieren kann. Bei der Validierung von Transaktionen wird nicht auf eine zentrale Institution, sondern auf verteilte Netzteilnehmer, die sogenannten Miner, vertraut. Miner stellen, vereinfacht gesagt, ihre Rechenleistung zur Validierung von Transaktionen zur Verfügung. Die Resistenz einer Blockchain gegenüber Manipulationen steigt mit der Anzahl der teilnehmenden Miner. Das System verteilt die Macht über ein ganzes Peer-to-Peer-Netzwerk ohne zentrale Steuerung. Als Gegenleistung erhalten die Miner einen Block Reward, zum Beispiel neue Bitcoins.

Sobald eine Transaktion validiert ist, wird sie dauerhaft in einem Block gespeichert und kann nicht mehr verändert werden. Jeder Block enthält neben den Transaktionen auch eine verschlüsselte Information über alle vorherigen Blöcke. Damit entsteht eine Blockkette, die nicht oder nur mit sehr großem Aufwand manipuliert werden kann und die Nachvollziehbarkeit der Historie aller Transaktionen bis zum ersten Block ermöglicht.

Neben der Speicherung von Transaktionen kann die Blockchain prinzipiell jede beliebige Information erfassen, wobei sie sich vor allem für vertrauliche oder sicherheitskritische Informationen anbietet.

Dezentralisierung, Unveränderlichkeit und Transparenz sind die Stärken der Blockchain

Verschlüsselung und Dezentralisierung sind die Kernkomponenten der Blockchain-Technologie. Die Kombination dieser beiden grundlegenden Konzepte macht die Blockchain in hohem Maße sicher. Durch die Verteilung der Informationen im Netz, ist es für eine einzelne Partei so gut wie unmöglich, Daten im Nachhinein zu verändern, gleichzeitig sind Veränderungen transparent für jeden einsehbar. Um die Blockchain zu manipulieren, müssten sich alle Beteiligten, die über eine Kopie der Datenbank verfügen, absprechen und die gleiche Veränderungen vornehmen. Je besser die Daten also im Netz verteilt sind, desto besser ist die Blockchain vor Manipulationen geschützt.

Blockchain revolutioniert die Sharing Economy

Wie bereits angesprochen, kann die Blockchain in unterschiedlichen Bereichen verwendet werden. Die Ausweitung der Einsatzmöglichkeiten der Blockchain wird vor allem durch Entwickler und Projekte vorangetrieben, die die ursprüngliche Technologie aufgreifen und erweitern. Dazu gehören beispielsweise Smart Contracts, die es ermöglichen, bestimmte Regeln für Transaktionen zu definieren und damit Abläufe zu automatisieren. Damit lässt sich beispielsweise festlegen, dass ein digitaler Wert nur für einen bestimmten Zweck ausgegeben werden darf oder dass eine Überweisung stattfindet, wenn eine bestimmte Leistung erbracht wurde. Die Ausführung dieser Smart Contracts erfolgt dabei auf den am Netzwerk beteiligten Rechnern.

Eine aufstrebende Plattform zur Ausführung dieser Smart Contracts ist Ethereum, das von den Entwicklern Vitalik Buterin, Gavin Wood und Jeffrey Wilcke entworfen wurde. Es hat sich in den letzten Jahren zu einer ernsthaften Konkurrenz zum Bitcoin-Netzwerk entwickelt und ermöglicht den Aufbau sogenannter DAOs (dezentrale autonome Organisationen). Das sind virtuelle Organisation, die vollständig auf der Blockchain-Technologie basieren und eine globale Peer-to-Peer-Infrastruktur nutzen.

Auf Basis von Ethereum hat sich beispielsweise das Unternehmen Slock.it der Aufgabe verschrieben, die Sharing Economy zu revolutionieren, in dem sie den Vertragsabschluss zum Anmieten von realen Objekten (Wohnungen, Autos, Fahrräder, Waschmaschinen etc.) komplett in der Ethereum Blockchain automatisiert. Smart Contracts regeln, dass ein Nutzer, wenn er eine gewisse Gebühr bezahlt hat, für eine bestimmte Zeit mit Hilfe seines Smartphones ein Schloß öffnen und schließen kann.

Blockchain erleichtert den Stromfluss

Die Innogy-Initiative Share & Charge, die Ende September 2016 an den Start ging, kombiniert die Blockchain-Technologie mit dem Sharing-Ansatz und geht dabei ein Problem an, dass als eines der großen Hemmnisse für die Verbreitung der Elektromobilität gilt: Die Ladeinfrastruktur. Um den Kunden zu ermöglichen, ihre Autos an jeder beliebigen Ladestation – auch privaten Ladestationen – ohne zusätzlichen Aufwand aufladen zu können, setzt Share & Charge auf die Ethereum-Blockchain. Mit Hilfe von Smart Contracts können Vertragsdetails beim Laden automatisch zwischen Fahrzeug und Ladesäule abgewickelt werden, der Kunde muss somit im Vorhinein keinen Vertrag mit einem lokalen Stromanbieter abschließen.

Ein weiteres Beispiel aus der Energiewirtschaft ist das Projekt StromDAO. Es ist eine dezentral organisierte Gemeinschaft, in der sich Einzelpersonen und Unternehmen organisieren können, um gemeinsam an der Entwicklung neuer Stromprodukte zu arbeiten und diese zu vertreiben. Die Energiewende und der Ausbau regenerativer Energien ist mit einer Dezentralisierung der Stromerzeugung verbunden, was gleichzeitig auch die Demokratisierung der Energieversorgung fördern soll. Eine Möglichkeit, die gesellschaftliche Partizipation an der Energieversorgung zu organisieren, ist die Gründung von Genossenschaften, was jedoch einigen juristischen Aufwand mit sich bringt. Stattdessen können sich Personen in einer StromDAO organisieren. Smart Contracts definieren dann bei Beginn zum Beispiel, welche Beiträge von den Mitgliedern gezahlt werden, was mit diesem Geld gemacht wird und wann bestimmte Entscheidungen getroffen werden müssen. Daraus kann im weiteren Verlauf ein Interessenverband entstehen, der Strom am Markt kauft aber auch anbietet, wobei alle Abläufe über die Blockchain automatisiert werden.

Woher kommt mein Fisch? Die Blockchain verrrät es

Ein großes Potenzial für den Umweltschutz haben Blockchain-Anwendungen, die die Nachvollziehbarkeit von Lieferketten verbessern: Woher kommt mein Fisch, wurde mein Holz unter nachhaltigen Kriterien produziert, stammt mein Obst wirklich aus regionalem Anbau? Der schwedische Wissenschaftler Guillaume Chapron sieht die Gründe von Umweltkrisen auch im fehlenden Vertrauen zwischen den Akteuren einer globalisierten Welt, in der Konsumenten und Erzeuger eine immer größer werdende Distanz voneinander haben. Diese Distanz fördert Betrugsrisiken und Intransparenz. Und je mehr Zwischenstationen ein Konsumgut durchläuft, desto größer werden die Risiken. Die Blockchain kann hier ein Game-Changer sein, in dem sie verlorengegangenes Vertrauen wieder herstellt. In der Blockchain sorgt der Algorithmus dafür, dass alle Transaktionen verifiziert werden und im Nachhinein nicht mehr verändert werden können. Das internationale Waldzertifizierungssystem PEFC (Programme for the Endorsement of Forest Certification Schemes), das nach eigenen Angaben weltweit 265 Millionen Hektar Wald zertifiziert, hat in einem Pilotprojekt die Blockchain als Alternative untersucht, um den Weg des Holzes vom Rohstoff bis zum gebrauchsfertigen Endprodukt verfolgen zu können.

In einer weiteren Pilotanwendung nutzt das Unternehmen Provenance die Blockchain, um den Weg vom Thunfisch, seinen Fanggebieten vor Indonesien bis zum heimischen Verbraucher genau zu dokumentieren. Dazu senden registrierte Fischer eine einfache SMS, um ihren Fang zu registrieren und gleichzeitig einen digitalen Wert in der Blockchain zu erzeugen. Jede Transaktion in der Lieferkette von einem Akteur zum nächsten erzeugt einen unveränderbaren Eintrag in der Blockchain, wodurch der Weg vom Fischer bis zum Endkunden später zweifelsfrei zurückverfolgt werden kann.

Die Blockchain hat das Potenzial, ganze Branchen auf den Kopf zu stellen

Vor allem in Bereichen, in denen es um effiziente und sichere Dokumentation von Transaktionen geht und die Dezentralisierung Vertrauen schaffen kann, bietet die neue Technologie Chancen für viele neue, zukunftsweisende Geschäftsideen. Doch noch ist die Technologie sehr jung und es ist momentan noch nicht klar, in welchen Bereichen sie sich durchsetzen kann und welche Anwendungen langfristig wirklich Sinn machen.

Nach einer Studie der Technologiestiftung Berlin (pdf) besteht die Herausforderung mittelfristig auch darin, Wissen und Verständnis zu verbreiten, wie Blockchains, Smart Contracts und Co. funktionieren und was man mit ihnen machen kann. Und vor allen Dingen auch, wie man mit ihnen Geld verdienen kann. Neben der Entwicklung von geeigneten Geschäftsmodellen stellen die Skalierbarkeit von Blockchain-Anwendungen und die damit verbundene Transaktionsgeschwindigkeit und die Verbesserung der Benutzbarkeit auf Seiten der Nutzer weitere Herausforderungen dar. Grundsätzlich stellt die Studie fest:

“Obwohl Blockchain-Technologien längst der Grundlagenforschung entwachsen sind, gibt es dennoch in der angewandten Forschung erheblichen Forschungsbedarf, der sowohl durch Unternehmen als auch durch angewandte Forschung im öffentlichen Sektor bearbeitbar ist.“

Aus ökologischer Sicht ist vor allem der Energieverbrauch eines der großen Probleme der Blockchain, denn die Validierung und Verschlüsselung von Transaktionen verschlingt schon heute ungeheure Energiemengen. Die Website Digiconomist schätzt den Energieverbrauch allein der Bitcoin-Blockchain aktuell auf jährlich 13 – 15 TWh .

Aus diesem Grund schlägt die Ethereum-Community einen neuen Konsens-Mechanismus für die Blockchain vor, das sogenannte Proof of Stake. Im Gegensatz zum Proof of Work, bei dem alle Teilnehmer im Netzwerk die Blockchain unter Einsatz großer Rechenleistung absichern, wird beim Proof of Stake nach einem deterministischen Verfahren ein bestimmter Teilnehmer ausgewählt, der Transaktionen validiert, einen neuen Block erzeugt und verschlüsselt. Die Auswahl basiert unter anderem am Anteil des Vermögen (Stake) des Teilnehmers am Gesamtvermögen der jeweiligen virtuellen Währung. Nach langer Entwicklungszeit und langwierigen Sicherheitsdiskussionen wird Ethereum nach Aussagen seines  Erfinders Vitalik Buterins demnächst ein Hybridsystem aus Proof of Work und Proof of Stake unter Realbedingungen testen. In Zukunft werden im Bereich der Konsens-Mechanismen sicherlich noch weitere Entwicklungen zu erwarten sein, um Sicherheit und Nachhaltigkeit der Blockchain besser vereinbaren zu können.

Quellen und Links

Autor: Tobias Weiß (2017)

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