Dezentrale YouTube-Alternative PeerTube: Nachhaltiger dank Peer-to-Peer?

PeerTube ist eine dezentrale YouTube-Alternative. Dank Peer-to-Peer-Verbindungen kann sie auch an Servern vorbei agieren. Ist PeerTube dadurch auch nachhaltiger?

Autor*in Benjamin Lucks, 24.03.25

Übersetzung Kezia Rice:

Die Videoplattform YouTube ist mit 2,5 Milliarden monatlichen Nutzer:innen eine der meistbesuchtesten Seiten im Internet. Dabei überträgt die Plattform in der hochauflösenden 4K-Streamingqualität mehrere Gigabyte an Daten pro Stunde an verbundene Geräte. Da für jedes Bit und jedes Byte Serverfarmen arbeiten müssen, zählen abendliche YouTube-Sessions stark auf den eigenen digitalen CO2-Fußabdruck ein.

In unserem Artikel über dezentrale Alternativen zu sozialen Netzwerken hatten wir PeerTube bereits vorgestellt. Während es in dem Ratgeber vor allem um dezentrale Netzwerke geht, möchten wir hier noch einmal auf eine Besonderheit von PeerTube eingehen: Die Möglichkeit, Inhalte über Peer-to-Peer-Verbindungen zu übertragen. Ist PeerTube dadurch eine nachhaltige Alternative zu YouTube?

Was genau sind Peer-to-Peer-Verbindungen?

Starten wir einmal mit YouTube und schauen, wie Videostreaming im Netz normalerweise funktioniert. Klicke ich im RESET-Büro in Berlin einen YouTube-Link an, kommuniziert mein Notebook erst einmal mit dem WLAN-Router vor Ort. Dieser stellt dann eine Anfrage an den DNS-Server des Internetanbieters, der wiederum eine Namensauflösung für YouTube.com durchführt. Ziel dabei ist es, die IP-Adresse von YouTube zu ermitteln, um eine Verbindung aufzubauen.

Mein Notebook baut dann über den WLAN-Router eine direkte Verbindung zum YouTube-Server auf. Die Videoplattform nutzt sogenannte „Content Delivery Networks“, die mich mit dem nächstgelegenen Server verbinden, der das von mir gewünschte Video bereitstellen kann. Die Datenübertragung erfolgt daraufhin zwischen meinem Notebook und dem Server.

Imke Senst / Mike Kuketz
PeerTube ist Teil des Fediverse – einem Netzwerk aus dezentralen Diensten, die mit denselben Login-Daten funktionieren und interoperabel sind.

Diese Verbindungen erfolgen nach dem Server-Client-Modell und haben den Vorteil, dass YouTube seine Server an die Anzahl verbundener Clients anpassen kann. Darüber hinaus ruft mein Notebook die benötigten Daten lediglich ab und muss dadurch weniger Leistung vorweisen. Die Hauptlast wird vom Server übernommen. YouTube behält so zudem die Kontrolle und kann sich Änderungen am Content, an den Streamingverbindungen und vielem weiteren vorbehalten. Und das, obwohl YouTube selbst den Löwenanteil der Inhalte gar nicht produziert.

Würde YouTube mit Peer-to-Peer-Verbindungen arbeiten, sähe das ein wenig anders aus. In diesem Falle würde mein Notebook zwar auch eine Namensauflösung für die Domain von YouTube über den DNS-Server des Internetanbieters durchführen. Anschließend tritt mein Notebook aber in ein gleichberechtigtes Netzwerk mit anderen Clients ein. Die Datenübertragung erfolgt dann in Bruchstücken mit anderen Geräten statt mit einem Gerät. Mein Notebook und die Geräte anderer User:innen tauschen also immer wieder kleine Datenpakete aus und agieren so unabhängig vom Server. Dabei müsste YouTube das Video nur an eines oder wenige Geräte verteilen, die es dann im P2P-Netzwerk verteilen. Und genau diese Möglichkeit bietet uns PeerTube.

Was macht PeerTube anders?

PeerTube und YouTube sind zwar beides Plattformen für Videostreaming, sie arbeiten aber grundsätzlich unterschiedlich. Während YouTube allein von Google verwaltet wird, gehört PeerTube als quelloffene Software uns allen. Nutzer:innen können daher eigene PeerTube-Instanzen auf eigenen Servern aufsetzen und dafür die von FramaSoft zur Verfügung gestellte PeerTube-Software nutzen.

© PeerTube / Screenshot: RESET

Da PeerTube Teil des Fediverse ist, müssen Interessierte zudem nicht unbedingt einen eigenen Account für das Streamen von Videos, das Erstellen von Kommentaren und für den Upload eigener Inhalte erstellen. Als RESET könnten wir zudem eigenhändig eine nachhaltige PeerTube-Version auf Servern bereitstellen, die mit grünem Strom arbeiten. Bei YouTube, Vimeo und Dailymotion können wir nicht beeinflussen, ob die Betreiber tatsächlich auf Ökostrom setzen. Gleichzeitig müssen wir bei PeerTube nicht darauf vertrauen, dass YouTube – und damit auch Google – sensibel mit unseren Videos und unseren personenbezogenen Daten umgeht.

PeerTube erlaubt es uns also, sicherzustellen, dass unsere Videos möglichst nachhaltig und datensicher gehostet werden. Google arbeitet zwar laut eigenem Nachhaltigkeitsbericht mit Nachdruck daran, bis 2030 vollständig CO2-neutral zu werden. Wie vertrauenswürdig das ist und ob Google diese Ziele in Folge des KI-Booms überhaupt noch verfolgen kann, ist eher fraglich. Einer Analyse vom Magazin Medium ergab, dass fünf von sieben untersuchten Big-Tech-Unternehmen ihre Umweltziele aufgrund des verstärkten KI-Einsatzes aus den Augen verloren. Und das, obwohl sie eigentlich auf einem guten Kurs waren. Ob die Vorteile von KI-Anwendungen gegenüber dem negativen Impact für die Umwelt überwiegen, ist allerdings höchst fragwürdig.

Sind Peer-to-Peer-Verbindungen nachhaltiger?

Mit seinen Peer-to-Peer-Verbindungen könnte PeerTube zudem ein spannendes Nachhaltigkeitspotenzial bieten. Denn über die direkten Verbindungen zu anderen Clients können wir einen Umweg an energiehungrigen Serverfarmen vorbei nehmen. Aber ist das wirklich energiesparender?

Da wir keine Studien zur Energieeffizienz von P2P-Verbindungen finden konnten, haben wir verschiedene Expert:innen zu dem Thema gefragt. Der Systemadministrator Lukas Rose sieht in P2P-Verbindungen vor allem eine Chance, um weniger Rechenzentren zu bauen und ihren Energieverbrauch zu senken. Demnach kann in P2P-Netzwerken „jeder Client gleichzeitig auch ein Server sein“. Dabei brauche es zwar wenige Server, um Verbindungen zwischen den Clients zu vermitteln und um die Daten initial bereitzustellen. Das seien aber deutlich weniger als bei einem Client-Server-basierten Ansatz.

Nachteile von P2P-Verbindungen

Während wir uns auf die Nachhaltigkeitspotenziale von P2P-Verbindungen konzentrieren, sollten wir auch kurz auf die Nachteile der Verbindungen eingehen. Denn gerade bei Videos sollten Nutzer:innen in Bezug auf P2P vorsichtig sein.

Da einzelne Clients die gestreamten Videos gleichzeitig auch verbreiten, kann das Streamen urheberrechtlich geschützter Inhalte rechtliche Konsequenzen haben.

Marcus Förster sieht in P2P-Netzwerken zudem eine Gefahr für den Datenschutz. Denn wenn Daten nicht zentral an einem Ort liegen, könne man sie auch weniger gut schützen.

Ein weiterer Vorteil entstehe dadurch, dass Serversysteme nicht für Lastspitzen skaliert sein müssten. Ein Streamingdienst müsse etwa vor allem abends große Serverkapazitäten bereitstellen. Nachts oder in den Morgenstunden müssen die Rechenzentren weitaus weniger Leistung bieten. Der Energieverbrauch sinke dabei aber nicht proportional. Und Anbieter müssten ihre Rechenzentren ausreichend leistungsstark gestalten, um die hohen Lastspitzen auszugleichen.

„Man kann zwar mit Cloudtechnologien und Virtualisierung entgegenwirken, [ … ] aber das geht halt auch nur in begrenztem Maße“, konkretisiert Lukas Rose weiterhin. Natürlich gebe es auch bei PeerTube Lastspitzen und ruhigere Zeiten. In diesem Falle müssten die Server einen Videostream aber nicht an jeden einzelnen Client herausgeben. Die Clients können den Videostream einfach an eine größere Anzahl weiterer Geräte weitergeben. „Man braucht nicht mehr so viele Server in den verschiedenen Regionen der Welt, da große Netze aus Clients auch größere geographische Distanzen überbrücken können.“

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Unser Programmierer Marcus Förster sieht hingegen Probleme bei der Effizienz der genutzten Protokolle. P2P-Verbindungen wie PeerTube, die mit dem WebRTC-Standard arbeiten, seien „definitv nicht effizient“. Ein Rechenzentrum könne im Vergleich zu einem Netzwerk aus vielen Laptops, Tablets und Smartphones zudem besser optimiert werden.

Der IT-Spezialist Thomas Fricke weist in diesem Kontext auf ein Problem hin, das wir immer wieder in Bezug auf den digitalen CO2-Fußabdruck sehen: „Wie immer: Das hängt davon ab“. So gebe es sehr effiziente Nicht-P2P-Content-Delivery-Networks und sehr ineffiziente verteilte Speicher wie Blockchain. Demnach sei es schwierig, eine Gesamtbilanz zu rechnen.

Eine Gesamtbilanz darüber, wie viel CO2 wir über P2P-Verbindungen einsparen können, fehlt uns ohne Studien aktuell. PeerTube erlaubt es uns aber durchaus, mehr Einfluss darauf zu nehmen, wie nachhaltig und selbstbestimmt wir Videos im Internet konsumieren und anbieten. Insbesondere für Hochschulen und Institute kann es durchaus sinnvoll sein, ihre Videoinhalte über PeerTube auf ienem eigenen grünen Server zu hosten. P2P-Verbindungen können dabei zusätzlich helfen – wie sehr sie das tun, lässt sich abschließend aber leider nicht beziffern.

dbu-logo

Dieser Artikel ist Teil des Dossiers „Digital und grün – Lösungen für eine nachhaltige Digitalisierung“, in dessen Rahmen wir Lösungen für eine ökologische und faire Digitalisierung vorstellen. Wir danken der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) für die Projektförderung!

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