Der WWF und die sozialen Medien: „Es wäre völlig irrsinnig, nicht online präsent zu sein“

Melanie Gömmel und Markus Winkler vom WWF bei ihrem Recampaign-Talk

Die Menschen sind im Netz, also muss auch eine Umweltorganisation wie der WWF dort sein. Im Interview erzählen die zwei Social-Media-Profis Melanie Gömmel und Markus Winkler, wie groß der Aufwand dafür ist – und weshalb er sich trotzdem lohnt.

Autor*in Lydia Skrabania, 16.11.16

Wie geht eigentlich eine große Umweltorganisation wie der WWF damit um, dass sich mit der fortschreitenden Digitalisierung auch die Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit immer weiter ins Internet verlagert? Welche Chancen gibt es, welchen Schwierigkeiten muss man sich stellen?

Auf der Recampaign-Konferenz 2016 haben Melanie Gömmel und Markus Winkler, die für Social Media und Online-Campaigning des WWF Deutschland verantwortlich sind, über das große Mobilisierungspotenzial von Youtube geredet. Im Anschluss an ihren Vortrag haben wir uns die beiden geschnappt und mit ihnen im Detail über die Bedeutung der sozialen Kanäle für den WWF gesprochen. Im RESET-Interview erzählen sie von den Herausforderungen ihrer Medienarbeit, wie wichtig Authentizität dabei ist – und warum Herzchen-Smileys nicht anbiedernd wirken müssen.

Ihr seid gut dabei, wenn es um digitale Kommunikation geht. Man findet den WWF auf sämtlichen digitalen Plattformen und sozialen Kanälen, oder?

Melanie Gömmel: Also ich glaube, zumindest bei den Großen – Facebook, Instagram, Youtube – müssten wir uns echt rechtfertigen, wenn wir die nicht nutzen würden! Wenn wir da nicht aktiv wären, würden wir einiges an Mobilisierungspotenzial und an Reichweite verlieren. Ein Großteil unserer Reichweite kommt heute eben durch digitale Kommunikation.

Markus Winkler: Die Menschen sind einfach online. Sie kommunizieren online. Es wäre also völlig irrsinnig, nicht auch online präsent zu sein. Deswegen versuchen wir, für all diese Kanäle passende Formate zu entwickeln – weil wir direkt mit den Menschen reden und ihnen Lösungen zeigen wollen: Das könnt ihr tun, dafür brauchen wir eure Hilfe. Natürlich kann man auch heute immer noch einen Teil dieser Ansprache über die [klassischen] Medien lösen. Aber auch dort gehen gerade die Reichweiten runter. Und wir haben jetzt gerade die Chance, selbst mit den Menschen zu kommunizieren. Es wäre bescheuert, diese Chance nicht zu nutzen.

Ihr müsst allerdings ein und dieselbe Information, die ihr verbreiten wollt, für jeden dieser Kanäle spezifisch aufbereiten – für bestimmte Formate, für bestimmte Zielgruppen. Wie geht ihr dabei vor und wie findet ihr heraus, was funktioniert?

Melanie Gömmel: Durch Ausprobieren. Das ist eine wirklich große Herausforderung, dass man alles immer zielgruppenspezifisch aufbereiten muss. Das mussten wir auch erst lernen – dass es eben nicht funktioniert, einen Inhalt einmal digital aufzubereiten und dann über mehrere Kanäle hinweg gleich zu kommunizieren. Auf verschiedenen Netzwerken gibt es verschiedene Anforderungen.

Okay, kommen wir mal zum Beispiel Youtube mit seinen besonderen Anforderungen – mit seinen Stars. Stichwort „Bibis Beauty Palace“ und Co. Genau solche Formate scheinen bei der jüngeren Zielgruppe gut anzukommen. Ich stelle es mir als extreme Herausforderung vor, diese Kanäle mit ihrer Jugendsprache und ihren Eigenheiten zu bedienen und dabei nicht peinlich und anbiedernd zu wirken. Wie schafft ihr es, eure Inhalte dort Kanal-gerecht zu verbreiten und trotzdem authentisch zu bleiben?

Melanie Gömmel: Ja, das wäre einfach total komisch, wenn einer unserer Mitarbeiter mit Ausdrücken wie „megageil, total abgefahren“ um die Ecke kommt. Aber gerade auf Youtube ist die Sprache eben einfach flapsiger. Deshalb haben wir intern keinen Protagonisten für diese Formate, sondern Kooperationen mit authentischen Leuten von außerhalb, die eben schon in diesen Netzwerken unterwegs sind und diesen Job für uns übernehmen.

Aber ihr müsst das, was dort an Kommunikation passiert, trotzdem moderieren. Wie geht ihr das an?

Markus Winkler: Also gerade auf Youtube gibt es eine große Anzahl an Leuten, die unter 18 sind. Und ich gebe zu, ich hatte anfangs Probleme, mich auf die Art der Kommentare und die Massen von verschiedenen Emojis einzustellen. Wir haben uns dann mal mit einer Medienpädagogin zusammengesetzt, die mit Menschen in genau diesem Altersbereich arbeitet. Jetzt wissen wir: Ja, Herzchen-Smileys sind in Ordnung, das wird sogar von uns erwartet und wirkt offenbar nicht anbiedernd. [lacht]

Ihr habt in eurem Vortrag gesagt, man müsste das System Youtube verstehen, um mitspielen zu können. Habt ihr es verstanden?

Melanie Gömmel: Nächste Frage! [lacht]

Markus Winkler: Nein, haben wir auf keinen Fall! Wir haben eine Idee davon, wie es funktionieren könnte. Bestimmte Erkenntnisse haben wir, dass sich also zum Beispiel die Sehgewohnheiten stark von dem unterscheiden, was wir aus dem Fernsehen kennen. Aber da spielt Trial und Error immer eine große Rolle.

Melanie Gömmel: Und es gibt eine stetige Veränderung. Das Ganze ist im Fluss, da gibt es nichts, das in Stein gemeißelt wäre.

Ihr müsst euch also immer neu und immer zielgruppengerecht auf die verschiedenen Kanäle einstellen. Das ist doch ein enormer Aufwand.

Melanie Gömmel: Das stimmt. Und bei Youtube haben wir einen deutlichen Mehraufwand gegenüber den anderen Plattformen.

Und trotzdem betreibt ihr diesen Aufwand.

Markus Winkler: Youtube ist ein riesiges Netzwerk, auf dem sich ein Haufen Menschen tummeln – vor allem jüngere.

Melanie Gömmel: Und vor allem bei Umwelt- und Naturschutzthemen ist es eben wichtig, schon junge Menschen abzuholen, sie also so früh wie möglich mitzunehmen und aufmerksam zu machen auf diese Themen.

Was möchtet ihr langfristig mit eurer Medienarbeit erreichen? Was habt ihr für Ziele?

Melanie Gömmel: Was ich gerne sehen würde, wäre, dass einfach mehr wichtige Themen in diesen Netzwerken und bei diesen Formaten stattfinden. Dass es sich also beispielsweise bei den großen Youtubern nicht nur darum dreht, wer am schnellsten eine Tüte Gummibärchen aufessen kann. Sondern, dass diese Leute ihre große Reichweite auch für diese ernsten Themen nutzen.

Markus Winkler: Oh ja, das wünsche ich mir auch!

Danke für das Interview!

Den Recampaign-Talk von Melanie Gömmel und Markus Winkler – „Was geht, YouTube? Potenziale einer Kooperation“ – könnt ihr euch übrigens hier anhören.

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