„In der Klimabewegung geht es nicht um Individuen, sondern um Einheit.“ Aktivistin Maureen Damen aus dem Senegal im Interview

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© Maureen Damen

Wie ist es, Fridays for Future-Aktivistin in einem Land zu sein, in dem Klimastreiks kein großes Thema sind? In diesem Interview sprechen wir mit der 16-jährigen Umwelt- und Diversity-Aktivistin Maureen Damen über ihre Erfahrungen und den Optimismus, den sie spürt, wenn Menschen für ein gemeinsames Ziel kämpfen.

Autor*in Jan Wisniewski:

Übersetzung Jan Wisniewski, 17.08.20

Gerade Menschen im globalen Süden sind am stärksten von den menschengemachten Klimaveränderungen betroffen. Und sie sind genauso auch Aktivist*innen, Pädagog*innen und Entscheidungsträger*innen für den Wandel. Sie engagieren sich für eine bessere Welt, sie sind innovativ und inspirieren andere, die Probleme anzugehen, mit denen wir als Menschheit konfrontiert sind. Doch in den Medien fehlt es oft an Vielfalt, wenn es um ihre Stimmen und Erfahrungen geht. Mit dieser Interview-Reihe mit Umwelt- und Klima-Aktivist*innen aus Lateinamerika, Afrika und Asien wollen wir dazu beitragen, dieses Ungleichgewicht zu beheben und unterrepräsentierten Stimmen innerhalb der Klimabewegung Gehör verschaffen.

Genau wie alle anderen Aktivist*innen, mit denen wir bisher in dieser Interviewreihe gesprochen haben, lebt Maureen Damen in einem Land, das nicht zu den Hauptverursachern der globalen Treibhausgasemissionen gehört, aber stark von den Auswirkungen des Klimawandels betroffen ist. Nahezu zwei Drittel der senegalesischen Bevölkerung leben in Küstennähe; einem Gebiet, das bereits jetzt stark unter dem steigenden Meeresspiegel leidet. Nach Angaben des UNDP haben die Klimaveränderungen der letzten 25 Jahre im Norden des Landes den Lebensmittelanbau und die Tierhaltung erschwert, während sich die Wüstenbildung immer weiter im Land ausbreitet. Auch wenn der Senegal ehrgeizige Wiederaufforstungsprojekte wie die „great green wall“ beherbergt, verlagert sich die Sahara im Norden des Landes seit Jahrzehnten immer weiter nach Süden. Die Bäume werden für Brennholz gefällt und Dürreperioden ziehen die gesamte Sahelzone – die sich vom Senegal an der Westküste Afrikas bis nach Eritrea im Osten erstreckt – in Mitleidenschaft.

Im fünften Interview unserer Reihe „Stimmen der Klimagerechtigkeit“ sprechen wir mit Maureen Damen, der 16-jährigen Mitbegründerin von Fridays For Future Senegal darüber, wie es ist, an den Klimastreiks im Senegal teilzunehmen, ihre Hoffnungen, was die Welt aus der Coronavirus-Krise gelernt hat, und über den Schutz des Kongo-Regenwalds, auf den sie mit ihrem persönlichen Protest aufmerksam machen will. Sie ist auch Gründerin von Rise Up Senegal, einer internationalen Aktivistenbewegung, die Stimmen aus Afrika verstärken will.

Wie hast du zum ersten Mal vom Klimawandel erfahren?

Der Klimawandel war lange ein Thema, über das ich nicht viel wusste. In der Schule habe ich immer nur vage davon gehört, aber nie sehr detailliert. Im August 2019, nach den Bränden im Amazonas, wurden mir die wirklichen Gefahren des Klimawandels und seine Folgen bewusst. Im Senegal wirkt sich der Klimawandel bereits auf die Landwirtschaft und Viehzucht, aber auch auf den Wohnungsbau aus. In einigen Gemeinden sind die Menschen bereits gezwungen, wegzuziehen, weil der steigende Meeresspiegel ihre Häuser zerstört.

Hat Fridays for Future Senegal auch Studentenstreiks organisiert? Was war deine Motivation, daran teilzunehmen?

Streiks für Maßnahmen gegen den Klimawandel sieht man im Senegal nicht sehr oft, die Leute wissen nichts davon, man spricht selten über Klimastreiks und sieht sie auch kaum. Ich habe an einigen Streiks teilgenommen, aber jedes Mal waren nur wenige Menschen daran beteiligt. Leider scheint es so, dass der Klimawandel für die meisten Menschen kein Grund für einen Streik zu sein scheint. Aber ich werde nicht aufgeben, ich bin motiviert, weiterzumachen, weil ich optimistisch bin, was die nachhaltige Entwicklung und das Engagement der Bürgerinnen und Bürger betrifft, ich bin optimistisch, dass sich die Dinge ändern werden. Das ist es, was mich jeden Tag motiviert, weiterzumachen, das Bewusstsein zu schärfen und andere über den Klimawandel aufzuklären.

Du bist Mitbegründerin von „Fridays for Future Senegal“, aber auch Gründerin einer anderen Organisation, „Rise Up Senegal“. Kannst du uns etwas mehr darüber erzählen?

Die Rise Up-Bewegung, die von Vanessa Nakate aus Uganda gegründet wurde, ist eine afrikaweite Klimaaktivistenbewegung, die das Bewusstsein für den Klimawandel schärft, sich aber auch darauf konzentriert, denjenigen eine Stimme zu geben, die nicht gehört werden, daher der Name „Rise Up“ (Anm. d. Red.: Vanessa Nakate wurde im Januar 2020 aus einem Bild weißer Klimaaktivist*innen in Davos ausgeschnitten; ein weiterer Beweis dafür, wie wichtig der Kampf für Vielfalt wirklich ist). Die Bewegung hat im Moment nicht wirklich eine physische Protestpräsenz, aber sie setzt ihre Mission, das Bewusstsein für die Zerstörung der Umwelt zu schärfen und den Stimmen aller Gehör zu verschaffen, fort – im Moment hauptsächlich online.

Welche Rolle haben Online-Medien in deiner eigenen Entwicklung als Aktivistin gespielt?

Meiner Meinung nach spielen digitale und Online-Medien eine sehr wichtige Rolle im Kampf gegen die Klimakrise. Sie haben eine enorme Macht – sie können Wissen in die breite Öffentlichkeit bringen, aufklären, das Bewusstsein schärfen, Informationen über die Klimabewegung weitergeben und es den Menschen ermöglichen, sich an dem Kampf, der gerade stattfindet, zu beteiligen. Persönlich konnte ich mit meinem Profil in sozialen Netzwerken mehr Verständnis für den Klimawandel gewinnen, aber auch spezifischere Informationen über den afrikanischen Kontinent und die Art und Weise, wie seine natürliche Umwelt übermäßig ausgebeutet wird, teilen. Ich konnte auch mit anderen Aktivisten auf dem ganzen Kontinent in Kontakt treten.

© Maureen Damen

Wie hat das Coronavirus deinen Aktivismus beeinflusst? Setzt du deinen Protest online fort?

Die Gesundheitskrise durch das Coronavirus hat meine Proteste in doppelter Hinsicht beeinflusst: Erstens hatte ich nicht mehr die Möglichkeit, mit der Öffentlichkeit zu interagieren, und ich musste mich stattdessen auf soziale Netzwerke konzentrieren.  Ich bin gezwungen, meine Proteste online fortzusetzen und regelmäßig ein Bild von mir mit einem Protestplakat zu veröffentlichen. Damit habe ich keine Möglichkeit, Menschen zu beeinflussen, die keinen Zugang zu dieser Art von Diensten haben. Zweitens bin ich nicht mehr in der Lage, mich mit Partnern oder Behörden zu treffen, was die Macht, die ich habe, wirklich reduziert und meine Mission untergräbt.

Gibt es etwas, was wir deiner Meinung nach aus dieser einzigartigen Situation lernen können?

Die Coronavirus-Krise hat uns gelehrt, dass wir in einer Krise handeln können (etwas, was sich mit der Klimakrise noch nie zuvor gezeigt hat), dass die Welt bereit ist, auf Wissenschaftler und Experten zu hören, und sogar, dass unsere Führungskräfte wissen, wie man in einer Krise schnell handelt und Lösungen findet. Unser Planet hat in letzter Zeit endlich wieder freier atmen können, daher müssen wir zu dem Schluss kommen, dass in den Einschränkung unseres täglichen Konsums und dem Übergang zu einer nachhaltigeren Lebensweise ein Ansatz zur Lösung von Umweltproblemen steckt. Das ist etwas Positives, das ich daraus ziehe, und ich hoffe, der Rest der Welt teilt meine Ansicht.

Nur sehr wenige Länder scheinen bereit zu sein, diese Art drastischer Veränderungen auf lange Sicht vorzunehmen. Warum ist das deiner Meinung nach so?

Ja, leider haben die Machthaber bisher nur sehr wenig unternommen. Umweltschutz geht nicht Hand in Hand mit dem Kapitalismus. Der Übergang von einer „normalen“ Wirtschaft zu einer grünen Wirtschaft wird viel kosten. Und ich glaube auch, dass sich viele Länder nicht die Kosten dafür leisten können. Ich denke, deshalb gibt es so wenig Aktionen als Reaktion auf unsere Proteste – aber das rechtfertigt noch immer nicht, dass diese Länder weiterhin umweltverschmutzende Industrien und umweltzerstörende Unternehmen unterstützen.

Was sind die Botschaften, die du in deinen Protesten hervorhebst?

Die spezifischen Schlüsselthemen sind: Wälder, Afrika, Wildtiere, Umweltverschmutzung. Auf meinem Plakat steht „Sauver la forêt tropicale du Congo“ („Rettet den Kongo-Regenwald“) (Anm. d. Red: Während die Entwaldung im Amazonasgebiet viel mediale Aufmerksamkeit erhält, ist das Ausmaß der Abholzung im Kongobecken – Heimat des zweitgrößten Regenwaldes der Welt – ebenso dramatisch und nimmt weiter zu. Satellitendaten deuten darauf hin, dass das Kongobecken zwischen 2000 und 2014 eine Waldfläche verloren hat, die größer ist als Bangladesch, und eine Studie der Universität von Maryland legt nahe, dass bei der gegenwärtigen Geschwindigkeit des Verlustes der Baumbestände die Primärwälder der DRK bis 2100 vollständig verschwunden sein könnten). Ich möchte, dass jede Person, die mich auf der Straße überholt oder mich in sozialen Medien sieht, weiß, dass es im Kongo einen Wald gibt, der zu verschwinden droht, wenn wir nicht schnell handeln. Ich habe diesen Satz auf mein Plakat geschrieben, damit die ganze Welt ihn sehen kann.

Gibt es noch etwas, was du unseren Lesern mitteilen möchtest?

„Vereint euch hinter der Wissenschaft.“ Es ist wichtig, zu verfolgen und zu verstehen, was Experten und Klimatologen tun. Wir müssen nicht nur grüne Gewohnheiten in unser tägliches Leben und unsere Einstellungen übernehmen, sondern uns auch hinter der Wissenschaft vereinen.  Bei der Klimabewegung geht es nicht um Einzelpersonen, es geht um Einheit, es geht darum, Menschen zusammenzubringen, die das gleiche Ziel haben: das Überleben des Planeten.

Fridays for Future Senegal und Rise up Senegal kannst du auf Twitter folgen. Maureens persönlichen Twitter-Account findest du hier. Fridays for Future Senegal hat auch eine Facebook-Seite, auf der du dich über Neuigkeiten und Veranstaltungen wie Klimastreiks, Blog-Posts und Webinare auf dem Laufenden halten kannst.

Dieser Artikel ist eine Übersetzung von Sarah-Indra Jungblut. Das Original erschien zuerst auf unserer englischsprachigen Seite.

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