Der globale Norden ist Hauptverursacher des Klimawandels – hat aber auch die Mittel für Gegenmaßnahmen

Der Verkehr ist eine der Hauptquellen von Kohlenstoffemissionen im globalen Norden.

Neue Studien zeigen, dass die USA und die Europäische Union eine unverhältnismäßig hohe Verantwortung für Emissionen in der „Gemeinschaftsatmosphäre“ tragen.

Autor*in Guest Author:

Übersetzung Gast , 26.11.20

Die Vereinigten Staaten sind für 40 Prozent des Klimakollapses, den die Welt heute erlebt, verantwortlich, die Europäische Union nach neuen Untersuchungen für 29 Prozent. Diese Ergebnisse, die im September in The Lancet Planetary Health veröffentlicht wurden, basieren auf der Idee, dass die Atmosphäre eines der globalen Gemeinschaftsgüter ist. Das heißt, sie ist eine der natürlichen Ressourcen, die allen Bewohner*innen dieses Planeten gehören. Damit haben alle Länder ein Recht auf ihren gerechten Anteil an ausgestoßenen Kohlendioxidemissionen. Die Bestimmung des „gerechten Anteils“ in dem Paper umfasste die geographische Größe und die Bevölkerungsgröße sowie die Beiträge zu den Kohlendioxidemissionen seit 1850.

Ziel der Studie war es, zu ermitteln, „welche Länder für die Verursachung bestehender Klimaschäden verantwortlich sind“, so der Autor Jason Hickel, Anthropologe und Dozent an der Goldsmiths University of London. Zu den Klimaschäden gehören die zunehmende Häufigkeit und Intensität von Dürren, Überschwemmungen, der Anstieg des Meeresspiegels, Stürme und die damit verbundenen Schäden an Infrastruktur und die Gefährdung von Menschenleben.

Die Ergebnisse veranschaulichen die „atmosphärische Kolonisierung“, so die Studien-Autor*innen des Papers. Da viele Länder mit unverhältnismäßig hoher Verantwortung „für ihr eigenes Wirtschaftswachstum auf die Ausbeutung von Arbeitskräften und Ressourcen aus dem globalen Süden angewiesen sind, haben sie auch die globalen atmosphärischen Gemeinschaftsgütern ausgebeutet, mit Folgen, die dem globalen Süden unverhältnismäßig schaden“.

Hickel erläutert, warum die Quantifizierung nationaler Verantwortlichkeiten für Klimaschäden wichtig ist: „Wir müssen eine Möglichkeit haben, die Haftung für Schäden zuzuweisen […] Wenn Bangladesch durch den Anstieg des Meeresspiegels untergeht, wer muss dafür dann haften? Wenn ein Drittel der Arten ausgelöscht wird, wer muss dafür haften? Wer sollte die Kosten für diesen außerordentlichen Verlust übernehmen?“ Die Ergebnisse des Papers, so Hickel, „könnten die Grundlage für Reparationsforderungen sein“. So schätzten die Vereinten Nationen die Kosten für die Anpassung an den Klimawandel in Entwicklungsländern bis 2050 auf 500 Milliarden Dollar pro Jahr. Wenn wir wüssten, dass die Vereinigten Staaten für 40 Prozent der von Menschen verursachten Emissionen verantwortlich sind, erklärt Hickel, könnte man argumentieren, dass die Vereinigten Staaten „für 40 Prozent dieser Kosten in Höhe von 500 Milliarden Dollar verantwortlich sind“. Hickel fügt außerdem hinzu, dass seine Analyse zeige, dass „Länder, die ihren fairen Anteil an der planetarischen Grenze überschritten haben, die Verantwortung haben, die Emissionen viel schneller zu reduzieren – und zwar innerhalb weniger Jahre, nicht Jahrzehnte“.

Tejal Kanitkar, Energie- und Klimaforscherin am National Institute of Advanced Studies in Bengaluru, Indien, sagt, dass eine Reduzierung der Emissionen aus dem globalen Norden für den Rest der Welt größere Entwicklungschancen ermöglichen würde. „Diejenigen [Nationen], die die Fähigkeit zur Entwicklung hatten, haben den atmosphärischen Raum besetzt. Jetzt [sollte] der verbleibende Raum den Ländern zugestanden werden, die nicht die Chance hatten, ihre Infrastruktur aufzubauen – wie beispielsweise dem vom Krieg verwüsteten Afghanistan“, sagt Kanitkar.

Die Verantwortung von Ländern wie den Vereinigten Staaten und der Europäischen Union geht daher über die Haftung für Klimaschäden hinaus, und zwar abhängig davon „wie schnell sie die Emissionen in den nächsten Jahren drastisch reduzieren müssen“, sagte Kanitkar. „Dies steht auch im Einklang mit ihren Fähigkeiten“, fügt sie hinzu.

Die Notwendigkeit, die Narrative im globalen Süden anzuerkennen

„Die Analyse [im Paper] ist wichtig, aber ich bestreite das Argument, dass dies eine neuartige Methode ist“, sagt Kanitkar. Sie ist Co-Autorin einer Studie, die untersucht, wie das Prinzip der Gleichheit in den Klimaverhandlungen operationalisiert wurde, und stützt sich dabei auf verschiedene wissenschaftliche Arbeiten, insbesondere auf solche aus dem globalen Süden.

„Pro-Kopf-Argumente bezüglich der Quantifizierung von Emissionen und Verantwortlichkeiten waren auch Teil der Diskussionen auf Regierungsebene [zusätzlich zu den akademischen]“, erklärt Kanitkar. Sie merkt außerdem an, dass „alle BASIC-Länder [Brasilien, China, Indien und Südafrika] während des Kopenhagener Gipfels 2009 einen Bericht über die Pro-Kopf-Zuweisungen im Hinblick auf die Zuweisung von Verantwortlichkeiten, Anpassung usw. erstellt hatten“.

Autorin: Rishika Pardikar (@rishpardikar)

Der Artikel erschien ursprünglich im AGU’s Eos Magazine. Wir veröffentlichen ihn auf RESET im Rahmen von Covering Climate Now, einer globalen journalistischen Zusammenarbeit zur Stärkung der Berichterstattung über den Klimawandel. Die Übersetzung stammt von Leonie Asendorpf.

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