Unter dem U1-Hochbahn-Viadukt verläuft heute ein größtenteils ungenutzter Weg, hier und da dient er als Parkplatz für Autos. Doch wie wäre es, diesen Weg mit Hilfe einiger Interventionen als ersten vollständig überdachten Radweg weltweit aus dem Dornröschenschlaf zu erwecken? Wie wäre es, vom Bahnhof Zoo bis zur Warschauerstraße auf der grünen Welle zu reiten, zwischen grünen „Vorhängen“ frische Luft zu atmen und, falls das Rad irgendwo klappert, klemmt oder der Reifen Luft verliert, an einer der Service-Stationen entlang der Strecke kurz anzuhalten und kostenlose Hilfe zu bekommen? Doch die Vision der Berliner Initiative Radbahn geht noch weiter: Auf der Suche nach dem idealen Untergrund sollen auf der Strecke verschiedene Straßenbeläge und Grip-Sportböden getestet und über druckempfindliche Bodenbeläge die Energie für Anlagen und Licht gewonnen werden, die Bewegung in Strom umwandeln. Und um schneller von A nach B zu kommen soll die Radbahn aktiv mit dem Berliner Nahverkehrsnetz, Car- und Bike- Sharing Anbietern verknüpft werden.
Kopenhagen hat den Highway für Radfahrer – Berlin die Radbahn
Beispiele wie Kopenhagen und Amsterdam zeigen: Je fahrradfreundlicher die Infrastruktur, desto mehr Menschen schwingen sich aufs Rad. Auf sicheren und komfortablen Wegen beginnt die Sache nämlich erst richtig Spaß zu machen. Die Idee hinter Radbahn: Zeigen, wie schön es sein kann, sich leise und umweltfreundlich durch die Stadt zu bewegen. Und wäre damit ein guter Impuls für die nachhaltige Stadt von Morgen.
Klingt großartig? Finden wir auch! Wir haben uns mit Simon Wöhr, einem der Initiatoren der Radbahn, über die Idee und die Chancen, die Radbahn Wirklichkeit werden zu lassen, unterhalten.
RESET: Wie ist die Idee entstanden?
Simon Wöhr: „Die Grundidee kam sicherlich schon vielen. Jeder, der auf der Skalitzer oder Gitschiner Straße unterwegs ist, muss sich doch schon mal gefragt haben, warum man eigentlich nicht den völlig ungenutzten und separierten Weg unter der Hochbahn fahren kann – der ist sogar noch überdacht und geschützt vor Regen und Schnee. Möglicherweise waren viele Radfahrer zu sehr damit beschäftigt, auf den motorisierten Verkehr zu achten, der sie überholt und damit, sicher an ihr Ziel zu kommen.“
Was sind eure nächsten Schritte?
„Nach der ersten öffentlichen Welle wollen wir jetzt mit politischen Entscheidungsträger ins Gespräch kommen, ihnen zeigen, dass die Radbahn nicht nur ein funktionaler Radweg ist, sondern unseres Wissens nach die erste überdachte Radstrecke weltweit – das muss man sich mal vorstellen! Wir denken die Radbahn als ein neues modernes Wahrzeichen der Stadt und damit auch als ein lohnender Wirtschaftsfaktor. Start-ups aus dem wachsenden E-Bike- und Lastenrad-Sektor würden sich hier niederlassen, weil sie ihre Entwicklungen auch ausprobieren können. Und das irre dabei ist, dass wir nur das Potenzial nutzen, das gegeben ist.
Zum anderen müssen wir uns um finanzielle Unterstützung in der aktuellen Projektentwicklungsphase bemühen. Bisher haben wir ja alles ehrenamtlich gemacht und so geht es nicht weiter. Wir führen schon erste Gespräche mit möglichen Sponsoren, aber auch Crowdfunding kommt in Frage oder natürlich auch öffentliche Fördermittel.
Wie schätzt du die Chancen ein, die Idee auch Wirklichkeit werden zu lassen?
Ich glaube, die Idee lässt sich nicht mehr aufhalten. Wir haben einen Stein ins Rollen gebracht. In den nächsten Monaten wird der Druck wachsen und es wird sich in der Stadt etwas verändern und das Fahrradfahren angenehmer werden.
Was sind die größten Hürden?
„Es wird sicherlich viele geben. Die größte ist aber wahrscheinlich das konservative Denken viele wichtiger Leute in der Stadt – es scheint unvorstellbar, dass Fahrradinfrastruktur Geld kosten soll.“
Wie kann man euch unterstützen?
„Zunächst einmal ist wichtig, dass möglichst viele Menschen, die in der Stadt Rad fahren, bzw. es gerne würden, wenn es bessere Infrastruktur dafür gäbe, uns mit einem „Like“ in den sozialen Netzen unterstützen oder sich in unseren Newsletter eintragen. Viel Druck aus der Öffentlichkeit ist entscheidend für die Umsetzung des Konzepts, denn Politiker in Berlin wollen 2016 (wieder)gewählt werden. Wenn wir sehr viele sind, die sicherere und attraktivere Fahrradinfrastruktur fordern, ist die Umsetzung absolut realistisch.“
Alle Infos zur Radbahn: radbahn.berlin
TATENDRANG ist das Interviewformat von RESET. Wir wollen wissen, wie unsere Interviewpartner zu ihren spannenden, innovativen und einzigartigen Projekten und Ideen aus den Bereichen Umwelt und globale Gerechtigkeit kamen, warum sie sich für genau das Thema einsetzen und wie schwer oder einfach sich das Projekt durchführen ließ. Damit wollen wir Ideen streuen, Projekte präsentieren und zu Aktionen anregen. Wir denken: Die Welt verändern kann jeder! Alle Interviews findest du hier: TATENDRANG