Der CUBE Berlin – Bürogebäude mit selbststeuerndem „Gehirn“

Der CUBE Berlin am Hauptbahnhof mit KI gesteuertem "Gehirn".

Der CUBE Berlin passt sich dank Künstlicher Intelligenz an die Bedürfnisse der Nutzer*innen an und gestaltet gleichzeitig effizientere Steuerungsabläufe.

Autor*in Luisa Ilse, 23.08.23

Übersetzung Lana O'Sullivan:

Die Arbeit im Büro hat in der jüngeren Vergangenheit starke Konkurrenz durch das Home Office bekommen. Was aber, wenn man sich im Büro so wohl fühlt, dass man es der Arbeit zu Hause mit all seinen Vorzügen vorzieht? Außerdem punktet der smarte und volldigitalisierte Glaskomplex laut Datenblatt mit eigenständiger Optimierung in Sachen Energieeffizienz und kümmert sich um seine eigene Wartungs- und Reparaturabwicklung. Der CUBE Berlin – gebaut vom Immobilienkonzern CA Immo und veräußert an das Investment Management Unternehmen Nuveen – soll sowohl eine angenehmere Arbeitsatmosphäre für die Mitarbeitenden als auch ein nachhaltigeres Gebäudemanagement schaffen.

Der Fokus der Architekt*innen des Gebäudes lag auf der Verknüpfung von sozialen, nachhaltigen und ökonomischen Anforderungen. Diese können sich durch sorgsame Planung gegenseitig unterstützen und müssen sich nicht immer automatisch behindern oder ausschließen. Ein entsprechender Erfolg könnte die sonst meist sehr konträren drei Interessengruppen zukünftig enger zusammenarbeiten lassen. Der CUBE Berlin wurde 2020 eröffnet. Er gilt nach eigenen Angaben als Pilotprojekt und befindet sich derzeit in der Testphase.

Was macht den CUBE Berlin besonders?

Die Fassadenarchitektur des kubischen Glasbaus am Berliner Hauptbahnhof weist eine interessante Struktur mit in sich verschränkten lichtreflektierenden und -absorbierenden geometrischen Flächen auf. Doch die eigentliche Besonderheit des Bürohauses liegt in seinem Inneren. Herzstück ist das sogenannte „Gehirn“ – eine mit Künstlicher Intelligenz (KI) ausgestattete zentrale Steuerungseinheit.

Diese Zentrale verknüpft rund 3.750 Sensoren zur Aufnahme von Nutzer- und Betriebsdaten mit den technischen Anlagen. Zur Optimierung der Gebäudeabläufe werden die erfassten Daten analysiert, bewertet und anschließend Verbesserungsvorschläge davon abgeleitet. Die Systeme werden auf deren Basis entsprechend reguliert. Auf wenig genutzten Flächen werden beispielsweise die Anlagen von Heizung, Lüftung, Kühlung oder Licht automatisch den Nutzer*innen angepasst beziehungsweise bei Nichtgebrauch abgeschaltet, was die Energieeffizienz erhöht.

Lichtspiel auf dem CUBE Berlin.

Außerdem wurde in der Planung Wert auf die Berücksichtigung von nachhaltigen und innovativen Lösungen gelegt. So wird die durch Sonneneinstrahlung gewonnene Wärme und die Gebäudewärme zur Kühlung der Frischluft genutzt und eine spezielle Solarbeschichtung auf der Glasfassade minimiert die Aufheizung der Innenräume im Sommer. Das Gebäude unterschreitet laut eigenen Angaben durch diese technischen Innovationen sogar die Vorgaben der Energieeinsparverordnung (EnEV) um etwa 25 Prozent. Zudem soll es rund 50 Prozent der gesamten vom Gebäude genutzten Primärenergie regenerativ dank Wärmerückgewinnung und der Nutzung von Solarthermie direkt im Gebäude erzeugen können.

Den eingemieteten Firmen steht im CUBE Berlin eine Nutzungsfläche von rund 17.000 Quadratmetern zur Verfügung, die flexibel ausbaubar ist und sich den Bedürfnissen der Mitarbeitenden anpasst. Auch bei der Bedienung der Büroflächen zeigen sich die Möglichkeiten des smarten Bürogebäudes. Über eine App buchen sich die Nutzer*innen zum Beispiel freie Arbeitsplätze oder Räume und steuern das Raumklima. Natürlich funktionieren einige Abläufe auch von selbst – wie der Zugang zum Gebäude oder der Halt des Aufzugs in der richtigen Etage durch Registrierung der App per Bluetooth.

Ähnliche Projekte gibt es mit Hammerbrooklyn in Hamburg und The Ship in Köln.

Ist der CUBE Berlin die Zukunft für nachhaltige Bürogebäude?

Schaut man sich die Eigenschaften des gläsernen Gebäudes an, so scheint es sich um ein hochmodernes Bürogebäude mit viel Potenzial für die Zukunft zu handeln. Dennoch lohnt es sich, bei einem so stark als nachhaltig beworbenen Immobilienprojekt einen genaueren Blick auf die geplanten und tatsächlich erreichten Ziele zu werfen.

Gebäude sind ein CO2-Schwergewicht: Das Bauen, Wärmen, Kühlen und Entsorgen unserer Häuser hat einen Anteil von rund 40 Prozent an den CO2-Emissionen Deutschlands. Unsere Klimaziele erreichen wir nur, wenn diese Emissionen massiv gesenkt werden.

Wie aber gelingt die nachhaltige Transformation der Gebäude und welche Rolle spielen digitale Lösungen dabei? Das RESET-Greenbook gibt Antworten: Gebäudewende – Häuser und Quartiere intelligent transformieren

Zum Thema Energieeinsparung durch das von der KI gesteuerte „Gehirn“ sagt Markus Diekow, Pressemitarbeiter bei CA Immo: „Unsere Prognose geht von einem Einsparpotenzial von mindestens 20 bis 25 Prozent aus. Vergleiche sind nur schwer möglich“. Auf Nachfrage bei der derzeit betreibenden Firma Nuveen gab es diesbezüglich leider keine Antwort.

Die Wahl des Standorts auf dem Washingtonplatz am Hauptbahnhof beziehungsweise die Gestaltung um den Glaskomplex herum bietet sicherlich noch Potenzial für Verbesserungen. Zwar erhält das imposante Gebäude dort viel Aufmerksamkeit, aber während der heißen Sommermonate ist es auf dem versiegelten Platz ohne Bäume oder andere Schattenspender permanenter Sonneneinstrahlung ausgesetzt. Eine entsprechende Bepflanzung oder die Installation von Fassadenbegrünung könnte einen positiven Effekt auf das Mikroklima des Platzes – und damit auch für die Passant*innen – und die vorherrschende Artenvielfalt haben.

Bürogebäude Grasblau am Halleschen Tor in Berlin.

Weiteres Potenzial in Sachen Nachhaltigkeit schöpft der Konzern CA Immo laut eigenen Angaben durch die Installation von Photovoltaikanlagen bei allen derzeitig laufenden Bauprojekten – dazu zählt auch das am Halleschen Ufer in Berlin befindliche Bürogebäude Grasblau – aus. Dort werden neben digitalen Technologien im Gebäude und der Berücksichtigung von begrünten Flächen bei der Planung rund 30 Prozent der benötigten Primärenergie durch die Solarmodule gewonnen.

Geht es um die Erhebung von Nutzerdaten stellt sich im Rahmen des Datenschutzes die Frage, wie mit diesen sensiblen Informationen umgegangen wird. Die Betreibenden des CUBE Berlins achten bei den KI-generierten Nutzungsdaten durch passive Infrarot-Sensoren und Datenbündelung bei der Auswertung auf eine anonymisierte Datenerhebung.

Auch wenn der CUBE Berlin versucht, unterschiedliche Aspekte zu berücksichtigen – das Interessendreieck aus sozialen, nachhaltigen und ökonomischen Anforderungen sollte zukünftig dennoch ausgewogener gestaltet werden. Aktuell scheint bei vielen Projekten noch der Anspruch im Vordergrund zu stehen, eine vor allem imposante und portfoliostarke Immobilie im Besitz zu haben.

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Dieser Artikel gehört zum Dossier „Gebäudewende – Häuser und Quartiere intelligent transformieren“. Das Dossier ist Teil der Projekt-Förderung der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU), in deren Rahmen wir vier Dossiers zum Thema „Mission Klimaneutralität – Mit digitalen Lösungen die Transformation vorantreiben“ erstellen.

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