Mit der Blockchain Konfliktmineralien vermeiden? Eine Schwachstelle bleibt.

Bayan-Obo-Mine/ Innere Mongolei. Fast die Hälfte der Seltenen Erden weltweit stammt aus dieser Mine. Mit fatalen Folgen...

Von DLTs wie der Blockchain versprechen sich viele, dass damit Lieferketten transparenter werden und so nur „korrekte“ Rohstoffe auf dem Markt landen. Doch leider ist das in Realität nicht ganz so einfach.

Autor*in Sarah-Indra Jungblut, 24.04.19

Nichts geht ohne Kobalt, Coltan, Tantal oder Gold: Kein Smartphone, kein Tablet, kein Hybridfahrzeug, kein Flachbildschirm und kein Windrad kann ohne diese als „Seltene Erden“ bezeichneten Rohstoffe hergestellt werden. Mit Technologiemetallen zusammen gehören seltene Erden daher zu den begehrtesten Rohstoffen der Welt. Doch längst ist bekannt, dass der Abbau in den Minen auf Kosten von Mensch und Umwelt geht. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International zum Beispiel wirft allen großen Smartphone- und Elektronikherstellern vor, dass ihre Produkte mithilfe von Kinderarbeit hergestellt werden. Dazu kommen die negativen Umweltauswirkungen: Um die Seltenen Erden aus den Gesteinsschichten zu lösen, werden Säuren eingesetzt. Zurück bleiben vergifteter Schlamm und große Mengen an Rückständen, die giftige Abfälle wie Thorium, Uran, Schwermetalle, Säuren und Fluoride enthalten. Der Schlamm wird in künstlichen Teichen gelagert, die insbesondere in China, einem der größten Abbauländer, aufgrund fehlender Umweltauflagen keinesfalls sicher sind.

Um die Seltenen Erden zurückverfolgen zu können und so damit dafür zu sorgen, dass nur den Menschen und der Umwelt gegenüber verantwortlich agierende Unternehmen die Rohstoffe auf den Markt bringen, hat sich eine Reihe von Startups aufgemacht, mithilfe der Blockchain und anderer Distributed Ledger Technologies (DLTs) mehr Transparenz in die Lieferketten zu bringen. MineSpider zum Beispiel hat ein System entwickelt, das verantwortungsvoll geförderte Mineralien und Rohstoffe entlang der gesamten Lieferkette nachvollziehen kann. So sollen Unternehmen abgesichert sein, dass die Mineralien tatsächlich von der angegebenen Quelle stammen. Dazu erstellt MineSpider für Mineralien, die verantwortungsbewusst abgebaut wurden, digitale Blockchain-Zertifikate. Werden die Mineralien verkauft oder veredelt, zeichnet das Blockchain-Protokoll diese Aktionen für immer auf.

Auch Ruanda hat kürzlich das erste Tracking-System auf Basis dieser dezentralen Buchführungstechnik lanciert, um den Weg des Metalls Tantal von der Mine bis zum Telefon zu verfolgen.

Eine Unsicherheit bleibt

Doch auch wenn dann mit der Blockchain die gesamt Reise des Metalls, von der Quelle bis zum dem Moment, an dem es in einem Smartphone oder Tablet verbaut wird, zurückverfolgt werden kann, bleibt eine große Unsicherheit, und zwar ganz am Anfang der Lieferkette: Bei der Aufnahme ins System. Die Schlüsselfrage ist hier: Wie erfolgt die Verifizierung an der „Pforte“, also an dem Punkt, an dem das Erz registriert wird und in den „sicheren Raum“ der Blockchain gelangt? Der britische Blockchain-Partner Circulor, der in Ruanda hinter der Blockchain steht, setzt an dieser Stelle beispielsweise auf die Gesichtserkennung des Verkäufers inklusive GPS-Ortung.. Damit soll sicher gestellt werden, dass der Verkäufer bekannt und ein Mitglied des Systems ist. An den so registrierten Sack mit der seltenen Erde wird dann ein RFID-Etikett geheftet, das ebenfalls gescannt wird. Doch so vertrauensschaffend dieser komplexe Prozess klingen mag: Auch er garantiert nicht, dass das verkaufte Erz aus anerkannten Quellen stammt. Warum? Weder Gesichtsscanning noch GPS-Ortung oder RFID-Etikett können zweifelsfrei belegen, woher der authentifizierte Verkäufer das Tantal hat. Denn das Erz selbst trägt keine Markierung. Zwar ist es denkbar, den seltenen Erden einen  unverkennbaren Fingerabdruck durch die Zugabe von zum Beispiel molekularen Markern zu verpassen. Dies ist aber aufgrund der technologischen Anforderungen und hohen Kosten nur für wenige Mineralien geeignet.

Eine andere Betrachtungsweise nötig

Nichtsdestotrotz muss man nicht gleich das Kind mit dem Bade ausschütten. Denn es gibt noch eine andere Betrachtungsweise. Nämlich den Handel mit Mineralien ähnlich zu betrachten wie den Stromhandel. Dazu MineSpider im Interview mit RESET: „Unsere Lösung ist es, die Metalle ähnlich wie grünen Strom im Stromnetz zu behandeln: Wenn wir Ökostrom kaufen, kommt er aus dem Netz gemischt mit Kohle- und Kernenergie zu uns nach Hause. Durch die Verfolgung der produzierten Menge können wir jedoch garantieren, dass unser Geld an das Ökostromunternehmen geht. Indem wir also die Produktion aus den Bergwerken verfolgen, können wir sicherstellen, dass das für die Metalle gezahlte Geld verantwortungsvolle Quellen finanziert hat, auch wenn das Metall selbst irgendwann einmal vermischt wurde.“

Es bleibt also festzuhalten: Der Einsatz der Technologie macht durchaus Sinn, nämlich dadurch, dass er verantwortungsvoll handelnde Bergwerke unterstützt und so deren Produktionszahlen erhöht – und damit letztendlich die Chancen erhöht, dass korrekte Rohstoffe in unseren Geräten landen. Zudem lassen sich auch die Transaktionskosten im Rohstoffhandel senken und die Transparenz der gesamten Lieferkette erhöhen – denn die Wege von der Mine bis zum Verbraucher sind lang und bieten viele Einfallstore für Lug und Trug. Sind die Aufgaben von Lieferanten, Logistik, Verifikation, Versicherungen und Finanzinstituten auf derselben Plattform nachvollziehbar, liegt der gesamte Prozess offen.

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