Der Aufstieg der Lastenfahrräder in der Last-Mile-Logistik

Sind wir bereit für ein nachhaltigeres städtisches Liefersystem? Mit Hilfe von Lastenfahrrädern und digitalen Infrastrukturen könnte die Logistik auf der letzten Meile klimaneutral werden.

Autor*in Laura Preising:

Übersetzung Sarah-Indra Jungblut, 15.02.23

Der Boom beim Online-Shopping hat die Zustellung auf der letzten Meile – also den letzten Metern der bestellten Ware, in der Regel vom Depot bis zur Haustür- in städtischen Gebieten unter Druck gesetzt. Ein erheblicher Teil des Autoverkehrs in Städten wird durch die Zustellung von Paketpost verursacht; jede Paketzustellung trägt so zu den ohnehin schon hohen CO2-Emissionen des Verkehrs bei. Aber es gibt Entwicklungen, die die Lieferlandschaft der Zukunft verändern – ein Pedaltritt nach dem anderen.

Schon heute kommt in den meisten Städten Deutschland die bestellte Pizza nicht mehr mit dem Auto, sondern per Fahrrad. Und es ist davon auszugehen, dass die Abhängigkeit vom Auto als Transportmittel in den Städten weiter abnehmen wird und statt dessen kleinere Fahrzeuge wie Lastenräder und Co. vermehrt genutzt werden.

Lastenräder boomen nicht ohne Grund

Lastenfahrräder können bis zum Dreifachen ihres Gewichts tragen, mit einer Transportkapazität von 40 bis 250 Kilogramm, und elektrische Unterstützung kann die Fahrt enorm erleichtern. Und auch im Regen stehen gelassen werden die Fahrer*innen schon lange nicht mehr, denn auf unseren Straßen rollen schon viele Modelle mit Dach bzw. mit einer kompakten Fahrerkabine. Damit sind die Voraussetzungen gut, um etwa die Hälfte aller Transportfahrten in der Stadt übernehmen zu können – was auch dem Ziel der Europäischen Union entspricht, das in der „Erklärung zum Radfahren als klimafreundlicher Verkehrsträger“ von 2015 formuliert wurde.

Der Popularitätsschub der (meistens) Zweiräder ist unter anderem auf den rasanten Aufstieg der E-Bikes zurückzuführen, die mittlerweile 17 Prozent des Fahrradabsatzes ausmachen. In Europa wurden 2019 3,4 Millionen E-Bikes verkauft, und bis 2030 sollen es jährlich 13,5 Millionen sein. Damit würde die Zahl der E-Bikes die Zahl der Elektroautos auf unseren Straßen übersteigen.

Auf dem Weg in eine nachhaltige Zukunft

Viele Lebensmittel- und Paketzustelldienste nutzen inzwischen Lastenräder für die Auslieferung von Paketen, da sie enge Straßen und belebte Stadtzentren besser bewältigen als herkömmliche Lieferfahrzeuge wie Autos und Transporter. Indem Staus und die Parkplatzsuche wegfallen, werden Zeit und Ressourcen (insbesondere Kraftstoff) gespart. Anhand von GPS-Daten des Londoner Lieferunternehmens Pedal Me konnten Forschende belegen, dass Lastenfahrräder ihre Pakete 60 Prozent schneller ausliefern als Lieferwagen – und das bei einem Bruchteil der CO2-Emissionen.

Außerdem sind Lastenfahrräder in Betrieb und Wartung oft günstiger als Autos; besonders kleinere Unternehmen profitieren von dieser niedrigen finanziellen Hürde. Und auch Arbeitnehmer*innen profitieren: Für Lastenräder ist kein spezieller Führerschein erforderlich, und manch einen lockt speziell die Aussicht, Geld zu verdienen und sich nebenbei zu bewegen.

Auch auf die gesamten Verkehrsflüsse von Städten wirkt sich die Nutzung von Lastenfahrrädern aus, denn sie tragen dazu bei, die Verkehrsüberlastung zu verringern und die Sicherheit zu erhöhen. Eine Studie über die private Nutzung von Lastenfahrrädern in den USA zeigt, dass die Besitzer*innen von Lastenfahrrädern ihre Autofahrten im Schnitt um 41 Prozent reduzieren. Ein Lastenrad, das nur durch menschliche Kraft angetrieben wird, ist zudem nur für ein Zehntel der Emissionen eines Autos verantwortlich, was es zu einer umweltfreundlicheren Option macht, insbesondere für die Logistik auf der letzten Meile.

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Mit guter Planung und digitaler Infrastruktur zum Ziel

Doch allein ein größeres Angebot an Lastenrädern reicht nicht, um die muskelbetriebenen Vehikel erfolgreich in der Last-Mile-Logistik zu etablieren. Gefragt sind zudem eine geeignete Infrastruktur wie komfortable und sichere Radwege und Parkmöglichkeiten, aber neue Ansätze wie Mikro-Depots, „die es strategisch geschickt zu platzieren gilt“, wie Pirmin Fontaine erklärt, der zusammen mit weiteren Mobilitäts- und Wirtschaftswissenschaftler*innen der TUM und der KU das Potenzial der Lastenräder am Beispiel von München und Regensburg untersucht hat. „Dabei werden Waren mit Lastwagen zu diesen Containern gebracht und von dort mit Lastenrädern zu den Kundinnen und Kunden geliefert. Die Depots können zu Zeiten mit geringem Verkehrsaufkommen beliefert werden.“ Angesichts der sehr begrenzten Flächen im urbanen Raum ist für die Platzierung von Mikro-Depots, genauso wie für radfreundliche Infrastrukturen insgesamt, politische Unterstützung nötig, schließen die Autor*innen.

Gleichzeitig kann eine robuste digitale Infrastruktur beim Umstieg auf Lastenräder in der Last-Mile-Logistik unterstützen.

SmartRadL: Intelligentes Routen- und Auftragsmanagement für die Lastenradlogistik

Das Projekt SmartRadL will die Zustellung per Lastenrad in städtischen Gebieten durch eine innovative Softwarelösung unterstützen. Die Routenplanungssoftware wird an die besonderen Anforderungen des Lastenradtransports angepasst, indem die Fahrenden kontinuierlich mit dem Liefermanagementsystem verbunden sind. Und da die Routen in Echtzeit aktualisiert werden kann der Tourenplan schnell geändert werden, sobald neue Sendungen hinzukommen.

Das Projekt SmartRadL spezifiziert und sammelt die für den Lastenradtransport spezifischen Daten und Anforderungen, sowohl im städtischen als auch im technischen Bereich, aus der Perspektive der Nutzer*innen und Kund*innen. Unter Einbeziehung vorhandener Datensätze und der Erfassung neuer Daten durch Kartierung, Sensortechnik und Befragungen werden diese Daten dann in einen Algorithmus eingespeist, um die Lastenradroute anzupassen.

Der Anzahl der Autos auf unseren Straßen zu reduzieren ist unablässig für die Erreichung der Klimaziele.

Leider gibt es in den meisten Städten immer noch Datenlücken, wenn es um fahrradfreundliche Lieferwege geht: Die notwendigen Infrastrukturdaten, von Radwegbreiten über Bordsteinhöhen bis hin zu Live-Informationen über Behinderungen durch Veranstaltungen, Baustellen oder Demonstrationen, sind in der Regel gar nicht oder nicht frei zugänglich.

Diese Lücke zu schließen war das Ziel eines Hackathons, den das baden-württembergische Verkehrsministerium im November 2020 veranstaltete. Daraus entstanden ist das Startup „Cargorocket“ und der erste bundesweite „Cargobike-Index“ im Mai 2021, der nun die Lastenradtauglichkeit vieler Straßen in ganz Deutschland aufzeigt. Die dazugehörige App folgte wenige Wochen später. „Beides sind keine fertigen Produkte“, betont Entwickler David Prenninger. Vielmehr wolle das Trio den Diskurs öffnen und zeigen, welche Standards Lastenräder brauchen, um als Ersatz für Autos in der Stadt unterwegs sein zu können, und welche Daten für die Routenplanung notwendig sind.

Der Schlüssel zur Entfaltung des Potenzials von Cargo Bikes

Mit Blick in die Zukunft ist davon auszugehen, dass Cargobikes eine vielversprechende Lösung für die Zustellung auf der letzten Meile sind, denn sie sind schon jetzt eine nachhaltige, wirtschaftliche und bequeme Alternative zu herkömmlichen Lieferfahrzeugen. Damit Lastenräder jedoch auf breiter Basis angenommen und effektiv genutzt werden können, spielen Städte und Lieferunternehmen eine entscheidende Rolle bei der Bereitstellung der nötigen Infrastrukturen. Dazu gehören der Bau fahrradfreundlicher Routen, das Sammeln von Daten über Hindernisse und Straßenbedingungen sowie die Gewährleistung der Sicherheit von Fahrer*innen und Fußgänger*innen.

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Dieser Artikel gehört zum Dossier „Mobilitätswende – Smart in Richtung Klimaneutralität“. Das Dossier ist Teil der Projekt-Förderung der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU), in deren Rahmen wir vier Dossiers zum Thema „Mission Klimaneutralität – Mit digitalen Lösungen die Transformation vorantreiben“ erstellen.

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