Dir ist bereits bewusst, dass künstliche Intelligenz und vor allem generative KI massive Auswirkungen auf Menschen, Umwelt und Klima hat und du willst etwas ändern? Ob du KI-Richtlinien entwickelst, für KI-Projekte verantwortlich bist oder dich einfach für das Thema interessierst – hier bist du richtig! Dieser Artikel zeigt Stellschrauben für nachhaltigere KI-Entwicklung und -nutzung.
KI ist schlecht für die Umwelt?!
KI verursacht hohe CO2-Emissionen, hat einen großen Wasserfußabdruck und lässt unseren Berg an Elektroschrott noch schneller wachsen? Noch nie davon gehört oder du fragst dich jetzt, wie das zusammenhängt? Dann bitte hier entlang! Der Artikel Bei nachhaltiger KI geht es um mehr als grüne Rechenzentren gibt einen Überblick über die direkten und indirekten Auswirkungen von KI auf die Umwelt. Aus Nachhaltigkeitsperspektive mitbetrachtet werden dabei auch soziale und ökonomische Aspekte.
Vorneweg: In diesem Artikel liegt der Fokus auf maschinellem Lernen und auch große Sprachmodelle werden mitbetrachtet. Mehr Hintergrundwissen zu Generativer KI findest du in diesem Artikel: Gibt es nachhaltige Sprachmodelle? Drei Perspektiven aus der aktuellen Debatte um KI und GenAI
Du willst mehr darüber erfahren, wie du GPT und andere Generative KI nachhaltiger nutzen kannst? In diesem Artikel geben wir Tipps: CO2-Sorgen bei GenAI? So nutzt du Sprachmodelle sparsamer.
Schritt 1: Brauche ich wirklich KI?
Löst die jeweilige Anwendung tatsächlich mein konkretes Problem? Diese zentrale Frage sollten wir uns vor jeder Nutzung und Entwicklung von KI stellen. Sie klingt trivial, wird im aktuellen Hype aber oft vergessen. Nicht immer ist eine ressourcenintensive KI-Anwendung die beste Antwort auf eine Frage und der Einsatz großer Modelle für einfache Aufgaben ist, als würde man „mit Kanonen auf Spatzen schießen“. Das Problem: Je größer ein KI-System ist, desto verheerender sind die ökologischen und sozialen Auswirkungen. In den meisten Fällen liefert eine einfache Online-Suche statt GPT oder ein einfacher Algorithmus statt großem Sprachmodell genauso sinnvolle Ergebnisse.
In vielen Bereichen hat sich außerdem gezeigt, dass mit etwas Entwicklungsaufwand ähnlich brauchbare Ergebnisse mit herkömmlichen und ressourcenschonenden Datenverarbeitungsmethoden ohne KI erzielt werden können.
Ist aber wirklich ein KI-Einsatz gefragt, sollte der nächste Schritt eine Nachhaltigkeitsbewertung meines Modells sein. KI-basierte Anwendungen sind für mehr oder weniger CO2-Emissionen und andere Umweltauswirkungen verantwortlich – das hängt davon ab, wie wir sie gestalten und einsetzen.
Schritt 2: Den ganzen Lebenszyklus betrachten
Geht es um die Nachhaltigkeit von KI, werden vor allem die CO2-Emissionen im Training oder der Inferenz gezählt. Doch angesichts der vielen Entwicklungsschritte von KI ist das zu kurz gegriffen. Wirkliche Aussagen lassen sich erst durch eine Lebenszyklusanalyse treffen.
Bei klassischen Importprodukten haben wir uns schon an diese Perspektive gewöhnt. Den meisten von uns ist bewusst, dass die Tafel Schokolade eine lange Reise hinter sich hat, bevor wir sie in den Händen halten. Mit unseren Technologien ist es ähnlich – nur noch komplexer.
Nehmen wir als Beispiel ein Sprachmodell: Die Daten, mit denen es trainiert wird, sammeln die großen Unternehmen aus sämtlichen digitalen Spuren, die Menschen weltweit im Internet hinterlassen. Vorsortiert und gelabelt werden sie oft von Subunternehmen in Niedriglohnländern wie Kenia oder Indonesien. Entwicklung und Training des Modell findet in den USA in Rechenzentren statt, deren Server Mineralien wie Lithium oder Kobalt und Seltene Erden aus dem Kongo und Vietnam benötigen. Stellen wir eine Anfrage an das fertige Modell, wird sie unter Umständen in einem Rechenzentrum in Norwegen verarbeitet. Und ist die Hardware in den Rechenzentren nach wenigen Jahren veraltet, landet sie als Elektroschrott in Indien, China oder Nigeria.
Von Roh- zu Trainingsdaten
KI wird viel für ausbeuterische Arbeitsbedingungen bei der Bearbeitung der Trainingsdaten, verzerrende Bias und Diskriminierung und mangelnden Datenschutz kritisiert. Außerdem werden bei der Entwicklung oft genau die Menschen, die die Modelle später nutzen, selten einbezogen. Doch dem lässt sich entgegenwirken.
🌿 Wesentliche Maßnahmen für KI-entwickelnde Organisationen:
- Stelle ethische Praxis und Datenschutz durch klare Verantwortlichkeiten sicher.
- Nutze Bewertungsrahmen wie zum Beispiel die Fairwork AI Initiative.
- Überprüfe die Lieferkette – frage Anbieter nach Details zur Datenbeschaffung und zu Arbeitsbedingungen.
- Beziehe Gemeinschaften ein; vor allem die Menschen, die dein System nutzen werden.
- Dokumentiere transparent, was dein KI-System tut und woher die Daten stammen.
- Sorge für Transparenz und Nachvollziehbarkeit deiner Entscheidungen.
Training und Verarbeitung in Rechenzentren
Wie hoch die CO2-Emissionen der Entwicklung und Nutzung von KI sind, ist abhängig von der Gestaltung der Modelle und der Stromquelle des Rechenzentrums. Dabei gilt, vereinfacht ausgedrückt, dass kleinere Modelle auch weniger Energie benötigen. Und je höher der Anteil an erneuerbaren Energien in den Rechenzentren ist, desto niedriger fallen die CO2-Emissionen in der Trainings- und Inferenzphase aus. Auch gibt es Möglichkeiten, auf den Wasserverbrauch einzuwirken.
🌿 Wesentliche Maßnahmen:
- Miss die Auswirkungen mit Tools wie CodeCarbon, Carbontracker oder EcoLogits.
- Wähle Rechenzentren, die erneuerbare Energien einsetzen und klare Nachhaltigkeitsziele haben. Lokale Wahl macht hier nicht unbedingt Sinn. Rechenzentren in Nordeuropa zu nutzen, hat zum Beispiel den Vorteil, dass weniger Energie oder Wasser für die Kühlung aufgewendet werden muss aufgrund der geringeren Außentemperatur. Auch gibt es hier mehr grünen Strom.
- Bewerte deine Systeme mit Rahmenwerken wie Model Cards und Data Sheets.
- Integriere Monitoring-Tools in den Entwicklungsprozess.
- Stelle dir die Frage, wie groß dein Datensatz wirklich sein muss und reduziere ihn auf ein Minimum.
End of Life
KI-Hardware veraltet wesentlich schneller als weniger leistungsfähige Server. Daher landet sie nach nur wenigen Jahren auf der Müllhalde.
🌿 Wesentliche Maßnahmen:
- Berücksichtige Hardware-Lebensdauer und Recycling-Möglichkeiten.
- Wähle Rechenzentren, die soziale und ökologische Verantwortung übernehmen.
Wie sieht eine grüne digitale Zukunft aus?
Elektroschrott, CO2-Emissionen durch KI, Wasserverbrauch von Rechenzentren – aktuell scheint die ungezügelte Digitalisierung nicht mit einem gesunden Planeten vereinbar. Doch es gibt viele Lösungen für eine ökologische und faire Digitalisierung – wir haben sie recherchiert:
Schritt 3: Wessen Modelle nutze ich?
Der Fokus der Big-Tech-Unternehmen liegt auf Wachstum. Grundlegende Werte, gesellschaftliche Bedürfnisse und ökologische Probleme bleiben dabei auf der Strecke. Zudem macht es die mangelnde Transparenz von Big Tech schwierig, etwas über die tatsächlichen Auswirkungen der Technologie zu erfahren geschweige denn nachhaltige Praktiken durchzusetzen.
🌿 Wesentliche Maßnahmen:
- KI-Nutzer:innen haben die Möglichkeit, KI-Modelle von Anbietern zu bevorzugen, die offen ihre Praktiken und ihre Auswirkungen auf die Umwelt und die lokale Wirtschaft teilen. Darin steckt die Chance, dass digitale Infrastrukturen gefördert werden, die den Gemeinschaften vor Ort durch die Schaffung von Arbeitsplätzen, Bildung, Kompetenzentwicklung und Wirtschaftswachstum zugute kommen. Hier berichten wir ausführlicher über sogenannte Public Interest AI.
- KI-Entwickler:innen können auf Open-Source-Modelle zurückgreifen und diese gegebenenfalls anpassen bzw. selbst ihre Modelle frei zugänglich machen.
Hilfe bei der nachhaltigen KI-Entwicklung
Sämtliche Nachhaltigkeitsaspekte zusammenzubringen, kann sehr herausfordernd sein. Der Nachhaltigkeitsindex für Künstliche Intelligenz, den Josephin Wagner und ihr Team im Projekt SustAIn entwickelt haben, will hier unterstützen. Das Projekt ist eine Zusammenarbeit des Instituts für ökologische Wirtschaftsforschung, des DAI-Labors der TU Berlin und von AlgorithmWatch. Mit dem Tool können KI-nutzende und -entwickelnde Organisationen prüfen, wie nachhaltig ihre KI-Systeme sind.
Der Ansatz des Nachhaltigkeitsindex ist sehr umfassend und die Bewertung basiert auf ökologischen, sozialen und ökonomischen Effekten der KI-Entwicklung und -Nutzung. Wer sich durch das Tool klickt, erhält am Ende eine Auswertung der Selbsteinschätzung und eine Übersicht, die Handlungsbedarfe aufzeigt. Der Nachhaltigkeitsindex macht auch auf die schon jetzt vorhandenen und einfach zu handhabenden Methoden aufmerksam, mit denen der Energie- und Wasserverbrauch von KI-Systemen und die von ihnen verursachten Emissionen gemessen werden können.
Auch das Tutorial über einen nachhaltigen KI-Einsatz von Civic Coding und die „Guidelines for Green AI“ des Green AI Hubs stellen Möglichkeiten der nachhaltigeren KI-Entwicklung und -nutzung vor. Sie richten sich an KI-Entwickler:innen und Betreiber:innen von Künstlicher Intelligenz.
Impact AI: Evaluation der gesellschaftlichen Wirkung von KI-Systemen für Nachhaltigkeit und Gemeinwohl
Das Forschungsprojekt Impact AI: Evaluation der gesellschaftlichen Wirkung von KI-Systemen für Nachhaltigkeit und Gemeinwohl unter der Leitung von Theresa Züger untersucht insgesamt 15 KI-Initiativen aus verschiedenen Bereichen. Ziel ist es, deren tatsächliche Auswirkungen auf Gesellschaft und Umwelt systematisch und umfassend zu bewerten. Dafür wird eine Methode entwickelt, die Indikatoren wie Energieeffizienz oder durch das KI-System verursachte Emissionen mit der qualitativen Bewertung ethischer und sozialer Aspekte kombiniert. Auf diese Weise sollen sowohl die Nachhaltigkeit von KI als auch Aspekte um Nachhaltigkeit durch KI sichtbar gemacht werden.
Durchgeführt wird es vom Alexander von Humboldt Institut für Internet und Gesellschaft (HIIG) in Zusammenarbeit mit Greenpeace und dem Gemeinwohlökonomie e.V..
Politik muss den Rahmen für nachhaltigere KI-Entwicklung setzen
Wir haben verschiedene Möglichkeiten genannt, wie KI-Nutzer:innen und -Entwickler:innen auf die Nachhaltigkeit eines KI-Modells einwirken können. Dennoch verhindert oder zumindest erschwert fehlende Transparenz in der KI-Branche eine umfassende Nachhaltigkeitsbewertung. Daher muss die ökologische, soziale und ökonomische Nachhaltigkeit von KI als Risiko in der Politik anerkannt werden und entsprechende Rahmenbedingungen gesetzt werden. Gefragt sind zum Beispiel einheitliche und umfassende Reporting- und Dokumentationsstandards, um Licht ins Dunkel zu bringen. Gleichzeitig sollten solche Messungen nicht länger allein der Branche überlassen werden. Um Greenwashing zu verhindern, müssen unabhängige oder öffentliche Stellen die Bewertungen übernehmen.

Dieser Artikel ist Teil des Dossiers „Digital und grün – Lösungen für eine nachhaltige Digitalisierung“, in dessen Rahmen wir Lösungen für eine ökologische und faire Digitalisierung vorstellen. Wir danken der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) für die Projektförderung!
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