Zum 36. Mal haben sich Ende Dezember die Hacker des Chaos Computer Clubs (CCC) zwischen Weihnachten und Neujahr zu ihrer jährlichen Konferenz und Hackerparty, dem Chaos Communication Congress (36C3), in Leipzig getroffen. Über vier Tage kamen dabei rund 17.000 Hacker*innen, Technikfreaks, Bastler*innen, Künstler*innen, Utopisten oder einfach Interessierte zusammen. Im Mittelpunkt der größten europäischen Zusammenkunft der Hackerszene stehen Themen rund um Informationstechnologien, Netze und Sicherheit und der kritisch-schöpferische Umgang mit Technologie und deren Auswirkungen auf unsere Gesellschaft.
In den 30 Jahren ihres Bestehens sorgte die Hackervereinigung immer wieder für Schlagzeilen, indem sie auf Missstände beim Datenschutz aufmerksam machte und mit gezielten Hackerangriffen Sicherheitslücken in IT-Systemen aufdeckte. Beim 36C3 diagnostizierte der CCC Schwachstellen im deutschen Gesundheitsnetzwerk: Hackern des Chaos Computer Clubs ist es gelungen, sich Zugangsberechtigungen für das sogenannte Telematik-Netzwerk zu verschaffen. An das Netz sind über 115.000 Praxen angeschlossen; in naher Zukunft sollen über das System verpflichtend digitale Patientendaten und elektronische Rezepte ausgetauscht werden.
Das Motto dieses Jahr: „Resource Exhaustion“
Neben diesen Themen ist bei den Hackern in den letzten Jahren aber auch die zunehmende Bedrohung durch den Klimawandel angekommen: Schon beim 34C3 vor zwei Jahren widmete der CCC dem Klimawandel einen eigenen Tag im Programm und 2018 haben sich die Hacker*innen gemeinsam mit anderen NGOs aus der Bürgerrechts- und Umweltbewegung an der Konferenz Bits&Bäume beteiligt. Beim 36. Kongress ist jetzt das Thema wirklich in den Fokus gerückt: Unter dem Motto „Resource Exhaustion“ haben die Hacker*innen unter anderem die Auswirkungen von IT-Systemen auf unseren Planeten in den Blick genommen. Denn, so ist auf der Webseite zu lesen, das „Erschöpfen von Ressourcen (ist) eine Form des Angriffs auf IT-Systeme, die als plump und destruktiv gilt.“ Klar, dass wir uns das mit RESET mal angeschaut haben.
Vor allem im Track „Resilience & Sustainability“ standen einige Sessions im Programm, die sich mit Themen auseinandersetzen, die unseren Planeten länger lebenswert erhalten: Klimaforschende haben über neueste Erkenntnisse und Analysetools berichtet, Lobbyist*innen sind für ein Recht auf Basteln und Reparieren eingetreten und Programmierende haben gezeigt, wie durch Optimierung von Software und Protokollen der Energie-Fußabdruck von Systemen reduziert werden kann.
Besonders empfehlenswert und absolut Einsteiger-tauglich sind diese Sessions, die es im Stream zum Nachhören gibt:
In dieser Lecture haben Marina Köhn (Umweltbundesamt) und Dr. Eva Kern (Umwelt-Campus Birkenfeld) ein bereits 2012 gestartetes Forschungsprojekt des Umweltbundesamt (UBA) vorgestellt, dass nach der Umweltrelevanz von Software forschte und die gegenseitige Beeinflussung von Hard- und Software erfasst und bewertet und geeignete Maßnahmen entwickelt hat, um den Ressourcenverbrauch durch Software zu reduzieren. Auf dieser Basis wird aktuell ein Umweltzeichen für Software entwickelt. Ein spannender Vortrag, der zeigt, dass unser digitaler Fußabdruck nicht nur davon beeinflusst wird, was wir online tun, sondern auch mit welcher Software und wie wir diese energieeffizienter machen können! Hier geht´s zum Stream.
Beim Design einer Website oder Web-App denken die wenigsten an CO2-Emissionen. Doch wie ein nachhaltigeres Web aussehen könnte und wie wir das in unserem Alltag umsetzen, darüber berichtet Niklas Jordan in seinem Vortrag. Wie sieht ein verantwortungsvoller Ressourcenverbrauch beim Konzipieren, Entwickeln, Designen oder Managen einer Website oder App aus? Was sind die Anforderungen an moderne Websites und Apps, damit sie nicht zu Lasten unserer Umwelt gehen? Die Antworten sind nicht nur interessant für Entwickler*innen! Hier geht´s zum Stream.
P.S.: Es gibt die Möglichkeit, statt Ton und Bild nur eine Audio-Version der Vorträge abzuspielen – das spart Ressourcen!
Es bleibt dabei: Wir haben noch viel zu tun!
Nach zwei Tagen auf dem Kongress hatte ich das Gefühl, dass einerseits auch hier Aufbruchsstimmung herrscht und unsere planetaren Grenzen endlich auch in einem Bereich stärker ins Blickfeld geraten, der einerseits maßgeblich an einem steigenden Ressourcenverbrauch beteiligt ist, der andererseits aber auch einen großen Einfluss auf ein nachhaltiges Netz und sparsame IT-Systeme haben könnte. Doch dafür, dass das Thema das erklärte Motto war, hatte ich eine tiefere inhaltliche Durchdringung von weitaus mehr Talks und Sessions, ja, des gesamten Kongresses erwartet.
Gleichzeitig hat das Programm des Kongresses aber noch etwas anderes gezeigt, nämlich dass das Wissen der Teilnehmenden um den Zusammenhang von Digitalisierung und Klimawandel weit auseinanderklafft. Während einerseits in vielen Köpfen überhaupt erst die Erkenntnis anzukommen scheint, dass Computer und Hacken etwas mit dem Klimawandel zu tun hat, basteln andere bereits an neuen Lösungen. Doch damit ist der 36C3 nur ein Abbild unserer Gesellschaft als Ganzes – es bleibt noch viel zu tun, wollen wir ein nachhaltiges Netz schaffen. Die möglichen Stellschrauben, um unseren digitalen Fußabdruck zu reduzieren, werden aber immer deutlicher.