Daten statt raten: Über das große Potenzial des Monitorings in der Landwirtschaft

Die Bodenqualität riesiger Gebiete mit 32 Stichproben berechnen – das ist Forscher*innen aus Ägypten dank digitaler Methoden gelungen. Das Projekt zeigt, wie wichtig Monitoring für die Landwirtschaft ist.

Autor*in Benjamin Lucks, 15.04.24

Monokulturen, Verdichtung und steigende Temperaturen – unsere Böden werden in den nächsten Jahren deutlich schlechtere Bedingungen für die Landwirtschaft bieten. Es ist daher essenziell, dass Landwirt*innen ihre Böden besser schützen und ihre Fruchtbarkeit erhalten. Smartes Monitoring könnte Landwirt*innen die nötigen Informationen liefern.

Welche Möglichkeiten smartes Monitoring für die Zukunft der Landwirtschaft bieten kann, zeigt ein Projekt der Benha Universität in Ägypten. Um die Bodenqualität eines riesigen Gebiets im Nildelta zu berechnen, setzten die Forschenden auf GIS-Daten und maschinelles Lernen.

Böden schützen dank Mathematik

Die Bodenqualität eines 2.300 Quadratkilometer großen Gebiets mit herkömmlichen Methoden zu messen, wäre ein Mammutprojekt. Hierfür müssten Forscher*innen das gesamte Gebiet bereisen und genügend Stichproben sammeln, um dann eine grobe Karte zu erhalten. Die Forscher*innen der Benha Universität konnten dagegen die Qualität der Böden des Nildeltas anhand der Daten weniger Stichproben errechnen.

Dabei haben sie an verschiedenen Orten im Nildelta 32 Bodenproben mit Größen von bis zu 30 Zentimetern entnommen. Im Labor haben sie diese dann auf ihre chemischen und physikalischen Eigenschaften untersucht. Zusammen mit Daten aus einem Geoinformationssystem (GIS) konnten sie aus den Proben dann Rückschlüsse zur Bodenqualität des gesamten Gebiets ziehen.

© Faculty of Agriculture, Benha University, Egypt.

Die Interpolation der Daten erfolgte dabei mithilfe mathematischer Funktionen und Algorithmen, welche die Forscher*innen computerbasiert berechneten. Anhand dieser Daten konnten im Rahmen des Projekts konkrete Handlungsempfehlungen für Gebiete mit schlechter Bodenqualität gegeben werden.

Um die Bodenqualität im untersuchten Gebiet zu verbessern, wäre es etwa ratsam, vermehrt salzresistente Pflanzen anzusiedeln und die Auslaugung der Böden mithilfe von Wasserabläufen zu verhindern. Ob sich die Maßnahmen tatsächlich die Bodenqualität in den kritischen Gebieten auswirken, ließe sich ebenfalls mit der Methode überprüfen.

Etablieren sich derartige Messmethoden, die mithilfe von maschinellem Lernen und digitaler Interpolierung arbeiten, erhielten wir zukünftig ein deutlich einfacheres Monitoring der Bodenqualität. Fest platzierte Sensoren an einigen Orten könnten dann regelmäßig Berechnungen der Umweltbedürfnisse einer ganzen Region liefern. Doch Forscher*innen sehen in einem konsequenten Monitoring noch weitaus größere Chancen.

Moderne Sensorik ist eine große Chance für die Landwirtschaft

Das Bundesamt für Naturschutz (BfN) schlägt für ein effektives Monitoring ein “Environmental IoT” vor. Also ein Netzwerk aus Sensoren, smarten Landwirtschaftsrobotern und weiteren Geräten, die untereinander über das Internet vernetzt sind. Ferner könnte die “Vorhersage von Bodeneigenschaften mithilfe einer Kombination aus Nanosensoren und maschinellem Lernen den Erhalt der Bodenqualität unterstützen”, ähnlich dem Ansatz der Forschenden in Ägypten.

Daneben kann mithilfe eines smarten Monitorings das Verständnis der Zusammenhänge und Ökosystemleistungen auf Agrarflächen verbessert werden. Hochauflösende Sensoren können beispielsweise bei der Klassifizierung von Habitaten unterstützen, worauf basierend die Artenvielfalt modelliert werden kann. Und wenn dann die Bewirtschaftung der Flächen und die Ausbringung von Agrochemikalien an den Erhalt der Ökosysteme angepasst werden, kann ein konsequentes Monitoring dem Artenschutz dienen. Sind also die Orte bekannt, an denen sich Vögel und Insekten tummeln, können auch gezielt Maßnahmen zu deren Schutz umgesetzt werden. Das führt wiederum zum Erhalt der Biodiversität der Pflanzen und zu einer besseren Bodenqualität.

Auch spannend: Kitzrettung durch Drohnen

Das BfN nennt auch die Rettung von Rehkitzen als Anwendungsfall von Monitoring-Technologien. Dabei sollen Drohnen zum Einsatz kommen, die mit Wärmebildkameras ausgestattet werden.

Mit diesen sollen Landwirt*innen die Kitze erkennen, bevor sie Rasenflächen mähen. Wir haben bereits über ein solches Projekt berichtet: Kitzrettung per Drohne – Leise Helfer aus der Luft

Eine ähnliche Idee verfolgt die Forscherin Paula Meyer, die die Koexistenz von Bären und Menschen per Kartierung verbessern will.

Allerdings steckt die Datenerhebung und -auswertung hinsichtlich Biodiversitätsindizien aktuell noch in den Kinderschuhen. In der Landwirtschaft werden zunehmend digitale Technologien eingesetzt und all die Sensoren, Drohnen und Managementsysteme sammeln verschiedenste Daten. Doch diese dienen vor allem der Optimierung der Prozesse mit dem Ziel, die Kosten für die Landwirt*innen zu senken und die Erträge zu erhöhen. Daten, die Rückschlüsse über die Biodiversität und größeren Zusammenhänge der Ökosysteme zulassen, sind dabei eher ein Nebenerzeugnis. Umso wichtiger ist es, Anwendungen in diesem Bereich zu fördern und die Daten für gezielte Umweltschutzmaßnahmen verfügbar zu machen.

Dabei sollten deren Risiken nicht außer acht gelassen werden.

Problem: Datenhoheit und Monopolisierung

Landwirtschaftliche Daten sind mit ihrer Kombination aus Standortdaten und Informationen aus Umweltanalysen äußerst sensibel. Um wirkungsvoll eingesetzt werden zu können, sollten sie jedoch einer möglichst großen Anzahl an Betrieben und Unternehmen zur Verfügung stehen. Doch oftmals verbleiben die Daten bei den Anbietern von Agrarsoftware und es bleibt unklar, ob und wie diese verarbeitet und weitergegeben werden.

Daher sollten schon bei der Entwicklung von digitalen Lösungen die Anonymisierung persönlicher Daten und offene Schnittstellen mitgedacht werden, wie Dr. Sonoko Bellingrath-Kimura im Interview mit RESET betont. Dies sei ein “essenzieller Punkt, um die nötige Vernetzung hinzubekommen” und dann könne “das jeder nutzen und entwickeln, egal, ob es größere Konzerne oder Startups” sind.

Dr. Sonoko Bellingrath sieht in der Landwirtschaft ein großes Potenzial, CO2 zu binden, die Qualität der Böden zu verbessern und die Biodiversität zu erhöhen.

Hietr kannst du das ganze Interview lesen: „Die Landwirtschaft kann so viel mehr als Lebensmittel produzieren.“

Die Daten müssten zudem den Betrieben gehören, sodass diese entscheiden können, wo die Datenflüsse hingehen. Aktuell führen Klauseln zu automatischen Datenflüssen in Verträgen beim Kauf von Sensoren und Maschinen häufig dazu, dass Landwirt*innen neuen Technologien skeptisch gegenüber stehen.

Künstliche Intelligenz kann Monitoring noch effizienter machen

Besonders wichtig werden derartige Rahmenbedingungen, wenn die Agrarwende vom derzeitigen KI-Boom profitieren soll. Das Startup Hortiya zeigt die Möglichkeiten einer „Pflanzen-KI“ bereits auf Ebene von Gewächshäusern. Durch Sensoren und ein „Sprachmodell der Pflanzen“ kann die Anwendung Rückschlüsse auf den Status von Tomaten, Basilikum und Cannabis ziehen. Dadurch lassen sich die Bedürfnisse der Pflanzen deutlich besser abschätzen.

© Hortiya
Sensoren wie das Modell von Hortiya lassen inzwischen Rückschlüsse auf den Zustand von Pflanzen zu.

Systeme, die mit künstlicher Intelligenz und maschinellem Lernen arbeiten, erkennen Zusammenhänge zwischen zahlreichen Daten besonders gut. Wenn das Netzwerk aus Sensoren und Maschinen wächst, treibt das auch das Monitoring in der Landwirtschaft voran. Das Bundesamt für Ernährung und Landwirtschaft fördert daher die Entwicklung von KI-Systemen in landwirtschaftlichen Kontexten. Die Potenziale reichen laut BMEL von der Optimierung beim Einsatz von Wasser, Pflanzenschutzmittel und Dünger hin zu einer Verkürzung der Lieferketten durch die bessere Vernetzung von Stadt und Land.

Die Landwirtschaft steht vor großen Herausforderungen: Einerseits ist sie stark von den Auswirkungen des Klimawandels und des Arten- und Biodiversitätsverlust betroffen. Andererseits trägt die Landwirtschaft selbst zu den Problemen bei.
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Monitoring ist eine große Chance – wenn der Rahmen stimmt

Das Potenzial eines konsequenten Monitorings in der Landwirtschaft können wir also schon heute sehr gut abschätzen. Bauen wir in der Landwirtschaft ein “Environmental IoT” auf, wie es das BfN nennt, können wir Zusammenhänge zwischen landwirtschaftlichen Entscheidungen und ihren Auswirkungen auf die Umwelt besser erkennen. Gleichzeitig wäre es dadurch möglich, sensibler auf die Anforderungen der Pflanzen- und Tierwelt zu reagieren und die Wirksamkeit von Schutzmaßnahmen zu kontrollieren.

Doch der Aufbau eines solchen Netzwerkes braucht politische Rahmenbedingungen, um Betriebe zu schützen und ihnen einen Mehrwert in der Anschaffung derartiger Technologien zu bieten. Außerdem gilt es, die Daten sämtlichen Akteur*innen zugänglich zu machen. Öffentliche Plattformen wie das EU-Projekt DIAS und die rheinland-pfälzische GeoBox sind gute Beispiele dafür.

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Dieser Artikel gehört zum Dossier „Agrarwende – Die nachhaltige Landwirtschaft von morgen“. Das Dossier ist Teil der Projekt-Förderung der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU), in deren Rahmen wir vier Dossiers zum Thema „Mission Klimaneutralität – Mit digitalen Lösungen die Transformation vorantreiben“ erstellen.

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