Weihnachten ist vorbei, und mit Sicherheit haben die Geschenkeberge Haushalte weltweit mit elektronischen Geräten aller Formen und Größen überschwemmt. Doch des einen Freud ist des anderen Leid. In unserer zunehmend globalisierten Welt werden Produkte wie Smartphones in zahlreichen Ländern hergestellt – und nicht überall existieren Standards für den Schutz von Arbeitnehmer*innen. In vielen Ländern arbeiten Menschen unter schlechten Arbeitsbedingungen und werden ausgebeutet.
Da aber jedes elektronische Gerät aus vielen Komponenten besteht, die aus unterschiedlichen Materialien aus vielen verschiedenen Ländern hergestellt werden, ist es weder als Hersteller*in noch als Verbraucher*in leicht, einen Überblick über die potenziellen sozialen und ökologischen Risiken der Produkte zu erhalten.
Das Projekt Fairtronics des Vereins FairLötet versucht nun, genau an dieser Stelle Licht ins Dunkel zu bringen und hat ein Webtool entwickelt, mit dem Hersteller*innen ihre Produkte prüfen können und Hinweise auf mögliche Problembereiche erhalten.
Dazu hat Fairtronics viele verschiedene Daten und Forschungsergebnissen zusammengetragen, die schnell und einfach für Laien in umsetzbare Risikobewertungen übersetzt werden. Auf der Website können sich Nutzer*innen Berichte erstellen lassen, in denen sie die verschiedenen Komponenten, wie Leiterplatten und Kabel, aus denen ihre Produkte bestehen, auflisten. Fairtronics bewertet dann, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass bestimmte Komponenten in Ländern hergestellt werden, in denen es um die Einhaltung von Arbeitnehmer- und Menschenrechten schlecht bestellt ist. Dazu wird das Gesamtgewicht eines Bauteils gemessen, wie viel davon aus bestimmten Metallen besteht und in welchen Ländern diese Metalle hergestellt werden. Die Nutzer*innen erhalten dann eine Risikobewertung, die potenzielle Problemfelder hervorhebt und jedem Bauteil ein niedriges, mittleres oder hohes Risiko zuweist.
Damit geht es Fairtronics an erster Stelle nicht darum, spezifische Informationen über die Herkunft konkreter Technologiekomponenten zu liefern, sondern eine Gesamtperspektive zu bieten, die potenzielle Risiken in der Lieferkette aufzeigt. Mit den Informationen können die Hersteller*innen dann intensiver ihre Lieferketten prüfen und Anpassungen vornehmen, um das Risiko unethischer Arbeitsbedingungen oder den Einsatz von Konfliktmaterialien zu verringern. Mit seinem Webtool richtet sich Fairtronics vor allem an kleinere Hersteller*innen und Startups, die ihre Nachhaltigkeit und soziale Verantwortung verbessern wollen.
Gegenwärtig folgt Fairtronics den Leitlinien und Methoden der Sozialen Lebenszyklusanalyse (S-LCA), um Kategorien für die sozialen Auswirkungen zu entwickeln. Dabei liegt der Fokus auf den Arbeitnehmer*innen als Stakeholder-Gruppen mit Bewertungen zu folgenden Themen: Vereinigungsfreiheit und Tarifverhandlungen, Kinderarbeit, gerechte Entlohnung, Arbeitszeiten, Zwangsarbeit, Chancengleichheit und Diskriminierung, Gesundheit und Sicherheit sowie Sozialleistungen und soziale Sicherheit. Die Indikatoren für jede Kategorie wurden auf der Grundlage von Informationen entwickelt, die von Organisationen wie der Internationalen Arbeitsorganisation und Unicef bereitgestellt wurden.
Insgesamt befindet sich das vom deutschen Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und dem Prototype Fund geförderte Projekt noch in einem relativ frühen Prototypenstadium und räumt ein, dass sich seine derzeitige Version weitgehend auf Rohmetalle wie Kupfer, Eisen und Silber beschränkt und dass eine gewisse Ungenauigkeit bei den derzeitigen Datensätzen unvermeidlich ist. So kann es beispielsweise vorkommen, dass die Nutzenden ihre genauen Komponenten nicht auf der Plattform finden und ähnliche auswählen müssen. Fairtronics hofft jedoch, mit der Erweiterung der Datensätze diese Bereiche verbessern zu können.
Zudem beschränkt sich das soziale Risiko elektronischer Geräte nicht nur auf die Rohstoffe, sondern auch Montage und Entsorgung müssen miteinbezogen werden. Fairtronics plant, in Zukunft auch diese Bereiche der Herstellung abdecken zu können und die Kriterien, nach denen die Produkte beurteilt werden, zu erweitern.