Das Phänomen Armut

Negative Trends wie steigende Lebensmittelpreise, Krankheitsepidemien oder klimatische Veränderungen ziehen vor allem für eine Gruppe von Menschen verheerende Konsequenzen nach sich: für die Menschen, die arm sind. Betroffen davon ist ca. ein Fünftel der Weltbevölkerung. Angesichts dieser Tatsache gilt die Bekämpfung von Armut als eine der zentralsten und schwierigsten Herausforderungen unserer Zeit.

Autor*in Rima Hanano, 12.02.11

Weltweit leben nach Schätzungen der Weltbank 1,4 Milliarde Menschen – das ist ca. 1/5 der Weltbevölkerung – von weniger als 1,25 US-Dollar pro Tag. Die meisten dieser Menschen leben in Südasien und Sub-Sahara Afrika. Hinter dem Begriff Armut verbirgt sich ein multidimensionales Phänomen. Armut bedeutet oftmals nicht, nur ein Mangel an Einkommen und damit kein Geld für das Nötigste zu besitzen, sondern zugleich Schutzlosigkeit vor makroökonomischen Schocks, vor Naturkatastrophen, Hunger oder Krankheiten.

Armut bedeutet, keinen Zugang zu einer medizinischen Grundversorgung zu haben, der Mangel an Möglichkeiten sich zu bilden sowie mangelnde Möglichkeiten zu politischen oder sozialen Mitsprache bis hin zum vollkommenen sozialen Ausschluss.

„Poverty is lack of freedom, enslaved by crushing daily burden, by depression and fear of what the future will bring.“ —armer Mensch aus Georgien

„It’s the cost of living, low salaries, and lack of jobs. And it’s also not having medicine, food and clothes.“ — armer Mensch aus Brasilien

„Some have land, but they can’t buy fertilizer; if some work as weavers, they aren’t well paid; if some work for daily wages, they aren’t paid a just wage.“ — armer Mensch aus Guatemala.

So und anders beschreiben Arme ihre Situation in einer umfassenden Studie der Weltbank zum Thema Armut.

Armutsentwicklung

The Millenium Development Goals Report 2010

Die Ursachen von Armut

Armut ist mehr als ein Ergebnis ökonomischer Prozesse. Armut ist das Ergebnis sich gegenseitig beeinflussender ökonomischer, sozialer und politischer Prozesse. Die Ursachen von Armut sind im Wesentlichen im Ausschluss bzw. im fehlenden Zugang der Armen zu Ressourcen wie Bildung, Kapital, Land, Informationen und Dienstleistungen (bspw. Finanzdienstleistungen wie Kredite oder Gesundheitsdienstleistungen) zu sehen.

Zu den Einflussgrößen von Armut zählen vielerlei interdependente Faktoren wie bspw. „good governance“, ein funktionierendes und effektives Rechtssystem, globale und regionale Sicherheit, wirtschaftliche und politische Stabilität, aber auch Umweltfaktoren wie die Abholzung von Wäldern, klimatische Veränderungen oder Naturkatastrophen. Auf kommunaler Ebene ist das Vorhandensein von Infrastruktur – also bspw. Straßen, Elektrizität, Telekommunikation, Schulen, Gesundheitseinrichtungen- eine entscheidende, wenn nicht die bedeutendste Einflussgröße von Armut.

Armutsbekämpfung

Die Bekämpfung von Armut ist mittlerweile zur elementaren Aufgabe der Weltgemeinschaft und zur zentralen Aufgabe der nationalen und internationalen Entwicklungspolitik und Entwicklungszusammenarbeit geworden.
Programme zur Armutsbekämpfung versuchen das Wirtschaftswachstum der betroffenen Länder zu stimulieren, indem sie bspw. die makroökonomische Stabilität fördern oder einen fairen Handels unterstützen. NRO fordern hinsichtlich der Armutsbekämpfung immer wieder, Kleinbauern in Entwicklung- und Schwellenländern vor subventionierten Billigimporten aus bspw. Europa zu schützen (Erfahre mehr zu diesem Thema im Wissens-Beitrag Agrarhandel).

Nationale Programme zur Armutsbekämpfung versuchen in erster Linie, die Strukturen innerhalb den betroffenen Ländern zu ändern. Initiativen fördern auf nationaler Ebene in der Regel eine „Hilfe zur Selbsthilfe“ und gewährleisten zudem eine Partizipation und Gleichberechtigung Armer (bspw. durch Reformen der Wirtschafts-, Finanz-, Bildungs-, Rechts- und Sozialsysteme), um ihr Einkommen auch langfristig zu sichern. In diesem Zusammenhang genießen Infrastrukturprogramme, Mikrofinanzprogramme oder Bildungsprogramme besondere Aufmerksamkeit, da sie die Möglichkeiten armer Menschen verbessern – insbesondere die Fähigkeit, am Wirtschaftsleben teil zunehmen (indem sie bspw. durch Strom oder den Bau von Straßen Zugang zu Informationen und Märkten erhalten).

Die Millenniumsentwicklungsziele (MDG) – Auf dem Weg in eine Welt ohne Armut?

Vor dem Hintergrund der weltweit wachsenden Armut wurden im September 2000 von der internationalen Gemeinschaft die acht Millenniumsentwicklungsziele (MDG) formuliert, die die 185 Länder bis zum Jahre 2015 durch entsprechende Programme und Strategien erreichen wollen. Das MDG 1 fordert eine weltweite Halbierung der Menschen, die in extremer Armut leben, bis zum Jahre 2015. Als extrem arm gilt nach Definition der Weltbank, wer von weniger als einem US-$ pro Tag zur Verfügung leben muss. Gegenwärtige Trends und Wachstumsprognosen implizieren die Erreichung des MDG 1 in den meisten Ländern, bis auf Sub-Sahara Afrika. Laut Weltbank (WDI (2006) werden im Jahr 2015 insgesamt immer noch 600 Millionen Menschen in Armut leben, die meisten davon in Südasien und Sub-Sahara Afrika. Mehr zu den MDG im Wissens-Beitrag „Die Milleniums-Entwicklungsziele (Millenium Development Goals, MDG)„.

Bedeutet Wirtschaftswachstum Armutsbekämpfung?

Ob sich Wirtschaftswachstum armutsmindernd auswirkt, hängt maßgeblich davon ab, in welchen Bereichen Wachstum stattfindet (bspw. in der Landwirtschaft, in der ein großer Teil Armer beschäftigt ist) und wie Einkommen und der Konsum verteilt sind. Während man in der Vergangenheit davon ausgegangen war, dass sich sog. trickle down Effekte einstellen – also der durch das Wirtschaftswachstum erreichte Wohlstand auch die unteren Gesellschaftsschichten erreicht-, konzentriert sich die Forschung seit einigen Jahren explizit auf so genanntes Pro-Poor Growth. Also ein breitenwirksames Wachstum zu dem Arme beitragen und an dem Arme Teil haben.
Welche Maßnahmen und Strategien jedoch genau zu ergreifen sind, um ein breitenwirksames nachhaltiges Wachstum zu fördern, ist gegenwärtig noch nicht zu beantworten. Als entscheidende Erfolgsfaktoren bei der Bekämpfung von Armut gelten jedoch in jedem Fall Verteilungsgerechtigkeit und eine verbesserte Regierungsführung.

Quellen

  • McCleery, Selim Jahan Robert (2005), Making Infrastructure Work for the Poor, Synthesis Report of Four Country Studies, Bangladesh, Senegal, Thailand and Zambia
  • Narayan, Deepa (World Bank Publication) (2000), Voices of the Poor: Can anyone hear us?
  • United Nations (UN) (2009), The Millennium Development Goals Report 2009.
  • United Nations (UN) (2010), The Millennium Development Goals Report 2010.
  • United Nations (UN) (2013), The Millenium Development Goals Report 2013.
  • United Nations (UN) (2014), The Millenium Development Goals Report 2014.
  • United Nations Development Programme (UNDP) (2004), Pro-Poor Growth: What ist it?.
  • World Bank (2000), World Development Report 2000/2001, Attacking Poverty: Opportunity, Empowerment and Security.
  • World Bank (2005), Pro-Poor Growth in the 1990s. Lessons and Insights from 14 Countries.
  • World Bank (2005), Poverty Manual.
  • World Bank (2006), World Development Indicators (WDI) (2006).

Links und Literaturhinweise zum Thema „Armut“

MARKIERT MIT
Wenn Armut krank macht

Gesundheit ist für viele Menschen ein teures Gut. Circa 1,2 Milliarden Menschen unserer Welt leben in extremer Armut. Sie wohnen in Slums und haben weniger als einen Dollar pro Tag zur Verfügung. Armut führt zu schlechter Gesundheit, weil sie Menschen dazu bringt, unter Bedingungen zu leben, die sie krank machen.

Der Fluch natürlicher Ressourcen: Trotz Rohstoffreichtum bettelarm

Die Demokratische Republik Kongo, Nigeria, Sierra Leone, Liberia, Angola, der Tschad. Länder, die über große Rohstoffvorkommen verfügen, aber weit davon entfernt sind, Armut und Hunger im eigenen Land zu überwinden. Der Reichtum an Öl, Kupfer oder Edelsteinen könnte eine Quelle für Entwicklung sein. Statt Wohlstand grassieren in diesen Ländern in der Realität jedoch Krieg und Gewalt. Der Reichtum wird zum Fluch. Keine zufällige Erscheinung.