Forschende arbeiten an genetischem Schutz der Alpenwälder gegen Infektionskrankheiten

Die Gemeine Fichte oder Rottanne kennt man weltweit vor allem als „Weihnachtsbaum“.

Die Fichte spielt in Europa eine wichtige wirtschaftliche und ökologische Rolle, wird aber zunehmend von einer Infektionskrankheit befallen. Forschende aus Österreich wollen die „Abwehrkräfte“ der Bäume stärken.

Autor Mark Newton:

Übersetzung Mark Newton, 20.08.20

Steigende globale Temperaturen können unsere Flora und Fauna auf verschiedene Weise beeinflussen, so auch die alpinen Wälder Europas. Die gestiegene Durchschnittstemperatur in diesen Regionen belastet Nadelbäume, wie Kiefer und Fichte, stark und schwächt sie gegenüber neuen Krankheitserregern und Krankheiten, die unter den neuen Bedingungen zu gedeihen scheinen.

Wissenschaftler*innen arbeiten derzeit an der Entwicklung eines Systems, mit dem sie die Genetik einzelner Pflanzenarten entschlüsseln und dann diejenigen Pflanzen auswählen können, die die stärkste Abwehr gegen bestimmte Krankheiten bieten. Man hofft, dass durch die sorgfältige Auswahl der Bäume und die anschließende Neupflanzung bestimmter Wälder die Gesamtgesundheit der Pflanzen in den Alpenregionen langfristig verbessert wird – oder zumindest Schäden gemildert werden können, die durch neue Krankheiten verursacht werden.

Wissenschaftler des BFW, des österreichischen Bundesforschungszentrum für Wald, waren zunehmend besorgt über die Ausbreitung eines bestimmten invasiven Erregerstammes, der Rostpilzart Chrysomyxa rhododendri, auch Fichtennadelrost genannt. Die Krankheit, die eine der größten Bedrohungen für Bäume auf der ganzen Welt darstellt, ist besonders gefährlich für die Fichte, da sie die Nadeln vergilben und vorzeitig ausfallen lässt. Ein älterer Baum stirbt dadurch nur selten ab, der Befall führt aber zu einer erheblichen Verringerung des Wachstums und der Gesundheit des Baumes, wodurch er anfälliger für andere Probleme wird. Jüngere Bäume hingegen können durchaus bei Befall absterben.

Die Eindämmung der Krankheitsausbreitung ist schwierig, da sie von Insekten zwischen den Pflanzen übertragen wird, von denen einige selbst invasiv sind oder aufgrund der wärmeren Umgebung zahlenmäßig zugenommen haben. Baumkrankheiten sind nichts Neues und auf der evolutionären Skala haben sie sich neben den pflanzeneigenen Abwehrmechanismen entwickelt – mit dem Ergebnis eines schwankenden Gleichgewichts. Nur selten kam es hier zu größeren Schäden. Einheimische Krankheitserreger können sogar nützlich sein, indem sie Lebensräume schaffen, die biologische Vielfalt fördern und den Nährstoffkreislauf unterstützen. Die neue invasive Natur der Krankheiten und die Geschwindigkeit, mit der sich die Umwelt verändert, haben dieses Verhältnis jedoch verzerrt.

Die Zunahme von Wirtschaftswäldern, die oft nur aus einer einzigen Baumart bestehen – den Monokulturen – kann die Probleme ebenfalls verschärfen, da sich Krankheiten in solchen Gebieten schnell ausbreiten können.

Stärkung der Abwehrkräfte des Waldes

Um die Widerstandskraft der Bäume zu stärken, hat das Team des BFW unter der Leitung von Dr. Carlos Trujillo Moya versucht, den molekularen Abwehrmechanismus der Fichte zu entschlüsseln, um besser zu verstehen, wie er funktioniert.

In einer neuen Studie, die in BMC Genomics veröffentlicht wurde, erklärt das österreichische Forschungsteam, wie es entdeckte, dass bestimmte einzelne Bäume eine hypersensible Reaktion erzeugen können, die zu einem stärkeren Gegenangriff gegen die pathogene Pilzart führt: Der Fichtennadelrost wird von einem komplexen Cocktail aus Proteinen und chemischen Verbindungen angegriffen, der den Pilz isolieren kann, so dass der infizierte Teil der Nadel kontrolliert absterben kann, während der Rest des Baumes gerettet wird. Diese Abwehr findet etwa zwei bis drei Wochen nach der Erstinfektion statt und dauert etwa einen Monat an.

Dieses Wissen hilft den Forschenden dabei, die resistenteren Bäume besser zu identifizieren und Klone von ihnen zu produzieren. Solche hypersensiblen Fichten können dann in Wiederaufforstungsprogrammen zur Verstärkung der Wälder eingesetzt werden, was sowohl den allgemeinen Gesundheitszustand der Wälder verbessern als auch die weitere Ausbreitung der Krankheit in große Waldgebiete oder in neue Regionen verhindern könnte.

Tatsächlich dürfte diese Entdeckung vor allem für kommerzielle Forstleute von Nutzen sein, die das Wachstum und die Produktivität ihrer Bäume maximieren wollen. Insbesondere die Gemeine Fichte ist einer der wirtschaftlich wichtigsten Bäume Europas und gilt in einigen Regionen, in die sie importiert wurde, als eigenständige invasive Art. Die Forschung aus Österreich und eine selektierte Form des Anbaus könnten jedoch dazu beitragen, andere Arten langfristig vor ähnlichen Bedrohungen zu schützen und die Wälder zu erhalten, die für das Leben auf diesem Planeten so entscheidend sind.

Dieser Artikel ist eine Übersetzung von Lydia Skrabania. Das Original erschien zuerst auf unserer englischen Website.

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