Ja, formal gesehen passt alles. Das Ziel der diesjährigen Klimakonferenz war es, sich auf eine „Bedienungsanleitung“ für das Paris-Abkommen mit seinem ambitionierten 1,5 bis 2-Grad-Ziel zu einigen. Das ist gelungen. Ab 2024 gelten nun weitgehend die gleichen Regeln für Industrie- und Entwicklungsländer – mit wichtigen Regelungen zur Transparenz und Verbindlichkeit der Emissionspläne sowie zur Klimafinanzierung für die Entwicklungsländer. Und alle machen mit, sogar Indien und China, die große Mengen CO2 in die Atmosphäre pusten. Ausnahmen gibt es nur für jene Länder, denen glaubhaft die Kapazitäten fehlen.
Dadurch, dass für alle die gleichen Regeln gelten, ist es leichter, sich mit seinen Nachbarn zu vergleichen und selbst entsprechende Maßnahmen zum Schutz des Klimas umzusetzen. Gleichzeitig ist im Paris-Abkommen festgelegt, dass sämtliche Länder ihre Klimapläne alle fünf Jahre nachschärfen müssen. Damit könnte eigentlich der Wettstreit – in einem sehr positiven Sinne – um das Land mit den ambitioniertesten Klimaschutzplänen eröffnet sein.
Aber wie die Vergangenheit gezeigt hat: Regelungen allein, egal wie verbindlich sie sein mögen, vermeiden noch kein Gramm Kohlendioxid. Fakt ist, dass die globalen Emissionen trotz jährlich stattfindender Klimagipfel noch kein bisschen gesunken sind und weiter Kohle, Öl und Gas verbrannt wird. Und die sehr zähen Verhandlungen der letzten Wochen machen wenig Hoffnung, dass irgendeine Nation mit konkreten Taten voranpreschen wird.
Von Aussteigern, Wackelkandidaten und zu wenig Enthusiasmus
Mitverantwortlich dafür sind die USA unter Trump, die nur noch maximal einen halben Fuß in der Tür der Klimaverhandlungen haben. China, Russland und die großen Ölstaaten haben die Gelegenheit genutzt und sich den USA angeschlossen. Gemeinsam haben sie sich weitreichenden Klimaschutzplänen immer wieder in den Weg gestellt.
Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass man sich auf dem Klimagipfel nicht darauf einigen konnte, ob man den Bericht des IPCC, der sofortige und drastische Maßnahmen für den Klimaschutz fordert, final „begrüßen“ oder nur „zur Kenntnis nehmen“ solle. Denn den Bericht hatten die Klimaverhandler selbst in Auftrag gegeben und er gilt in der Wissenschaft als glaubwürdigste und fundierteste Darstellung über das Klima, seine Veränderungen und den möglichen Umgang damit. Saudi-Arabien, Kuwait, USA und Russland wollten den Bericht des Klimarats allerhöchstens „zur Kenntnis nehmen“.
Immerhin: Über das Thema der Klimafinanzierung herrschte in Katowice eine überraschende Einigkeit. Die Industriestaaten haben zugesagt, dass sie unverbindlich über ihre Zukunftspläne bei den Klimahilfen berichten und sich auf Buchhaltungsregeln für diese Hilfen geeinigt. Beim Handel mit CO2-Zertifikaten, einem Instrument, das bei vielen Klimawissenschaftlern mit großer Hoffnung verbunden ist, herrschte Übereinstimmung – nur Brasilien stellte sich quer. Eigentlich wollten sich alle Länder der Welt auf Regeln einigen, um die doppelte Anrechnung von Emissionsreduktionen zu verhindern. Am Ende einigte man sich, das Thema auf nächstes Jahr zu vertagen. Germawatch berichtet ausführlich über die einzelnen Punkte: Erste Bewertung der Ergebnisse des Klimagipfels COP24
Voranpreschen? Fehlanzeige!
Viele Beobachter hatten gehofft, dass der ein oder andere Staat auf dem Gipfel mit starken nationalen Klimaplänen voranpreschen würde und so die Messlatte für alle anderen mal wieder ein wenig höher gelegt hätte. Leider ist das nicht passiert. Auch aus den Reihen der selbsternannten „Koalition der Ambitionierten“ – darunter die EU inklusive Deutschland sowie die Inselstaaten, die durch den Anstieg des Meeresspiegels besonders betroffen sind – wurde lediglich verkündet, dass 2020 neue Pläne vorgelegt werden würden. Deutschland hat sich nebenher sogar noch den Negativpreis „Fossil des Tages“ eingeheimst – wegen seiner rückwärtsgewandten Kohlepolitik.
Was also bleibt?
Der IPCC hat in seinem Bericht festgestellt, dass wir nur noch ein Zeitfenster von wenigen Jahren haben, um die Erderwärmung begrenzen zu können. Angesichts der politischen Trippelschritte und des um den heißen Brei Herummanövrierens auf den Klimagipfeln könnte man leicht in eine Weltuntergangsstimmung verfallen. Denn während bei den Verhandlungen lediglich um Worte gerungen wird, ist damit noch nicht eine einzige Aktion in die Tat umgesetzt worden – und unser Planet kommt immer mehr ins Schwitzen. Dennoch: Der Klimagipfel ist der einzige Anlass, an dem alle Staaten der Welt zusammenkommen. Das alleine reicht zwar nicht, um den Klimawandel zu entschleunigen. Aber es reicht hoffentlich, um das Thema ins Rampenlicht der Weltbevölkerung zu stellen und das globale Bewusstsein zu schärfen. Denn am Ende sitzen wir alle im selben Boot.
Zeit, für das Richtige zu kämpfen
Jenseits der zähen Verhandlungen auf den Klimagipfeln gibt es aber viele Hebel, die wir bewegen können. Jede Einzelperson, jede Institution, jedes Unternehmen, jedes einzelne Dorf und jede Stadt hat die Möglichkeit, unabhängig des politischen Geschehens neue, zukunftsfähige Wege zu gehen und wichtige Impulse zu setzen. Denn auch wenn es allzuoft erscheinen mag wie der Kampf David gegen Goliath – die Sache ist nicht ganz ausssichtslos.
Es gibt einen Text gegen Klimapessimismus, der mich sehr inspiriert hat. Die Autorin Rebecca Solnit sagt darin, dass man sich nicht unbedingt für das Richtige einsetzt, weil man glaubt, dass es funktionieren wird. Man tut es, weil man davon überzeugt ist, dass es das Richtige ist. Und dabei müssen die Handlungen nicht skalierbar sein. Sie vergleicht die heutigen Klimaaktivisten mit den Abolitionisten der Sklaverei im 19. Jahrhundert und den Dissidenten im sowjetischen Gulag – wer hätte damals geglaubt, dass diese Einzelkämpfer für große Umwälzungen sorgen würden?