Dieses Jahr findet die Klimakonferenz in Katowice in Polen statt – in einem Land, das nach wie vor hauptsächlich auf die Verbrennung von Braun- und Steinkohle setzt, um seinen Energiebedarf zu decken. In Polen werden jährlich ca. 127 Millionen Tonnen Braun- und Steinkohle gefördert, der Anteil an erneuerbaren Energien in der Stromerzeugung betrug 2017 gerade mal 14 Prozent. Auch wenn sich der Widerstand im Kleinen formiert, soll sich daran auch in Zukunft wenig ändern, wie Präsident Michał Kurtyka wiederholt betonte.
Doch bevor wir mit dem Finger in Richtung Polen zeigen, sollten wir uns selbst an die eigene Nase fassen. Denn auch wenn der Ausbau an erneuerbaren Energien hierzulande etwas mehr Fahrtwind als im Nachbarland Polen hat, kann man sich auch in Deutschland nicht so recht von der Kohle lösen – der konsequente Kohleausstieg steckt nach wie vor im Verhandlungsmodus fest.
Klimaziele können ohne Kohleausstieg nicht erreicht werden
Solange Kohle aus Hauptenergieträger genutzt wird, können die Klimaziele nicht erreicht werden, belegen verschiedene Studien. Gleichzeitig zeigt eine andere Studie der finnischen Lappeenranta University of Technology (LUT), dass die Energie in Zukunft sogar günstiger wäre, würden wir komplett auf Kohle verzichten. Damit ist die Energiewende „nicht länger eine Frage von technologischer Umsetzbarkeit oder wirtschaftlicher Rentabilität, sondern eine Frage des politischen Willens„, sagte Christian Breyer, Hauptautor der LUT-Studie. Dazu kommt: Aktuell wünschen sich laut einer DBU-Umfrage 74 Prozent der Menschen in Deutschland mehr Einsatz für den Klimaschutz (pdf).
Bleibt also zu hoffen, dass Deutschland, der einstige Musterschüler der Energiewende, seine erlahmte Klimaschutzpolitik auf der internationalen Bühne zu neuem Leben erweckt. Denn das ist angesichts des jüngsten IPCC-Berichts auch dringend nötig.
IPCC-Sonderbericht: Das 1,5 °C-Ziel ist noch zu schaffen, aber…
Der im Oktober veröffentlichte IPCC-Sonderbericht sendet eine klare Botschaft: Der Klimawandel kommt schneller und heftiger, als bisher angenommen. Um verheerende Folgen zu vermeiden, müssen wir die globale Erwärmung nicht auf 2°C, sondern auf 1,5°C begrenzen. Das ist nach Aussage der Klimaexperten noch möglich – aber nur, wenn rasche und effektive Klimaschutzmaßnahmen in allen Bereichen der Gesellschaft und der Politik, einschließlich Energie, Landwirtschaft, Verkehr sowie städtische und industrielle Aspekte konsequent und weltweit umgesetzt werden.
Der aktuelle Trend ist leider ein anderer: Nach drei sehr stabilen Jahren haben die globalen CO2-Emissionen ein historisches Hoch erreicht. Und auch der Ausstoß anderer Treibhausgase wie Methan oder das bereits seit Jahren verbotene CFC-11 geht nicht oder nur langsam zurück.
„In dieser Situation können wir es uns einfach nicht leisten, dass die Klimaverhandlungen in Katowice scheitern„, meint Bundesumweltministerin Svenja Schulze. Doch konkrete Zusagen von deutscher Seite gibt bisher nicht – im Gegenteil: Die Bundesregierung hat die Verhandlungen um verschärfte Emissionsziele der EU ausgebremst.
Bedienungsanleitung für das Pariser Abkommen
In wenigen Tagen soll es darum gehen, wie die Erderwärmung durch konkrete und verbindliche Maßnahmen auf mindestens 2°C, noch besser auf 1,5°C, begrenzt werden kann. Beim Klimagipfel in Paris 2015 wurde das Pariser Abkommen (auch „Pariser Protokoll“ oder „Weltklimaabkommen“) beschlossen, das auf das 2020 ablaufende Kyoto-Protokoll folgt. Das Pariser Abkommen legt die globalen Klimaschutzziele fest und wie diese erreicht werden sollen. In einem nächsten Schritt wurde dann auf dem Klimagipfel in Bonn 2017 ein Regelwerk („Paris Rule Book“) beschlossen, das verbindlich regelt, wie die internationalen Klimaziele auf Ebene der Länder umgesetzt werden sollen.
Seitdem wird in verschiedenen Gremien an der Ausformulierung dieser „Bedienungsanleitung“ gefeilt. Im Dezember sollen nun die Texte vorgelegt und beschlossen werden – doch schon jetzt äußern sich erste kritische Stimmen: „In vielen Fällen fehlen die Daten, um das Ausmaß an Übereinstimmung zwischen den Zielen der nationalen Gesetze und den NDCs festzustellen. Die Länder müssen ihre Ziele klarer und detaillierter formulieren“.
Dringend Nachbesserungen bei den NDCs nötig
Im Paris-Abkommen wurde beschlossen, dass die einzelnen Länder nationale Klimaaktionspläne (Nationally Determined Contributions, NDCs) erarbeiten, in denen die Aktionen zur CO2-Reduktion definiert werden. Doch bisher haben gerade mal 16 der 197 Länder, die das Pariser Abkommen unterzeichnet haben, nationale Klimaaktionspläne vorgelegt, die mit den Zielen des Paris-Abkommens tatsächlich übereinstimmen. Die Länder sind Algerien, Äthiopien, Costa Rica, Guatemala, Indonesien, Japan, Kanada, Mazedonien, Malaysia, Montenegro, Norwegen, Papua-Neuguinea, Peru, Samoa, Singapur und Tonga. Deutschland? Ist nicht dabei! Damit reichen die bisherigen Zusagen der Staaten aktuell lediglich dazu aus, um die Erderwärmung auf einen Wert zwischen 2,5 und 2,8 Grad zu begrenzen.
Die Selbstverpflichtung scheint also nicht genügend Druck aufzubauen. In Katowice soll daher auch daran gearbeitet werden, wie die Klimabeiträge der einzelnen Staaten überprüfbar, messbar und miteinander vergleichbar gemacht werden können. Damit wird deutlich, wo jedes Land beim Klimaschutz und der Finanzierung steht. Zudem könnte die effektive Überwachung der Fortschritte neue Anreize schaffen, dass die Länder ihre Klimaverpflichtungen auch ernst nehmen.
Wer finanziert den Klimaschutz?
Ein immer wieder heiß diskutiertes Thema war in den vergangenen Jahren die Finanzierung von Klimaschutz- und Anpassungsmaßnahmen in Entwicklungsländern – und auch dieses Jahr kommt das Thema wieder auf den Tisch. Denn auch wenn der Klimawandel globale Auswirkungen hat – der außergewöhnlich heiße und trockene Sommer in Deutschland dieses Jahr hat das deutlich gezeigt – sind vor allem viele der weltweit ärmsten Länder am stärksten von den Auswirkungen des Klimawandels betroffen. Gleichzeitig sind die Industrienationen für die größten CO2-Emissionen verantwortlich. Aus diesem Grund sollen die Industrienationen die weniger entwickelten Länder mit Geldern zur Senkung der Treibhausgas-Emissionen und zur Anpassung an den Klimawandel unterstützen. Wie im Paris-Abkommen beschlossen, sollen multilaterale Klimafonds und der Green Climate Fonds zu diesem Zweck gebildet und mit entsprechenden Geldern gefüllt werden. Es steht aber noch aus, wie die Klimafinanzierung konkret aussehen soll und verbindliche Zusagen der Industriestaaten fehlen.
Zunehmend fließen Stimmen aus Zivilgesellschaft mit ein
Auf der COP23 in Bonn unter der Präsidentschaft der Fidschi-Inseln wurde letztes Jahr ein neuer Weg eingeschlagen: Mit den 2017 eingeführten Talanoa-Dialogen wird die „Querkommunkation“ gefördert. Lokale und regionale Regierungen, die Zivilgesellschaft und anderen Gruppen können sich dabei in Gesprächen und Veranstaltungen außerhalb der offiziellen politischen Verhandlungen vernetzen, ihr Wissen austauschen und Unterpunkte des Paris-Protokolls abstimmen. Die Ergebnisse sollen teilweise in die Hauptverhandlungen einfließen. In den Talanoa-Dialogen sollen z.B. auch die Nachbesserungen der nationalen Klimaziele (NDCs) der einzelnen Staaten vorbereitet werden.
Die Talanoa-Dialoge sind ein überraschendes Format, das die sonst sehr trockenen Verhandlungen um zivilgesellschaftliche Stimmen ergänzen sollen – bleibt zu hoffen, dass das mehr ist als ein „nice to have“.
Klimaschutz findet nicht nur auf Regierungsebene statt
Es bleibt also wieder einmal spannend, was auf dem Klimagipfel in Katowice passiert. Auch wenn die Erfahrungen aus den vergangenen Klimagipfeln immer wieder gezeigt haben, dass zwar wichtige Schritte beschlossen, aber nicht konsequent von allen Mitgliedsstaaten umgesetzt werden, ist der Handlungsdruck nach dem alarmierenden IPCC-Bericht ja eigentlich groß genug…
Aber egal, wie die Ergebnisse ausfallen werden, sollten wir eines nicht vergessen: Politische Verhandlungen sind ein sehr wichtiger, aber nicht der einzige Weg, um den Klimaschutz voranzutreiben. Ein Beispiel sind die USA: Auch wenn Trump enorm gut darin ist, den Klimawandel in seiner Politik zu ignorieren und auch aus dem Paris Abkommen austreten will, könnten die USA ihre Klimaziele dennoch erreichen, denn eine breite Koalition von Städten, Staaten und Unternehmen treibt den Klimaschutz unabhängig des trumpschen Gegenwinds voran.
Auch auf rechtlicher Ebene lässt sich vielleicht in Zukunft noch einiges bewegen: Zehn Familien aus Europa, Kenia und Fidschi klagen vor Gericht der europäischen Union. Der Vorwurf: Die EU-Klimaziele für 2030 liefern nicht den notwendigen Beitrag, um gefährliche Klimawandelfolgen abzuwenden und verletzen damit die Grundrechte der Kläger. Unterstützt werden sie von mehreren NGOs (Climate Action Network Europe (CAN-E), Protect the Planet, Germanwatch u.a.) – sowie von einem Institut für Klimawissenschaften.
Und während sich immer mehr sogenannte Social Entrepreuneure, Ecopreneure und ökosoziale Startups mit neuen Formen des klima- und sozialverträglichen Formen des Wirtschaftens engagieren, ziehen unter dem Begriff „Divestment“ in Deutschland und weltweit immer mehr Unternehmen ihre Investitionen aus dem Kohlegeschäft zurück.
Schweden macht vor, wie groß das Gewicht vieler kleiner Einzelentscheidungen der Bürger eines Landes werden kann: Angefangen hat es mit Aktionen einiger Prominenter, die sich medienwirksam dafür engagiert haben, ihre Flugmeilen zu reduzieren und statt dessen auf Bus und Bahn umzusteigen. Mittlerweile ist unter der Wortneuschöpfung „flygskam„, was soviel heißt wie „Flugscham“, eine ganze Bewegung daraus geworden und immer mehr Schweden verzichten freiwillig auf Flugreisen. Im ganzen Land sind die Fluggastzahlen bereits gesunken und die Bahn hat ihr Angebot aufgestockt.