Klimaschutz: „Die Lücke zwischen Wissen und Handeln ist enorm“

Das Team von CO2Online

Die meisten von uns wissen, welches Verhalten für Umwelt und Klima gut ist. Trotzdem handeln wir oft nicht danach. Woran liegt das und wie kann man solche Verhaltensweisen von Verbrauchern ändern? Boris Demrovski von CO2Online beschäftigt sich mit eben dieser Frage und gibt im Interview Antworten.

Autor*in Lydia Skrabania, 28.09.16

Wie bringt man Verbraucher am besten dazu, ihr Verhalten klimafreundlich zu gestalten?

© CO2Online Boris Demrovski, Projektmanager bei CO2Online

Genau das ist die Zielstellung der gemeinnützigen Beratungssgesellschaft CO2Online. Das 2003 gegründete Unternehmen mit Sitz in Berlin versucht, Haushalte durch verschiedene Online-Kampagnen und -Tools beim Energiesparen und Reduzieren ihrer CO2-Emissionen zu unterstützen. Das dafür notwendige Wissen zu vermitteln ist dabei aber nur der erste Schritt, ein zweiter, schwierigerer Schritt ist es, die Verbraucher zum tatsächlichen klimafreundlichen Handeln zu bewegen. Wir haben mit Boris Demrovski, Projektmanager bei CO2Online und verantwortlich für Verbraucherkampagnen im Bereich Strom und Energieeffizienz, darüber gesprochen, wie diese Herausforderung gemeistert werden kann.

Worum geht es bei CO2Online?

Unser Schwerpunkt liegt darauf, Privathaushalte dabei zu unterstützen, die Klimaschutzziele, die wir hier in Deutschland haben, zu erreichen und zu zeigen, in welchen Bereichen die höchsten Einsparpotenziale vorhanden sind. Was ich dabei sehr wichtig finde, ist, dass wir nicht mit dem erhobenen Zeigefinger kommen, sondern immer schauen: Was braucht der Verbraucher? Ob es jetzt der Wechsel der Heizungsanlage oder der Kauf einer neuen Spülmaschine ist – wir wollen ihn dabei an die Hand nehmen und dauerhaft begleiten.

Und zwar vor allem online?

Genau, das sagt ja schon unser Firmenname aus. Wir versuchen, dies alles online bzw. mobil umzusetzen. Die Verbraucherzentralen und die Energieberater, die unterwegs sind und Verbraucher zu Hause beraten, machen einen sehr guten Job. Aber viele Studien sagen: Bei 75 Prozent aller Haushalte ist es der erste Schritt, ins Internet zu gehen und sich dort zu informieren, wenn sie irgendwelche Fragen haben. Und da knüpfen wir an und versuchen, den Verbrauchern einen Einstieg ins Thema zu geben. Und – wenn sie im zweiten Schritt konkret Maßnahmen umsetzen wollen – ihnen zu zeigen, wie sie dies tun können.

Wissen und Information sind sicherlich der erste Schritt, um das eigene Verhalten anzupassen, also zum Beispiel zu Hause mehr Strom zu sparen. Es ist ja nicht so, dass Infos furchtbar gut versteckt sind – trotzdem handeln viele Verbraucher nicht danach. Wie kann man diese mobilisieren?

Stimmt, das Wissen dazu ist verfügbar. Wenn man Leute auf der Straße fragt, was man im Alltag für den Klimaschutz tun könnte, antwortet jeder: Ich kann mein Auto stehen lassen, ich kann beim Verlassen des Hauses das Licht ausschalten und im Winter erst einmal einen dicken Pullover anziehen, bevor ich die Heizung stärker aufdrehe. Wir wissen all das, trotzdem handeln die wenigsten danach, sondern nehmen für den nächsten Einkauf doch wieder das Auto und lassen das Licht an. Die Lücke zwischen Wissen und Handeln ist enorm groß. Das hat verhaltenspsychologische Gründe. Wenn ich mir über eine lange Zeit ein bestimmtes Verhalten angewöhnt habe und Dinge immer so getan habe, dann ist es verdammt schwierig, dieses Verhalten zu ändern – auch wenn ich weiß, dass es eigentlich nicht in Ordnung ist.

Und wie ist Ihr Ansatz, um diese Lücke zu schließen?

Wir versuchen, Informationen bestmöglich auffindbar zu machen. Aber das reicht eben nicht. Man muss andere Zugänge zum Thema schaffen, indem man sich die Motive der Verbraucher vornimmt.

Das heißt?

Beispielsweise hat jemand seine Heizkostenabrechnung bekommen und muss nun 400 Euro nachzahlen. Derjenige hat also das Motiv, Geld sparen zu wollen. Daran können wir ansetzen und zeigen: Wenn du diese Maßnahmen umsetzt, kannst du das erreichen. Es gibt natürlich auch Leute, die ihren Lebensstil aus ökologischen Gründen heraus ändern wollen. Da gibt es vielfältige Motive, die man nutzen kann, um eine Verhaltensänderung zu triggern, also den Hebel anzusetzen, um diesen schweren Schritt vom Wissen zum Tun zu erreichen. Das ist natürlich eine sehr große Herausforderung.

Und diese Herausforderung versuchen Sie ja anzugehen, auch mit verschiedenen Apps wie dem EcoGator.

Richtig. Neben unseren Websiten, auf denen wir ganz klassische Verbraucherinformationen vermitteln, ist der EcoGator ein Tool, das beim konkreten Handeln unterstützt, und zwar in dem ganz spezifischen Fall, dass ich ein neues Elektrogerät brauche. (Anm. d. Red.: Wir haben den EcoGator getestet. Unser Fazit findest du hier.)  Wenn meine Waschmaschine ihren Geist aufgibt und ich eine neue brauche, habe ich wenig Zeit und Muße stundenlang zu recherchieren. Meist ist das ja ein Impulskauf. EcoGator setzt dort an und zeigt über die Vergleichbarkeit: Wenn du diese energiesparende Waschmaschine kaufst, hast du einen monetären Vorteil, denn am Ende bleibt mehr in der Haushaltskasse übrig. Wir unterstützen also dabei, sehr schnell konkrete Entscheidungen zu treffen.

Hier wird also vor allem das monetäre Motiv bedient – dass der Verbraucher am Ende Energie spart und CO2 vermeidet ist der positive Nebeneffekt für die Umwelt?

Genau. Der Großteil der Menschen fühlt sich eher angesprochen, wenn man den monetären Vorteil in den Vordergrund stellt als den rein ökologischen.Wir haben eben auch die Erfahrung gemacht, dass das bloße Wissen, dass ein bestimmtes Verhalten positive Auswirkungen hat, oft nicht ausreicht. Die Verbraucher wollen wissen: Wie gut ist es tatsächlich, welche konkreten Auswirkungen hat es? Das Gute ist immer so schwer greifbar.

Und wie machen Sie es letztlich greifbar?

Beispielsweise beim Stromsparen versuchen wir, den effektiven Nutzen aufzuzeigen. Wir rechnen mit unserem Strom-Check zum Beispiel genau vor, was gespart werden kann und zeigen zugleich, wie man seinen Verbrauch weiter optimieren kann und wo man gerade steht im Vergleich mit anderen Haushalten. Das ist auch ein wichtiges Motiv: die Vergleichbarkeit mit anderen.

Welche Zielgruppen will CO2Online mit seinen Beratungsangeboten erreichen?

Im Mittelpunkt steht bei uns der Verbraucher. Klar ist aber, es gibt nicht den Verbraucher da draußen. Daher überlegen wir bei jeder Kampagne und jedem Beratungsinstrument vorher, ob wir die Zielgruppe weiter eingrenzen können. Das können Mieter oder Eigenheimbesitzer sein. Wohnen diese im Mehrfamilienhaus oder Ein- bis Zweifamilienhaus? Richtet sich die Aktion an Senioren oder Studenten und Azubis? Und so weiter. Wir erstellen also möglichst genaue Nutzerprofile.

Vielen Dank für das Gespräch!

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