Keine Debatte über Klimaschutz und Klimawandel, ohne dass eine kleine chemische Summenformel darin eine entscheidende Rolle spielt: CO2. Oder lang: Kohlenstoffdioxid. CO2 ist eigentlich ein natürlicher Bestandteil der Luft unserer Atmosphäre. Mit einem Anteil von nur 0,038 Prozent auf den ersten Blick zudem ein sehr unbedeutender. In Wirklichkeit ist Kohlenstoffdioxid jedoch eines der bedeutendsten Treibhausgase überhaupt und spielt eine entscheidende Rolle für das Erdklima. Einmal in die Luft geraten, baut sich CO2 nicht von alleine ab, sondern sammelt sich in Luft und Atmosphäre an. Dort bildet es eine Art Glocke um die Erde – daher der Begriff „Treibhauseffekt“. Das CO2 absorbiert einen Teil der von der Erde in das Weltall abgestrahlten Wärme und strahlt sie auf die Erde zurück. Diesem natürlichen Vorgang verdanken wir das gemäßigte Klima auf der Erde.
Durch den hohen anthropogenen, also menschgemachten Ausstoß von CO2 ist das natürliche Gleichgewicht zwischen Ausstoß und Bindung von CO2 (zum Beispiel durch Pflanzen, Meere und Moore und die Versteinerung) gestört und zu viel des klimaaktiven Treibhausgases gelangt in die Luft. In der Folge erwärmt sich die Erde stärker, als es der uns bekannten Flora und Fauna zuträglich ist. Um zu verhindern, dass sich die Erde bis zum Jahr 2050 um mehr als 1,5 Grad im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter erwärmt, müssen laut dem Weltklimarat nicht nur dringend CO2-Emissionen reduziert, sondern der Atmosphäre auch aktiv CO2 entzogen werden. Andernfalls drohen Wissenschaftlern zufolge unberechenbare und potenziell unkontrollierbare Folgen.
Die gute Nachricht: Die Forschung hat bereits viele Möglichkeiten ausfindig gemacht, Kohlenstoffdioxid aus der Luft abzusondern oder weiter zu verarbeiten. Wir stellen einige Möglichkeiten vor, CO2 aus der Luft abzuscheiden und es anschließend nutzbar zu machen. Das klingt vielversprechend; aber was können sie wirklich?
1. CO2 aus der Luft filtern
Climeworks
CO2 aus der Luft filtern – genau das machen die riesigen Luftfilter des Unternehmens Climeworks. Anschließend wird das Treibhausgas aus den Filtern gelöst und als reines Gas gespeichert. Auf diese Weise sollen jährlich bis zu 900 Tonnen Kohlenstoffdioxid aus der Luft gefiltert werden. Das gewonnene CO2 kann beispielsweise in der Agrarindustrie als natürliches Düngemittel eingesetzt werden. Die erste kommerziell arbeitende Luftfilteranlage von Climeworks befindet sich auf dem Dach einer Müllverwertungsanlage in der Schweizer Gemeinde Hinwil.
„Bio Energy with Carbon Capture and Storage“ (BECCS) von Drax
Auf CO2-Filter setzt auch eine Anlage in Großbritannien, die in diesem Jahr in Betrieb gegangen ist. Die Firma Drax gewinnt Energie aus der Verbrennung von Hackschnitzeln aus Holz. Um seine CO2-Emissionen zu verringern, hat die Firma jetzt einen speziellen CO2-Filter an seine Anlage angeschlossen. In dem System lagert sich ein Teil des CO2 aus der Verbrennung über eine chemische Reaktion an sogenannte Amine an. In der weiteren Verarbeitung wird es wieder von den Aminen abgeschieden und gespeichert. Mithilfe dieser Technik soll jeden Tag immerhin eine Tonne CO2 aus der Atmosphäre gefiltert werden.
City Tree
CO2-Filter sind nicht immer industriell. Auch mit Hilfe der natürlichen Photosynthese wird der Luft stetig CO2 entzogen. Das Dresdner Startup Green City Solutions hat sich diesen Vorgang zunutze gemacht und als zusätzliche Luftreiniger sogenannte „City Trees“ entwickelt: Eine mit Moos bewachsene, rechteckige Konstruktion, die besonders in städtischen Ballungsräumen die Luft von CO2 und Feinstaub befreien soll. Mit Hilfe von smarter Technik, die in die City Trees integriert werden, wird die Bewässerung der Systeme automatisch reguliert und zudem Daten zur Luftgüte an das Unternehmen übermittelt.
Photosynthese mit künstlichen Blättern
Was der City Tree von alleine kann, wollen Wissenschaftler auch künstlich imitieren. Schon seit einiger Zeit wird daher an „künstlichen Blättern“ geforscht, die es der Natur nachmachen und per Photosynthese Kohlendioxid umwandeln können. Das Problem bisher: Die Photosynthese der künstlichen Blätter funktionierte zwar, aber nur, wenn sie mit reinem CO2 in Kontakt kam – das Kohlendioxid aus der dem Gasgemisch der Umgebungsluft abspalten konnte bisher keines der Systeme. Das ändert sich jetzt mit einer Entdeckung von Wissenschaftlern der Universität Illinois in Chicago. Sie haben eine spezielle Membran aus Wasser und Ammoniumharz entwickelt, dank der das CO2 aus der Außenluft in das Innere des künstlichen Blatts transportiert werden kann. Das künstliche Blatt verstoffwechselt CO2 zudem viel effizienter als sein natürliches Vorbild in Brennstoff und Sauerstoff: Bis zu zehn mal mehr CO2 als das Original könnten die künstlichen Blätter umwandeln. Diese Entdeckung könnte also eine bedeutende Wendung im Kampf gegen den Klimawandel bedeuten.
2. CO2 verwerten
Turbinen antreiben mit superkritischem CO2
Das Unternehmen NET Power hat einen ähnlichen Ansatz wie die Firma Drax und will die CO2-Emissionen bei der Energiegewinnung reduzieren. Allerdings verbrennt NET Power statt Holzschnipseln Erdgas und will das CO2 nicht erst am Ende des Produktionsprozesses filtern, sondern die Entstehung schon während der Energiegewinnung vermeiden. Dafür macht es sich die speziellen Eigenschaften des Gases zunutze. Mithilfe eines neuartigen Verfahrens wird bei der Verbrennung von Erdgas statt der Umgebungsluft (wie es gängig ist) reiner Sauerstoff zugeführt, was die Temperatur des Vorgangs erhöht. Als Verbrennungsprodukte entstehen Wasser und „superkritisches“ CO2, welches einen besonderen Aggregatszustand zwischen flüssig und gasförmig aufweist und statt Wasserdampf für den Antrieb der Kraftwerkturbinen genutzt werden kann. Am Ende des Prozesses entsteht reines CO2. Dieses kann widerum abgespeichert und an weitere Abnehmer verkauft werden. Superkritisches CO2 wird beispielsweise genutzt, um Tee und Kaffee zu entkoffeinieren. Oder auch, um bei der Ölförderung den Ertrag zu verbessern – was natürlich dem Zweck des Klimaschutzes deutlich zuwider läuft.
Aus Kohlendioxid wird Kohle
Wissenschaftlern aus Australien ist es gelungen, CO2 mit einem relativ einfachen Verfahren und bei Zimmertemperatur in feste Kohle zu verwandeln. Vereinfacht gesagt wird dafür eine mit Kohlenstoffdioxid gesättigte Lösung unter Strom gesetzt. Eingesetzt werden dafür Elektroden mit einer Flüssigmetalllegierung. An einer Elektrode entsteht Sauerstoff, an der anderen Elektrode sammeln sich tatsächlich feste Kohle-Flocken. Der Nachteil: Für diesen Prozess ist sehr viel Energie notwendig. So lange Strom vor allem aus fossilen Quellen gewonnen wird, steht jede verbrauchte Kilowattstunde Strom ebenfalls für den Ausstoß von CO2 – und das Verfahren schadet dem Klima so vorerst mehr, als es zu seinem Schutz beiträgt.
CO2 unterirdisch verpressen
Aus den Augen, aus dem Sinn – so könnte das Motto der Technologie Carbon Dioxide Capture and Storage (CCS) oder zu Deutsch der unterirdischen Verpressung von CO2 lauten. Diese Technik wird bisher skeptisch beäugt, da es bisher kaum Erfahrungswerte gibt, wann das in die Erde gepresste CO2 versteinert und was passieren würde, wenn beispielsweise durch ein Leck das ganze CO2 wieder an die Oberfläche käme. Daten dazu hat jetzt das CarbFix Projekt im isländischen Hengill geliefert. Ganze 4.500 Tonnen CO2 wurden dort unter Beigabe von Wasser und Schwefelwasserstoff in vulkanische Erde gepresst. Das Ergebnis: Bereits nach zwei Jahren waren mehr als 95 Prozent des CO2 in Karbonate umgewandelt.
CO2 als Düngemittel für neue Super Foods
Wir wissen bereits: Pflanzen brauchen für ihre Photosynthese CO2. Manche Pflanzen sind beim Verstoffwechseln des Treibhausgases besonders eifrig und gedeihen auch bei hoher CO2-Konzentration prächtig. Zu diesen Organismen gehören Algen. Einige dieser Wasserpflanzen, wie die Blaualge Spirulina oder die Grünalge Chlorella, bestechen zudem durch ihre besonders wertvolle Nährstoffzusammensetzung. Das Startup Mint Engineering hat erkannt, dass mit Algen viele Fliegen mit einer Klappe zu schlagen sind: Algen könnten weltweit beispielsweise gegen Nährstoffmangel, als Biodiesel und als vegane Alternative zu Gelatine eingesetzt werden – all das, während sie beim Wachsen einen wichtigen Beitrag zum Klimawandel leisten. In einem Pilotprojekt züchtet das Startup in sogenannten „Photobioreaktoren“ Algen auf dem Dach des EUREF Campus in Berlin, wo sie danach zu leckeren Gerichten weiterverarbeitet werden.
Carbon2Chem: CO2 als neuer Wertstoff
Im Rahmen des Projekts Carbon2Chem entwickeln verschiedene Industrieunternehmen gemeinsam mit dem Max-Planck- und dem Fraunhofer-Institut innovative Lösungen, um Treibhausgase in Vorprodukte für Kraftstoffe, Kunststoffe oder Dünger umzuwandeln. Im Zentrum der Prozesse steht in der Regel eine Hochtemperatur-Elektrolyse, bei der unter Zufuhr von Energie Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff gespalten wird. Der entstandene Wasserstoff wird anschließend mit CO2 zu einem Synthesegas verbunden, aus dem in einem nächsten Schritt ein synthetischer Kraftstoff entsteht.
Das Problem dabei ist dasselbe, wie bei der Umwandlung von CO2 zu Kohle: Für das Verfahren sind große Mengen von Energie notwendig. Um die Reaktionen so klimaneutral wie möglich zu halten, wird bei den Projekten von Carbon2Chem auf Überschussstrom aus den erneuerbaren Energien gesetzt. Um Erdöl und andere fossile Kraftstoffe jedoch gänzlich vom Markt zu verdrängen oder auch nur für einen großflächigen Einsatz des CO2-Kraftstoffs zu sorgen, wäre allerdings Energie in einem Maßstab notwendig, der unter den bisherigen Produktionsbedingungen nicht durch erneuerbare Energien abgedeckt werden kann.
Es gibt also viele Ideen und Ansätze dafür, der Luft aktiv CO2 zu entziehen und es zudem so nutzbar zu machen, dass es den CO2-Ausstoß durch industrielle Prozesse verringert. Besonders bei den Ansätzen zur Nutzung von CO2 handelt es sich allerdings um Prozesse, die weiterer Entwicklung für mehr Nachhaltigkeit bedürfen – vor allem im Energiesektor. Und auch das Filtern und Speichern von CO2, um der Atmosphäre Treibhausgase zu entziehen, kann, wenn überhaupt, nur ein Standbein des globalen Klimaschutzes sein. Den Ausstoß von CO2 radikal zu reduzieren, bleibt die Hauptaufgabe aller öffentlichen und privaten Sektoren – zumal das auch ohne weitere Forschung bereits heute direkt umsetzbar ist.
Autorin: Laura Wagener/ RESET-Redaktion (März 2019)