CO2-Speicherung: Das Startup Carbonsate will das klimaschädliche Gas unter die Erde bringen

Die Klimaziele sind kaum mehr erreichbar, ohne das bereits vorhandene CO2 aus der Atmosphäre zu holen. Ist Carbonsate Teil der Lösung?

Autor*in Lana O'Sullivan:

Übersetzung Sarah-Indra Jungblut, 09.10.24

CO2, das in die Atmosphäre geblasen wird, verbleibt dort für Hunderte von Jahren. Schon heute hat das farblose Gas erhebliche Auswirkungen auf unser Klima. Es trägt zur Erwärmung unseres Planeten bei, was sich in häufigeren und extremeren Wetterereignissen, einem Anstieg des Meeresspiegels und Störungen der Ökosysteme äußert. Da die Emissionen weltweit nicht schnell genug zurückgehen, scheint die CO2-Speicherung unvermeidbar.

Kohlenstoffemissionen zu reduzieren ist nur die halbe Miete

Die Reduzierung von Emissionen ist unumgänglich, um die globale Erwärmung auf unter 1,5 Grad zu begrenzen. Dies ist der Grenzwert, den Wissenschaftler:innen und internationale Gremien wie der IPCC für entscheidend halten, um die katastrophalsten Auswirkungen des Klimawandels zu verhindern. Doch die bisherigen Bemühungen reichen bei Weitem nicht aus. Und selbst bei einer drastischen Reduzierung der CO2-Emissionen ist davon auszugehen, dass das bereits in der Atmosphäre vorhandene CO2 die globalen Temperaturen weiter in die Höhe treibt. Daher müssen Lösungen, die CO2 aktiv aus der Atmosphäre entfernen, die Bemühungen zur Emissionsreduzierung ergänzen.

Technologien zur Entfernung von Kohlendioxid, die sogenannte CO2-Abscheidung und -Speicherung bzw. CO2-Sequestrierung (CCS), spielen hier eine entscheidende Rolle. Dabei wird bereits ausgestoßenes CO2 aufgefangen und so gespeichert, dass es nicht in die Atmosphäre abgegeben wird.

Ein vielversprechender Ansatz im Bereich der CO2-Entfernung kommt vom deutschen Startup Carbonsate. Die Lösung ist von natürlichen Prozessen inspiriert: Die Aufnahme von Kohlenstoff durch Bäume während der Photosynthese und dessen Speicherung in ihrer Biomasse. Carbonsate speichert das CO2 jedoch nicht in Bäumen, sondern unterirdisch in Form von Holzbiomasse. Dadurch wird dessen Zersetzung verhindert und CO2 aus dem Kohlenstoffkreislauf entfernt. Laut Fabian Sperling, Mitbegründer und CTO von Carbonsate, kann die Technologie CO2 so mehr als 1.000 Jahre sicher speichern.

Carbonsate Biomasse (wie hier aus Holz) bindet CO2. Um zu verhindern, dass das CO2 bei seiner Zersetzung freigesetzt wird, wird es unterirdisch vergraben.

Holz kann, wenn es richtig konserviert wird, sehr lange vor der Zersetzung bewahrt werden. „Archäologische Stätten haben gezeigt, dass Holz über Tausende von Jahren konserviert werden kann, wenn die richtigen Bedingungen geschaffen werden“, sagt Sperling. Das macht es zu einem geeigneten Kandidaten für die Kohlenstoffspeicherung.

Die Holzbiomasse von Carbonsate besteht aus invasiven Bäumen und Büschen. Diese Pflanzen werden oft aus den Ökosystemen entfernt, um deren Verbreitung einzudämmen und so die lokalen Ökosysteme zu erhalten. Darüber hinaus ist die Lösung von Carbonsate nicht auf die Nutzung großer Landflächen angewiesen. „Auf einem Hektar Land können wir über 20.000 Tonnen CO2 speichern. Nach unseren Speicherprojekten kann das Land für verschiedene Zwecke genutzt werden, zum Beispiel für Solarparks, Landwirtschaft, Weideflächen und Renaturierung.“

Der Prozess wird in Echtzeit überwacht und vom CO2-Kreditprogramm Puro.earth zertifiziert. Das bietet Unternehmen einen zusätzlichen Anreiz für die CO2-Kompensation.

Mit Projekten in Deutschland, Bulgarien, Kolumbien und Namibia ist Carbonsate weltweit aktiv. Insbesondere die Pilotprojekte in Namibia und Kolumbien „speichern bereits jeweils rund 500 Tonnen CO2“. Laut Sperling sei es schwierig, eine genaue Zahl für das Speicherpotenzial der Technologie zu nennen. „Aber mindestens zwei Gigatonnen CO2 können in großem Maßstab gespeichert werden. Allein in Deutschland könnte die Speicherung von Holz, das derzeit verbrannt wird, etwa 25 Prozent aller verbleibenden Emissionen im Jahr 2040 ausgleichen.“

Technologien zur CO2-Speicherung stoßen auf Skepsis

Allerdings wird seit langem über den Nutzen der CCS-Technologie diskutiert. Viele fürchten, dass der Fokus auf die CO2-Speicherung von der primären Aufgabe der CO2-Vermeidung ablenkt. Die Sorge ist, dass CCS als „Wunderwaffe“ angesehen werden könnte und politische Entscheidungsträger:innen und die Industrie die dringend notwendige Reduzierung der Emissionen weiter verzögern.

Ebenso haben CO2-Gutschriften einiges an Kritik einstecken müssen. CO2-Gutschriften sind Zertifikate, mit denen Organisationen oder Ländern Kohlendioxid oder anderen Treibhausgasen ausgleichen können. Dabei verkaufen Unternehmen ihre überschüssigen Reduktionen an Unternehmen mit hohen Emissionen. Das soll wirtschaftliche Anreize für die Reduzierung von Emissionen schaffen. Eine Untersuchung des Guardian aus dem Jahr 2023 ergab jedoch, dass über 90 Prozent der vom weltweit größten Zertifizierer für CO2-Ausgleich verkauften Gutschriften wirkungslos waren. Im Jahr 2017 stellte die Europäische Kommission außerdem fest, dass 85 Prozent der von der EU im Rahmen des Clean Development Mechanism (CDM) der Vereinten Nationen erworbenen CO2-Gutschriften die Emissionen nicht wirklich reduzierten.

Trees in a forest

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Technologien zur CO2-Speicherung, wie die von Carbonsate, sind daher auf jeden Fall ein vielversprechender Ansatz, um die anhaltende Herausforderung des vorhandenen CO2 in der Atmosphäre anzugehen. Aber es ist wichtig, sie nicht als Ersatz für gezielte Bemühungen zur Emissionsreduzierung zu betrachten, sondern als Ergänzung. Wesentlich ist eine ausgewogene Strategie, die direkte Emissionsreduzierungen priorisiert und gleichzeitig in zuverlässige und überprüfbare Lösungen zur Kohlenstoffentfernung investiert.

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