CO2-Recycling – Ist das klimaschädliche Gas ein guter Wertstoff?

Eine Tonne CO2 würde eine Kugel mit einem Durchmesser von 10 Metern füllen. New Yorks tägliche Emissionen sähen dann so aus.

Mittlerweile gibt es einige Ansätze CO2 in Baustoffe und Chemikalien umzuwandeln. Aber können diese wirklich zum Klimaschutz beitragen? Darüber sprachen wir mit Barbara Olfe-Kräutlein vom IASS.

Autor*in Sarah-Indra Jungblut, 10.10.19

CO2, in seiner vollen Länge Kohlenstoffdioxid, und Klimawandel – der eine Begriff kann eigentlich nicht ohne den anderen genannt werden. Denn Kohlenstoffdioxid ist eines der bedeutendsten Treibhausgase überhaupt und spielt eine entscheidende Rolle für das Erdklima. Einmal in die Luft gepustet, baut sich CO2 nicht von alleine ab, sondern sammelt sich in unserer Erdatmosphäre an. Indem es eine Art Glocke um die Erde bildet, absorbiert das CO2 einen Teil der von der Erde in das Weltall abgestrahlten Wärme und strahlt sie auf die Erde zurück. An und für sich ist das ein natürlicher Vorgang – dem wir das gemäßigte Klima auf der Erde verdanken. Doch durch die von uns Menschen im Übermaß produzierten CO2-Emissionen ist das natürliche Gleichgewicht zwischen Ausstoß und Bindung von CO2 (zum Beispiel durch Pflanzen, Meere und Moore und die Versteinerung) gestört und zu viel des klimaaktiven Treibhausgases gelangt in die Luft. Und hiermit sind wir beim Klimawandel angekommen: Die Erde erwärmt sich immer weiter – mit unberechenbaren und unkontrollierbaren Folgen.

Um den Klimawandel aufzuhalten müssen wir unsere CO2-Emissionen radikal reduzieren – und das besser heute als morgen. Hoffen wir, dass demnächst Schwung in die aktuell nicht sehr vielversprechenden politischen Prozesse kommt!

Daneben stellt sich die Frage, ob wir das CO2 nicht einfach auch wieder aus der Luft entziehen können. Wenn doch Pflanzen, Meere und Moore bereits permanent CO2 „verstoffwechseln“ und binden, können wir diese Prozesse nicht einfach beschleunigen? Ja, theoretisch schon. Vor allem unsere Wälder als natürliche CO2-Filter spielen hier eine entscheidende Rolle. Eine neue Studie belegt, dass mit der Aufforstung einer Fläche von der Größe der USA zwei Drittel der weltweiten CO2-Emissionen aus der Erdatmosphäre entzogen werden könnten. Aber derart umfangreiche Maßnahmen brauchen Zeit – und Platz. Sind also neue Technologien die Lösung, um unsere Atmosphäre von dem Übermaß an CO2 zu befreien? Technologien wie die Abscheidung und Speicherung von CO2 („Carbon Capture and Storage“ – CCS) spielen sowohl in der Politik als auch in den Medien eine große Rolle. Doch die dauerhafte, unterirdische Einlagerung von Kohlenstoff ist umstritten. Wie sicher und sinnvoll ist die Einlagerung wirklich? Und wo sollen sich die neuen CO2-Endlager befinden?

CO2 als Wertstoff

Ein anderer Weg ist die Verarbeitung von CO2 in industriellen Prozessen (CCU – Carbon Capture and Utilization). Erste Pilotprojekte und Forschungsvorhaben, in denen CO2 als Wertstoff genutzt wird, gibt es bereits:

Climeworks zum Beispiel filtert in einer ersten Pilotanlage in der Schweizer Gemeinde Hinwil mit riesigen Luftfiltern CO2 aus der Luft. Anschließend wird das Treibhausgas aus den Filtern gelöst und als reines Gas gespeichert. Das so gewonnene CO2 kann beispielsweise in der Agrarindustrie als natürliches Düngemittel eingesetzt werden. Wissenschaftlern aus Australien ist es gelungen, CO2 mit einem relativ einfachen Verfahren und bei Zimmertemperatur in feste Kohle zu verwandeln.Und im Rahmen des Projekts Carbon2Chem entwickeln verschiedene Industrieunternehmen gemeinsam mit dem Max-Planck- sowie dem Fraunhofer-Institut innovative Lösungen, um Treibhausgase in Vorprodukte für Kraftstoffe, Kunststoffe oder Dünger umzuwandeln. Im Zentrum der Prozesse steht in der Regel eine Hochtemperatur-Elektrolyse, bei der unter Zufuhr von Energie Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff gespalten wird. Der entstandene Wasserstoff wird anschließend mit CO2 zu einem Synthesegas verbunden, aus dem in einem nächsten Schritt ein synthetischer Kraftstoff entsteht.

Diese Ansätze klingen vielversprechend, aber was können sie wirklich?

In der im Auftrag für die Europäische Union erstellten Studie „Identification and analysis of promising carbon capture and utilisation technologies“ haben Barbara Olfe-Kräutlein und ihre Mitforschenden vom IASS Potsdam (Institute for Advanced Sustainability Studies) das Potenzial von CCU-Technologien untersucht. Ihr Fazit: Grundsätzlich bescheinigen die Forschenden CCU-Prozessen ein großes Potenzial, den Verbrauch anderer fossiler Ressourcen zu verringern und so nicht nur zur Erweiterung der Rohstoffbasis, sondern auch zur Schonung natürlicher Ressourcen und zur Emissionsminderung beizutragen. Dennoch ist es weder im Positiven noch im Negativen möglich, eine pauschale Aussage über alle Verfahren zu treffen.

„Jede einzelne Anwendung muss auf ihren spezifischen ökologischen Nutzen hin untersucht und bewertet werden, am besten in einem Life Cycle Assessment. Dabei zählen nicht nur die direkten Emissionen, sondern zum Beispiel auch eine mögliche Rohstoffersparnis oder Effizienzsteigerung in einem neuen Prozess, “ sagt Barbara Olfe-Kräutlein im Interview mit RESET. Doch sie betont auch: „Setzt man einen möglichen ökologischen Nutzen in Bezug zum Produktvolumen, scheinen zum Beispiel Kraftstoffe und Baustoffe besonders vielversprechend zu sein.“

Doch fast alle CCU-Technologien benötigen – zumindest aktuell noch – einen hohen Energieeinsatz. Und die Erzeugung von Energie verursacht selbst auch wieder Treibhausgas-Emissionen. Um also diejenigen Verfahren ausfindig zu machen, die besonders effizient sind, ist laut Olfe-Kräutlein eine genaue Untersuchung und Berechnung des ökologischen Potentials jeder einzelnen Anwendung so wichtig. Diese Berechnung muss natürlich auch die benötigte Energie miteinbeziehen – und woher diese stammt. Wie in vielen anderen Bereichen ändert sich die ökologische Bilanz auch mit der Art der Energieerzeugung – beziehen CCU-Prozesse ihre Energie aus erneuerbaren Quellen, steigt der ökologische Nutzen.

„Einen weiteren Faktor stellen Ansätze der Sektorkopplung dar. Das bedeutet, dass Industrien kooperieren, die dies bislang nicht getan haben, um zum Beispiel an einem Standort Abwärme aus industriellen Prozessen oder als Beiprodukt entstehendes CO2 optimal zu nutzen.“

Sind CCU-Technologien ein wichtiger Baustein gegen die Klimaerwärmung?

Aber brauchen wir diese Technologien wirklich in Anbetracht der Tatsache, dass sie vergleichsweise wenig CO2 (im Verhältnis zu den globalen Emissionen) aus der Atmosphäre filtern und diese Verfahren dabei gleichzeitig selbst noch Energie benötigen – selbst wenn sich diese aus erneuerbaren Quellen speisen? Für Barbara Olfe-Kräutlein ist klar, dass wir es uns in unserer Situation schlicht nicht mehr leisten können, auf eine der vielen Möglichkeiten zu verzichten, die uns dabei helfen, unsere Kohlenstoff-Emissionen zu reduzieren.

„CO2-Nutzungstechnologien werden vermutlich keine herausragende Rolle spielen, aber eben dennoch ihren Teil beitragen, wie ein Teil in einem Puzzle. Sie sind daher ebenso bedeutsam wie andere Zukunftstechnologien oder Herangehensweisen, die zu den globalen Klimaschutzzielen beitragen können.“

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