Direkt bei Kartenzahlung und Online-Banking das persönliche CO2-Budget sehen

Die Berliner Organisation für nachhaltigen Konsum (OfnK) hat einen Standard für die Finanzbranche entwickelt, mit dem der individuelle Umwelteinfluss berechnet und direkt im Online-Banking sichtbar gemacht wird.

Autor*in Leonie Asendorpf, 05.11.20

Das Thema Klimaschutz ist schon lange nicht mehr nur Thema einer Öko-Sparte, sondern in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Auch in der Finanzbranche wird das Thema Nachhaltigkeit immer wichtiger. Banken wie die GLS, die Ethikbank oder die Umweltbank setzen beispielsweise bereits sehr erfolgreich auf nachhaltige und soziale Geldanlagen – denn auch bei Verbraucher*innen gewinnt das Thema immer mehr an Bedeutung. Möchte man seinen Konsum nachhaltiger gestalten ist es bisher jedoch (noch) nahezu unmöglich, einen schnellen Überblick darüber zu bekommen, wie hoch die CO2-Emissionen pro Einkauf wirklich sind.

Zahlungsverkehrsdaten als Grundlage der Berechnung individueller CO2-Budgets


Die Organisation für nachhaltigen Konsum (OfnK) setzt genau hier an. Sie hat einen Standard entwickelt, mit dem Verbraucher*innen direkt bei ihrem Online-Banking-Anbieter sehen können, wie hoch ihr CO2-Budget ist. Das jeweilige CO2-Budget pro gekauftem Produkt, Restaurantbesuch oder gebuchtem Flug soll dabei direkt unter den jeweiligen Ausgaben stehen. Grundlage der Berechnung sind die individuellen Zahlungsverkehrsdaten, also der Information, wo man was mit seiner Kreditkarte bezahlt hat.

David Lais ist der Gründer des Startups und arbeitet schon einige Jahre im Bereich des bargeldlosen Zahlungsverkehrs. Nachdem er 2015 anfing, sich immer mehr für das Thema Nachhaltigkeit zu interessieren, gründete Lais 2015 die Organisation für nachhaltigen Konsum (OfnK). “Wir haben hier einen unendlichen Datenschatz”, so Lais über die Zahlungsverkehrsdaten. Zwar sind diese noch lange nicht perfekt, da man beispielsweise bei einem Einkauf im Supermarkt nicht genau nachverfolgen kann, was ein Verbraucher oder eine Verbraucherin genau gekauft hat; sie geben aber einen guten Überblick darüber, in welchen Bereichen des eigenen Konsums besonders viel CO2 verbraucht wird.

Erste Banken nutzen Standard bereits

Bei der Umsetzung des Standards arbeitet die OfnK zusammen mit dem Technologieanbieter ecolytiq. Dieser ist für die technische Ausarbeitung des Standards zuständig und stellt seine Plattform Banken, FinTech-Unternehmen und Finanzdienstleistern zur Verfügung. Eine der ersten Banken, die den Standard bereits erfolgreich einsetzt, ist die Tomorrow-Bank aus Hamburg. Ab nächstem Jahr sollen noch mehr Banken dazukommen. “Wir sind gerade im Gespräch mit mehr als zwanzig großen europäischen Banken”, so Lais. „In eine Analogie verpackt, wäre die Organisation für nachhaltigen Konsum das Rezept, die ecolytiq der Koch und die Banken das Restaurant“, so Lais über die Umsetzung des Standards.


Zusammen mit Wissenschaftler*innen bereitet die Organisation für nachhaltigen Konsum  die Basis aller Berechnungen der CO2 Werte auf, liefert Best Practice-Vorschläge für die Implementierung und den grundlegenden Vorschlag, wie man die Zahlungsverkehrsdaten nutzen sollte, um die jeweiligen Werte zu ermitteln. „Partner wie die ecolytiq setzten diese Vorschläge dann um und stellen eine Plattform für Banken zur Verfügung. Banken könnten das auch selber machen, aber die Umsetzung ist meistens zu komplizierte bzw. einfach nicht Teil ihres Geschäftes und deshalb ist ein Anbieter, der sich um alles kümmert, leichter zu implementieren“, erklärt Lais.

Aus welchen Punkten setzten sich die CO2-Budgets aber genau zusammen?

Lais macht die Berechnung des CO2-Budgets am Beispiel eines gebuchten Fluges fest: “Ein Flug setzt sich im Prinzip aus drei Faktoren zusammen: der Länge, der Flugklasse, in der man geflogen ist (und damit den Platz, den man im Flugzeug einnimmt) und der Flugstrecke.” Als Konsument*in soll man mit dem neuen Standard, einen schnellen Überblick bekommen, wie hoch der eigene Umwelteinfluss pro Reise oder gekauftem Produkt ist.

Damit die Berechnung noch genauer wird, können Nutzer*innen Angaben machen, die ihren Konsum detaillierter beschreiben, wie beispielsweise vegane Ernährung oder ähnliche Gewohnheiten. Die Durchschnittswerte an ausgestoßenem CO2 pro gekauftem Produkt, die für die Berechnung des CO2-Budgets verwendet werden, werden dann an die genaueren Nutzer*innenprofile angepasst. Für abgehobenes Bargeld werden Durchschnittswerte verwendet, wie Menschen ihr Bargeld ausgeben. Da diese aber natürlich sehr ungenau sind, wird die Berechnung des CO2-Budgets auch umso genauer, je öfter mit Karte gezahlt wird.

„Positive Trigger“ und Hinweise für nachhaltigeren Konsum – direkt im Online-Banking

Neben der Angabe des jeweiligen CO2-Budgets pro Produkt werden Nutzer*innen anhand ihrer individuellen Zahlungsverkehrsdaten Tipps und Tricks, oder wie Lais es sagt: “positive Trigger”, an die Hand gegeben. Mit diesen sollen sie ihren Konsum nachhaltiger gestalten und ihren persönlichen ökologischen Fußabdruck verringern können. Bei einem Essen im Restaurant könnte so ein Hinweis zum Beispiel sein, dass weißes Fleisch ein kleineres CO2-Budget hat als rotes, oder ein vegetarisches Gericht ein noch kleineres. Bei der Bezahlung eines Hotelbesuchs könnte als Hinweis stehen, dass die Handtücher, wenn man sie wieder aufhängt anstatt auf den Boden zu schmeißen, nicht jeden Tag gewaschen werden und somit eine Menge Wasser eingespart werden kann.

© ecolytic Neben der Angabe des CO2-Budgets gibt es Tipps, wie man seinen Konsum nachhaltiger gestalten kann.

CO2-Budget kompensieren

Für besonders CO2-intensive Käufe oder Reisen soll es die Möglichkeit geben, den eigenen CO2-Verbrauch schnell und einfach zu kompensieren, also an vorausgewählte Projekte zu spenden, die sich für Umweltschutz einsetzten. Diese Kompensation wird dann mit einem Klick (bzw. tippen auf dem Smartphone) automatisch vom eigenen Konto abgebucht. “Wir sind davon überzeugt, dass Kompensieren natürlich nicht die finale Lösung ist. Sie muss aber Teil der Lösung sein”, erklärt Lais. “Denn wir haben noch keine hundert Prozent nachhaltige Infrastruktur und bis wir uns dahin entwickelt haben, dass es so ist, haben wir immer einen Teil unseres CO2-Budgets, den wir mit unserem Verhalten nicht ändern können, sondern kompensieren müssen.”

Weg hin zu genauen CO2-Werten noch lang

Aktuell beruhen die Angaben über das CO2-Budget einzelner Produkte noch auf Durchschnittswerten. Die Organisation für nachhaltigen Konsum arbeitet nun daran, die Werte für unterschiedliche Produkte zu spezifizieren. Der Weg hin zu einer genauen Angabe des CO2-Budgets verschiedenster Produkte ist allerdings noch lang. Denn nicht nur die Art eines Produktes, sondern auch verschiedene andere Faktoren wie beispielsweise die Transportwege, der Energieverbrauch bei der Produktion oder der Ressourcenverbrauch spielen eine wichtige Rolle bei der Berechnung eines genauen CO2-Budgets.

Der Standard der OfnK könnte jedoch ein wichtiger erster Schritt in die richtige Richtung sein. Damit sollte aber nicht aus dem Bick geraten, dass nachhaltiger Konsum nicht allein Sache der Verbraucher*innen ist, sondern Politik und Wirtschaft unbedingt Verantwortung übernehmen müssen und weitreichende Maßnahmen einführen und umsetzen müssen. Wäre es zum Beispiel nicht hilfreich, wenn Unternehmen verpflichtet wären, die CO2-Emissionen ihrer Produkte auf den Artikeln selbst anzugeben? Das würde nicht nur das nachhaltigere von weniger nachhaltigen Produkten transparent machen und im besten Fall Unternehmen zu nachhaltigerem Wirtschaften anregen, sondern könnte auch Konsument*innen dabei helfen, ihr Einkaufsverhalten am CO2-Fußabdruck der Produkte auszurichten. Und auch Anwendungen wie die von OfnK könnten davon profitieren, um konkretere Angaben in die Berechnungen einfließen zu lassen…
 

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