Climate Pledges von Unternehmen sind nicht ambitioniert genug

Seit dem Klimaabkommen von Paris haben hunderte Unternehmen Net-Zero-Pledges veröffentlicht, in denen sie aufzeigen, wie sie ihren Beitrag zum Klimaschutz leisten wollen. Doch sie sind alle nicht weitreichend genug, wie das Climate Pledge Rating zeigt.

Autor*in Gast , 17.11.22

Übersetzung Mark Newton:

In diesen Tagen treffen sich Vertreter*innen aus Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft bei der Weltklimakonferenz, der sogenannten COP27, in Ägypten und diskutieren über Maßnahmen und Verantwortlichkeiten zur Bewältigung der Klimakrise. Der Druck könnte kaum größer sein: Der im Frühjahr 2022 veröffentlichte sechste Assessment Report des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) zeigte drastisch auf, dass die Auswirkungen des Klimawandels bereits stattfinden und in den nächsten Jahrzehnten noch schwerwiegender werden. Um die Erderwärmung auf einen Anstieg von 1,5 °C zu begrenzen, müssen die Treibhausgasemissionen bis 2030 nahezu halbiert werden. Für eine Stabilisierung des Klimas ist ein noch ambitioniertes globales Ziel ausgerufen: bis 2050 Net Zero zu erreichen, also die Netto Null bei den Emissionen.

Doch nicht nur die Regierungen dieser Welt sind dringend gefragt, wirkungsvolle Maßnahmen für die Erreichung der Klimaziele umzusetzen. Auch Unternehmen sind in der Verantwortung, die eigenen Emissionen zu senken und klimaneutral zu wirtschaften. Bereits seit einigen Jahren veröffentlichen Unternehmen sogenannte Net-Zero-Pledges, mit denen sie ihren Beitrag zur Bekämpfung der Klimakrise aufzeigen. Doch wie groß dieser Beitrag wirklich ist und inwiefern damit die nötigen Emissionseinsparungen erreicht werden können, ist oft undurchsichtig. Zudem beinhalten viele dieser Pledges zu schwache oder unkonkrete Ziele zur Reduktion von Treibhausgasemissionen und stehen unter dem Vorwurf des Greenwashings.

Vor der COP27 veröffentlichte eine Expertengruppe im Auftrag der UN einen Bericht zu den Net-Zero-Pledges von Unternehmen, Finanzinstitutionen, Städten und Regionen, in dem vor allem die Gefahr adressiert wird, die von unzureichenden Net Zero-Pledges ausgeht: “The risk is clear. If greenwash premised upon low-quality net zero pledges is not addressed, it will undermine the efforts of genuine leaders, creating both confusion, cynicism and a failure to deliver urgent climate action”.

Wie aber können anspruchsvolle Net Zero-Pledges von schwachen unterschieden werden?

Um die Ambitionen hinter diesen Versprechungen transparent zu machen, hat die TU Berlin gemeinsam mit der Suchmaschine Ecosia das Climate Pledge Rating entwickelt. Dieses untersucht und bewertet öffentlich verfügbare Informationen zu Klimaversprechen von großen Technologiefirmen wie Meta, Microsoft oder Netflix. Das Climate Pledge Rating veranschaulicht für Nutzer*innen von Ecosia anhand eines Ratings von A = “Hervorragend” bis F = “Ungenügend”, wie ambitioniert die Net-Zero-Pledges wirklich sind. Um ein A zu erhalten, müssen Unternehmen sich zum Ziel gesetzt haben, ihre gesamten Emissionen bis 2030 um mindestens 50 Prozent zu reduzieren. Darüber hinaus fordert ein A-Rating, dass bereits erste Fortschritte in der Erreichung dieser Ziele nachgewiesen werden können. Durch die Bewertung wird zudem erkennbar, welche Unternehmen noch stark nachbessern müssen und welche bereits auf einem guten Weg sind.

© Ecosia

Das Climate Pledge Rating zeigt jedoch, dass keines der untersuchten Unternehmen bislang diesen Anspruch erfüllt. „Hauptausschlaggebend für das schlechte oder nur mittelmäßige Abschneiden ist das häufige Fehlen von konkreten Zielen zur Reduzierung sämtlicher Treibhausgasemissionen“, berichtet Maike Gossen, die das Forschungsprojekt “Green Consumption Assistant”, das gemeinsam mit Ecosia und der BHT Berlin umgesetzt wird, leitet. „Insbesondere Emissionen, die entlang der Wertschöpfungskette von Unternehmen entstehen, sind oft nicht mit konkreten Reduktionszielen in öffentlichen Pledges berücksichtigt. Dabei machen diese Emissionen bei vielen der untersuchten Technologiefirmen über 90 Prozent der Gesamtemissionen aus.“ Viele Unternehmen setzen stattdessen verstärkt auf Investitionen in Carbon Offset-Projekte zur Kompensation von Emissionen, um dadurch einen Net-Zero-Status zu erlangen. Allerdings sind Carbon Offset-Projekte stark umstritten und sollten lediglich einen Zusatz zu drastischen Reduktionsmaßnahmen darstellen, und keine Alternative.

Das Climate Pledge Rating zeigt, dass Net-Zero-Pledges alleine nicht ausreichen, um weitreichende Klimaauswirkungen zu verhindern. „Würden alle Unternehmen so handeln wie die meisten der untersuchten Technologiefirmen, würde die globale Temperatur um weit mehr als 1,5 Grad steigen und hätte verheerende Folgen für das Leben auf der Erde. Unternehmen müssen konsequent auf eine drastische Reduzierung sämtlicher Emissionen setzen und langfristige und ehrgeizige Dekarbonisierungspläne entwickeln“, betont Marja Lena Hoffmann, die im Forschungsprojekt “Green Consumption Assistant” für Nachhaltigkeitsbewertungen verantwortlich ist. Auf der COP27 wird dies bereits als Greenwashing angemahnt, und zwar nicht nur von Klimaaktivist*innen und Umwelt-NGOs. Selbst der Generalsekretär der Vereinten Nationen, António Guterres, verurteilt die Praxis einiger Unternehmen, Netto-Null-Emissionen zu versprechen, um die Folgen ihres Handelns aus Imagegründen schönzurechnen.

Weitere Informationen zur Methodik und zu den Ergebnissen des Climate Pledge Ratings sind hier zu finden: Green Consumption Assistent

Dies ist ein Gastbeitrag von Marja Lena Hoffmann und Maike Gossen. Marja Lena Hoffmann ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Fachgebiet Sozial-ökologische Transformation der TU Berlin und ist im Forschungsprojekt “Green Consumption Assistant” für Nachhaltigkeitsbewertungen verantwortlich. Maike Gossen ist Post-Doc im Fachgebiet Sozial-ökologische Transformation der TU Berlin und leitet das Forschungsprojekt “Green Consumption Assistant”, das gemeinsam mit Ecosia und der BHT Berlin umgesetzt wird.

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