Viele Straßen und Bürgersteige sind gesäumt von achtlos weggeworfenem Müll. Bei den Nutzer*innen der App Litterlotto könnten beim Anblick des Mülls jedoch statt Frust Dollarzeichen in den Augen blitzen. Für jedes richtig entsorgte und über die mobile Anwendung dokumentierte Stück Müll gibt es nämlich Geld zu gewinnen.
Das geht ganz einfach: Die Nutzenden sammeln Müll auf oder entsorgen ihn in einem geeigneten öffentlichen Abfalleimer und machen ein Foto von diesem Moment. Dieses wird dann in die App hochgeladen, wodurch sie an einer monatlichen Verlosung teilnehmen können. Die Höhe des Preises variiert je nach Standort, aber im Vereinigten Königreich beträgt der aktuelle monatliche Jackpot 10.000 GBP.
Litterlotto hat im November mit Louise Sunderland die erste britische Gewinnerin bekannt gegeben. Die Nutzerin gewann den Jackpot von 5.000 GBP, nachdem sie rund 400 Abfälle aufgesammelt hatte. Ursprünglich haben die britischen App-Entwickler*innen das System in Dänemark getestet, wo es offenbar sehr erfolgreich war. Nach eigenen Angaben war Litterlotto mit seinen Zehntausenden von Nutzern für 85 Prozent des aufgesammelten und entsorgten Mülls verantwortlich – eine beeindruckende, wenn auch etwas zweifelhaft klingende Statistik.
Natürlich wurden verschiedene Regeln und Vorschriften aufgestellt, um Missbrauch zu vermeiden. Bei jeder Einsendung muss ein Stück nicht-organischer Abfall, wie Verpackungen, Flaschen, Zigarettenstummel usw., vom Benutzer eindeutig in die Tonne gelegt werden. Abfälle von Waren, die in erster Linie für den häuslichen Gebrauch bestimmt sind, wie zum Beispiel Konservendosen, sind nicht zugelassen. Bei zwei Millionen Stück Müll, die täglich auf den britischen Straßen entsorgt werden, sollte es nicht schwer sein, einen legalen Abfall zu finden.
Aber wie wird das alles bezahlt? Litterlotto ist ein gewinnorientiertes Unternehmen, aber die Preisgelder werden größtenteils von Sponsoren aus der Wirtschaft bereitgestellt. Derzeit ist nicht klar, wer genau diese Sponsoren sind, aber im Vereinigten Königreich hat Litterlotto angekündigt, dass es mit McDonalds zusammenarbeitet, um das Projekt zu finanzieren. Angesichts der Tatsache, dass auf vielem Müll auf unseren Straßen die goldenen Bögen des Unternehmens zu finden sind, ist es natürlich gut zu sehen, dass McDonalds Teil einer Lösung ist. Noch sinnvoller wäre es allerdings, wenn McDonalds die Menge des eigenen Mülls von vornherein reduzieren würde, anstatt die Öffentlichkeit mit dem Versprechen großer Geldprämien zum Aufräumen zu bewegen.
Gamification für Nachhaltigkeit?
Konzepte wie Litterlotto zeigen, dass Gamification-Ansätze sowohl für Entwickler*innen als auch für Nutzer*innen immer attraktiver werden. Bei der Gamification werden Elemente, die eher mit Spielen – sowohl traditionellen als auch digitalen – in Verbindung gebracht werden, genutzt, um Aktionen in der realen Welt zu beeinflussen. Beispiele hierfür sind die Vergabe von „Punkten“ für verschiedene Aktionen, die Erstellung von Ranglisten oder die Belohnung von Nutzer*innen für die Bewältigung bestimmter Herausforderungen.
Laut der Nachhaltigkeits-Finanzierungsplattform Ecologi könnte die Gamifizierung dazu beitragen, praktische nachhaltige Lebensstile zu fördern und das „temporale Diskontieren“ in unserer Gesellschaft zu verringern. Die von Psychologen entwickelte zeitliche Diskontierung bezieht sich auf die menschliche Tendenz, kurzfristige Vorteile im Vergleich zu langfristigen höher zu bewerten. Erscheint also die Belohnung zu weit in der Zukunft zu sein, gibt es wenig Anlass, Veränderungen in der Gegenwart vorzunehmen – selbst wenn diese letztendlich von Vorteil sind.
Beim Umwelt- und Klimaschutz ist das auf jeden Fall ein Problem, denn hier sind die Vorteile durch Verhaltensänderungen erst nach einiger Zeit oder gar nicht unmittelbar spürbar. Daraus resultiert die so genannte Einstellungs-Verhaltens-Kluft, bei der selbst Personen, die sich als nachhaltig bezeichnen, schädlich oder nicht förderlich für den Umweltschutz verhalten. Aber wenn solche kleinen Handlungen mit langfristigem Nutzen heute gefördert werden können, könnte diese Kluft kleiner werden. Zu diesem Schluss kommt auch Ecologi:
„Diese Kluft zwischen unseren Entscheidungen und unseren Werten macht es schwer, große Probleme wie den Klimawandel anzugehen, die auf eine umfassende Verhaltensänderung in der Gesellschaft angewiesen sind. Glücklicherweise hilft Gamification dabei, diese positiven Verhaltensweisen durch kleine und regelmäßige Belohnungen zu verstärken.“
Gamification wurde in einer ganzen Reihe von Apps eingesetzt: Man kann sich als Ansporn beim Laufen von Zombies jagen lassen, mit täglichen Herausforderungen neue Sprachen lernen oder mit spielerischen Apps sogar Angstzustände und Schlafprobleme angehen. Es ist also nicht verwunderlich, dass auch Apps, die sich mit Nachhaltigkeit befassen, auf den Zug aufgesprungen sind. Apps wie Climate Drops oder JouleBug geben den Nutzenden für jede umweltfreundliche Handlung Punkte, die später für Produkte von Partner-Apps eingelöst werden können oder bieten ihren Nutzer*innen tägliche Herausforderungen, die zu kleinen, umweltfreundliche Aktionen im Alltag ermutigen sollen.