Viele Menschen weltweit werden sich zunehmend des Ausmaßes der wachsenden Plastikmüllkrise bewusst. Und auch auf politischer Ebene wird immer mehr unternommen, um die Situation zu verbessern. In mehreren Ländern, darunter aktuell 16 in Afrika, gibt es ein generelles Verbot von Plastiktüten, und auch die EU will ab 2021 Einwegplastik verbieten. In vielen anderen Ländern weltweit wurden Systeme eingeführt, um Verbraucher*innen entweder zu ermutigen, Einwegplastik zu vermeiden oder um ihnen Anreize zu geben, nach Alternativen zu suchen.
Das Problem ist jedoch, dass billiges Einwegplastik für viele Verbraucher*innen immer noch eine wichtige und bequeme Funktion im Alltag erfüllt. In einigen Ländern, in denen Plastikprodukte verboten wurden, wie in Südafrika und Kenia, ist ein illegaler Schwarzmarkt entstanden, auf dem kleinere Läden und Geschäfte weiterhin Plastik anbieten. Eine langfristige Lösung des Plastikproblems besteht daher unter anderem darin, adäquate und praktische Alternativen dort zu schaffen, wo bisher Plastik eingesetzt wurde bzw. wird, zum Beispiel bei Lebensmittelverpackungen und Tragetaschen.
In den letzten Jahren hat die Erforschung und Entwicklung solcher Alternativen stark zugenommen, wobei unterschiedliche Rohstoffquellen wie Maisstärke, Algen und Milchproteine als biologisch abbaubare kunststoffähnliche Alternativen erprobt wurden. Ein australisches Startup erweitert den Pool an Plastikalternativen um ein neues Material – und das besteht aus den Resten von Meeresfrüchten.
Carapac, ein in New South Wales ansässiges Unternehmen, hat eine Methode entwickelt, um die Schalen von Krustentieren in eine dünne kunststoffähnliche Folie umzuwandeln, die Polyethylen- und Polypropylenprodukte ersetzen kann. Ursprünglich wurde das Konzept im Rahmen des interdisziplinären Programms „Inventing the Future“ der University of Sydney entwickelt, anschließend gründete ein Trio von Postdocs – Michelle Demers, Jared Wood und Kimberly Bolton – Carapac, um die Idee weiterzuentwickeln.
Dem Trio gelang es, Schalenabfälle von Krustentieren, zum Beispiel von Garnelen und Krabben, zu Chitosan zu veredeln, einer Art Polykohlenhydrat, das für eine Vielzahl von Anwendungsmöglichkeiten geeignet ist. Zwar wurde der genaue Prozess nicht vollständig veröffentlicht, doch in der Regel erfordert die Herstellung von Chitosan das Mischen der harten äußeren Schalen (Panzer) von Krustentieren mit einer Lösung auf alkalischer Basis, in der Regel Natriumhydroxid. Auf diese Weise wird eine dünne, filmartige Struktur erzeugt. Ähnliche Prozesse werden auch für die Herstellung anderer Kunststoffalternativen verwendet, unter anderem für Kunststoffe auf Stärkebasis. Dies ist jedoch das erste Mal, dass Krustentierschalen zur Herstellung einer kommerziell erhältlichen Kunststoffalternative verwendet werden.
Ein wirklich biologisch abbaubarer Kunststoff?
Laut Unternehmensangaben bietet die Carapac-Version einige zusätzliche Vorteile gegenüber herkömmlichen Kunststoffen und sogar einigen anderen biologisch abbaubaren Alternativen. Zum einen sind die chitinbasierten Kunststoffe in einem viel weiteren Sinne biologisch abbaubar: Carapac-Verpackungen zersetzen sich im Laufe der Zeit auf natürliche Weise in den meisten normalen Kompostieranlagen oder auf Mülldeponien, wobei sich der Kunststoff innerhalb von etwa 90 Tagen vollständig auflöst – damit könnte man ihn sogar zu Hause zu Kompost verarbeiten.
Und sollte das Plastik aus irgendeinem Grund doch ins Meer gelangen, zerfällt es einfach und kann von Meerestieren problemlos aufgenommen werden. Außerdem setzt der Carapac-Kunststoff, wenn er zum Beispiel im Garten vergraben wird, Stickstoffdünger frei, der Pflanzen beim Wachstum helfen kann. Tatsächlich sind Krabbenschalen seit langem bei Gartenliebhabern und Kompostierern beliebt, weil sie bestimmte Bakterien fördern und Schädlinge abwehren können.
Andere biologisch abbaubare Kunststoffe, wie die auf Maisstärke basierende Polymilchsäure (PLA), sind nur unter ganz bestimmten Umständen wirklich biologisch abbaubar. PLA baut sich nur unter industriellen Kompostierungsbedingungen, bei denen es ständig erhitzt und mit bestimmten Enzymen gefüttert wird, schnell ab. Würde man eine PLA-Flasche einfach auf einer Mülldeponie lagern, könnte es viel länger dauern, bis sie abgebaut ist – laut einigen Analysen sogar 100 bis 1.000 Jahre. Außerdem müssen PLA-Flaschen von normalen Kunststoffen getrennt werden und gehören in eine separate Recyclingkette. Oft werden sie jedoch einfach im normalen Kunststoffrecycling entsorgt. Ein weiterer Nachteil ist, dass Maisstärke auch in vielen anderen Bereichen eingesetzt wird. Maisstärke als Kunststoffalternative würde daher wahrscheinlich zu einer erhöhten Produktion von Mais und zusätzlichen Herausforderungen an die Landwirtschaft und die Umwelt führen.
Im Gegensatz dazu ist die Rohstoffquelle von Carapac als Abfallprodukt schon jetzt reichlich vorhanden: Allein im asiatisch-pazifischen Raum fallen jährlich rund 8,1 Millionen Tonnen Abfälle von Schalentieren an. Für seine Produktion hat Carapac bereits einen Vertrag mit einem indonesischen Lebensmittelverarbeitungsbetrieb abgeschlossen, der als Teil seines Produktionszyklus Shrimps von ihren Schalen befreit. Allerdings sucht das australische Startup nach einer Alternative im eigenen Land, um die Lieferwege noch weiter zu verkürzen.
Bisher verwendete Carapac seine Chitosan-Kunststoffalternativen, um ein halbstarres Material herzustellen, das zu Beuteln oder Taschen verarbeitet werden kann. Außerdem arbeitet das Startup an einem dünnen, klebefolienähnlichen Produkt und einem Klebstoff. Carapac gibt an, dass seine Kunststoffalternative nicht nur sicherer für die Umwelt ist, sondern auch Produkte wie Obst und Gemüse länger frisch hält.
Zurzeit befindet sich Carapac noch in der Finanzierungs- und Prototypenphase und arbeitet mit landwirtschaftlichen Betrieben, Produzent*innen und Fachleuten aus der Industrie zusammen. Obwohl die Produkte derzeit noch nicht auf dem Markt sind, hofft das Team auf eine Partnerschaft mit einem australischen Unternehmen, das bei der Skalierung des Projekts helfen kann. Anschließend will das Startup seine biologische Plastikalternative über andere Produzent*innen lizenzieren, plant aber auch, selbst Verpackungen herzustellen.
Dieser Artikel ist eine Übersetzung von Lydia Skrabania. Das Original erschien zuerst auf unserer englischen Seite.