Worum geht´s bei Buycott?
Join Campains, Shop Smart, Speak Up. Vote with your wallet. Das sind die Themen, mit denen sich Buycott präsentiert. Das heißt erstens, die App möchte einen Überblick geben, welche Kampagnen und Petitionen zum Beispiel in den Bereichen Nachhaltigkeit, Menschenrechte und Tierschutz aktuell laufen. Diesen kann man sich anschließen. Außerdem sollen durch einen Barcode-Scan von Produkten Konzernverflechtungen offen gelegt und Alternativen angeboten werden. Dabei soll gleichzeitig überprüft werden, ob diese Firmen Kampagneninhalten widersprechen. Als zusätzliches Feature kann man den Unternehmen direkt Nachrichten schreiben.
Das hört sich im ersten Moment gut an. Sehr gut sogar. Denn dem bewussten Käufer wird es heute schwer gemacht. Selbst auf „sicherem Terrain“ wie Bioläden schlummert der Teufel oft im Detail. Zu krakenhaft sind die Verflechtungen von Konzernen und am Ende landet etwas im Einkaufskörbchen, das den eigenen Ansprüchen an ethischem Konsum widerspricht. Es kann passieren, dass man zum Beispiel unbewusst Rüstungsunternehmen oder Wahlkämpfe unterstützt, z.B. mit dem Kauf von Produkten von Dr. Oetker oder Koch-Industries – die nebenbei bemerkt laut Greenpeace in den letzten Jahren knapp 50 Millionen US-Dollar in Gruppierungen investiert haben, die den Klimawandel leugnen.
Die Enthüllungs-App im Alltagstest
Also, frohen Mutes mit der „Ihr könnt mich nicht mehr veralbern“-Waffe in der Jackentasche zum Einkaufen gegangen. In einen Bioladen. Die Sache mit den Kampagnen hat mich nicht wirklich interessiert, zumal unter dem Auswahlpunkt „Meine Region“ nichts angezeigt wurde. Ich wollte Produkte scannen und wissen, was ich da von wem kaufe. Das lief, technisch gesehen, auch gut, der Knopf ist mittig unten um Bildschirm und der Scanner funktioniert zuverlässig.
Die Ergebnisse waren jedoch ernüchternd bis sehr irritierend. Viele Produkte wurden zwar als solche erkannt, aber es war nicht hinterlegt, zu wem die Marke gehört. Doch dessen nicht genug: Die große Irritation kam, als ich Schokolade der Marke Rapunzel an den Scanner hielt. Nach einigem hin- und herschieben und scrollen – die Verflechtungen waren vielfältig und passten zuerst nicht als Ganzes auf den Bildschirm – landete ich schlussendlich bei: der Coca Cola Company. Oha.
Was ist da los?
Ich habe den Testlauf dann erst einmal zweifelnd abgebrochen und mit Rapunzel Kontakt aufgenommen. Mal fragen, was da los ist. Die Person, die ich dort erreichte, fiel genauso wie ich aus allen Wolken. Wir haben dann gemeinsam verschiedene Produkte durch den Scanner laufen lassen und siehe da: es wurde noch kurioser. Bei einem Scan war die App der Ansicht, dass Rapunzel mit Walt Disney zu tun hat.
Die Vertrauenswürdigkeit der App bröckelte also massiv. Auf mein Nachfragen bei Buycott selbst, wie so etwas zustande kommt, woher die Informationen stammen und wer die Informationen überprüft und wer überhaupt hinter dieser App steckt, wurde nicht reagiert.
Woher die Informationen kommen, fand ich kurz danach heraus: Von den Usern selbst. Wenn man Produkte scannt, die nicht hinterlegt sind, kann man sie eigenständig anlegen. Inklusive Stammbaum. Es scheint nur niemand zu überprüfen, ob das auch wirklich stimmt. Und zwar dauerhaft nicht. Rapunzel hatte ebenfalls Kontakt aufgenommen und um Richtigstellung gebeten, doch wenn ich jetzt, mehrere Wochen später, das Produkt in meinem Buycott-Profil und meiner Chronik wieder aufrufe, lande ich immer noch bei Coca Cola. Oder eben bei Walt Disney. Updates? Anscheinend Fehlanzeige. Vertrauenswürdigkeit: nicht nur bröckelig, sondern atomisiert.
Im Vergleichstest, das heißt, beim Erkennen und Zuordnen von Markenprodukten großer, global agierender Konzerne, funktioniert die App jedoch relativ zuverlässig. Es scheint, dass Buycott mit Produkten kleiner, europäischer Firmen überfordert ist. Dadurch stellt sich wiederum die Frage, was kann ich als Benutzer in Deutschland von den alternativen Produkten halten, die mir die App vorschlägt, wenn sie viele überhaupt nicht zu kennen scheint?
Fazit: Mangelhaft
Insgesamt bin ich leider enttäuscht von Buycott. Mich mit den Kampagnen näher zu beschäftigen habe ich, ehrlich gesagt, nach diesen ernüchternden Ergebnissen bei den Scans, gelassen. Zumal ich Informationen über Kampagnen über meine Social-Media-Kanäle bekomme. Und das zuverlässig und vertrauenswürdig.
Ich bin von dieser schwachen Performance nicht nur enttäuscht, sondern ich war regelrecht sauer. Denn der Ansatz dieses Plugins ist wunderbar und dringend nötig, aber so eine Umsetzung schürt noch mehr die Unsicherheiten der Konsumenten und schlussendlich eventuell sogar die Resignation beim Glauben daran, dass der Kassenzettel ein Stimmzettel ist. Doch das ist er. Jeden Tag. Desinvestment, das heißt das Abziehen oder Enthalten von Geldern bei fragwürdigen Konzernen, ist tatsächlich ein nicht zu unterschätzender Mechanismus in einer kapitalistisch orientierten Weltgesellschaft.
Du willst Buycott ausprobieren? Dann findest du die App hier für Android oder kannst sie hier für dein iPhone herunterladen.
Alternativen?
Eine andere App, die sich in diesem Umfang mit der Thematik des ethischen Konsums beschäftigt, ist mir nicht bekannt. Für einzelne Bereiche gibt es Alternativen. Zum Beispiel Rank a Brand. Hier werden einzelne Marken und ihre Nachhaltigkeitsperformances unter die Lupe genommen. Wo sind also die Entwickler? Meine persönliche Empfehlung für den Einkauf lautet daher, auf biologische Herstellung, Regionalität und Saisonalität zu achten und bestimmte Marken einfach komplett von der Einkaufsliste zu streichen. Hier findest du Tipps, wie du zu Bioprodukten aus erster Hand kommst.
Dieser Artikel ist Teil unseres RESET-Spezial zu nachhaltigem Konsum. Eine Übersicht aller Artikel zum Thema findest du hier: RESET App-Check: Korrekt einkaufen mit den richtigen Apps.
Und eine Übersicht über noch mehr nachhaltige Apps findest du hier: Grüne Apps – Nachhaltige Handyprogramme für Smartphones.