„Zhen-Ni“ für RESET in China – ein Bericht von der Front

CIMG2008
©
Auf einem Dock am Huangpu, Pudong Side

RESET for a better World goes China - erste Schritte mache ich, "Zhen-Ni", so nennen mich die Chinesen, für RESET im Reich der Mitte: RESET ist für einen Monat in Shanghai, einer der am schnellsten wachsenden Metropolen der Erde; 17, 5 Millionen Einwohner und es werden stündlich mehr. 37° C und eine Luftfeuchtigkeit von 70 % Prozent machen den Aufenthalt im klimatisierten Büro unseres Förderpartners Skillnet zum Genuss - genetzwerkt wird dafür nachts, wenn die Stadt in bunter Glitter- und Glitzerpracht erstrahlt...

Autor*in Jenny Louise Becker, 16.07.08

Die Gegensätze sind faszinierend

Neben schmuddeligen, aber verführerisch duftenden Garküchen, in denen hart arbeitende Gastarbeiter vom Land für ein paar Cent Dampfnudeln bekommen, erheben sich riesige 5-Sterne Hotels aus Spiegelglas – in Pudong, dem Bankenviertel, reihen sich 50- bis 100-stöckige Hochhäuser (das höchste Gebäude Chinas, das Shanghai World Financial Center ist 492 m hoch) aneinander, mit LED-Röhren überzogen, die 24/7 Werbebotschaften über den Fluss Huangpu flimmern lassen. Allerdings durch dichte Schwaden von Smog: Shanghai gehört mit Beyjing und Tjanjing zu den verseuchtesten Städten Chinas, über 400 Millionen Städter müssen diese verschmutzte Luft einatmen, 30.000 Kinder sterben jährlich an Durchfall durch schmutziges Wasser.

In Shanghai werden monatlich 5000 neue Autos zugelassen, eine neue Mittelklasse entsteht, die den Konsum von globalen Marken zelebriert

Im Taxi, per pedes oder mit der Metro unterwegs finden sich an jeder Ecke KFC, Starbucks, Nike, Mc Donalds, auf der Shoppingmeile Nanjing Lu residieren die Top-Designer Prada, Chanel etc., kann man im Paulaner Biergarten Gulasch mit Spätzle essen. Shanghai steht für ein China im Aufbruch: Täglich werden ein- bis zweistöckige Häuschen mit den traditionellen Drachendächern abgerissen, um Hochhäusern und mehrstöckigen Schnellstraßen Platz zu machen. Shanghai ist wie Beyjing eine Großbaustelle. Die Bewohner der Häuser werden enteignet – hier und da entwickelt sich ziviler Widerstand, im einzelnen gar erfolgreich: Den Bauten nebst ihren Bewohnern wird noch mal eine Gnadenfrist gewährt.

Ich studiere die Tagespresse, durchforste das chinesische Web nach zivilgesellschaftlichen Initiativen in den Bereichen Umweltschutz und CSR, befrage Shanghainesen und in Shanghai lebende und arbeitende Ausländer nach den aktuellen Entwicklungen in der Region einen Monat vor den Mega-Events der Olympiade in Beyjing, Beginn 08.08.2008 und der EXPO 2010 in Shanghai (für die der WWF einen Pavilion reserviert hat, um attraktive, unterhaltsame Umweltschutzerziehung zu betreiben), und evaluiere potentielle Bedürfnisse der chinesischen Gesellschaft und Partizipationspotentiale an einer Plattform, angelehnt an www.reset.to, für China.

China will an die Spitze, und wird mit seinen 1, 3 Mrd. Einwohnern auch der größte CO2-Emittent der Zukunft sein: Ein Grund für RESET, hier anzudocken.

Seit dem Erdbeben in Sichuan am 12. Mai diesen Jahres beginnt sich eine neue Charity-Kultur in China zu etablieren. Millionen Yuan Spendengelder wurden von Privatleuten und Firmen für die Rettung der Erdbebenopfer und den Wiederaufbau der Region akquiriert. Die Shanghai Charity Foundation, unterstützt von chinesischen Popstars und Global Player Corporations, gründet u.a. Fonds für arme Schulkinder und betreibt sexuelle Aufklärungs-Hotlines, die Website ChinaCSR.com informiert über Neuigkeiten in der CSR-Abteilung, Tagungen zu CSR finden fast monatlich in den Großstädten statt und stoßen auf großes Interesse. Auf der Homepage der Shanghai Daily News blinkt ein UNICEF-Spenden Banner.

Über 600 000 Unternehmen mit ausländischem Kapital arbeiten in China

Im Taxi durch Shanghai
685 Milliarden US-Dollar an Investitionen flossen seit Ende der Siebziger Jahre ins Land

Obwohl man mit normaler Schüssel KEINEN englischsprachigen Fernsehsender empfangen kann (!) ist doch die Konsum-Atmosphäre sehr westlich. Ich habe bereits drei Yoga-Lehrerinnen kennengelernt, die nur Öko („Green Food“) einkaufen -> Shanghai Organics betreibt bereits 24 Bioläden in der Stadt, 12 in der Umgebung von 100 km um Shanghai, und liefert auch Öko-Körbe nachhause, wie man es bei uns daheim auch kennt. Meine Bürokollegen von Skillnet bezweifeln allerdings die Pestizid-Freiheit der „Green Food“ Lebensmittel, mit Verweis auf fehlende Zertifikate von unabhängigen Testinstituten…

Seit dem 01.06.2008 hat die Chinesische Regierung ein „Plastic Bag Ban“ – Gesetz verhängt, um der unheilvollen Plastiktütenschwemme, die das Reich überzieht, Herr zu werden. Zum einen hat China ein Müllproblem, zum anderen wurden 37 Millionen Barrels Rohöl im Jahr für die Plastiktütenproduktion verwendet. Plastiktüten gibt’s wie daheim im Supermarkt nur noch gegen Geld – und auch nur noch bis August. Stofftüten kaufen ist angesagt.

Eine Französin mit californischem PhD. in Animal Behaviour Studies, mit der ich am Wochenende Gelitschirmfliegen war, hat einen sehr gutbezahlten Job in einer ländlichen Provinz 2 Flugstunden von Shanghai bekommen: Es geht um nachhaltige Schweinezucht. Noch wird die Überzahl aller Schweine in China paarweise in Hinterhöfen gehalten, doch die Massentierhaltung ist jetzt auch für China die einzige Möglichkeit, seine Bevölkerung zu ernähren. Claudine’s Job ist es, eine stressfreie Haltungsform zu entwickeln, um geschmackliche Top-Ergebnisse für das Fleisch zu erzielen. Man will hier von Anfang an alles richtig machen: Biogasanlagen nach deutschem Vorbild für die anfallende Gülle sind ebenfalls geplant.

Immer mehr Chinesen engagieren sich für das Gemeinwohl und schaffen so eine Zivilgesellschaft

Die Dringlichkeit nachhaltigen Wirtschaftens, angesichts der 1,3 Milliarden Chinesen, die bereits mit massiven Umweltproblemen wegen knapper werdenden Ressourcen, seien es Öl, Wasser oder saubere Böden konfrontiert sind, wird zunehmend erkannt und stückweise umgesetzt. Neben den Großkonzernen, die global mehr und mehr nachhaltig wirtschaften – und somit auch in China beginnen, neue Maßstäbe zu setzen – hat Peking auch erkannt, das NGOs nützlich sein können: Sie helfen, soziale Spannungen abzubauen und dienen als Sensor für die Stimmung im Land.

Eine Umfrage unter 346 000 NGOs in China im Jahre 2006 (davon 3000 – 5000 ausländische Gruppen) bestätigt: Fast alle Gruppen verstehen sich als loyale Bürger des Landes, die nichts anderes im Sinn haben, als Missstände zu beheben. Ein faszinierendes Phänomen: Immer mehr Chinesen engagieren sich für das Gemeinwohl und schaffen so eine Zivilgesellschaft.

Empfehlenswerte Lektüre (u. eine der Datenquellen):
Lorenz / Lietsch: DAS ANDERE CHINA – Begegnungen in Zeiten des Aufbruchs

Joseph Maina
Joseph Maina
Interview mit Joseph Maina, RESETs Stimme aus Kenia

Joseph Maina ist freiberuflicher Journalist und lebt in der kenianischen Stadt Naivasha – und er schreibt für RESET über Nachhaltigkeit und Digitalisierung in Kenia.

Reset Team
Benjamin Lucks
RESET is Seeking a Native English Sustainability & Digitalisation Editor in Berlin

RESET is looking for a new native English speaking Sustainability & Digitalisation Editor for our Berlin team. Apply until March 15th 2024!

Torge Peters
Neue RESET-Podcastfolge: Mit digitalen Tools zum klimaneutralen Gebäudesektor

Gebäude sind über ihren gesamten Lebenszyklus CO2-Schwergewichte. Das muss sich dringend ändern. Digitale Tools und Technologien können helfen, den Gebäudesektor zu transformieren. Hört selbst in Folge #9 von RESET Radio!

RESET empfiehlt: 5 handverlesene Spendenprojekte mit Wirkung 2023

Weihnachtszeit ist Spendenzeit! Aber an wen soll deine Spende gehen bei all den Krisen weltweit?

Kann KI unseren Planeten retten? – Podcast mit RESET-Gründerin Uta Mühleis

Der KI-Campus ist eine Lernplattform für Künstliche Intelligenz. Die Vision: Eine KI-kompetente Gesellschaft. In ihrem Podcast "KI Kapiert" sprechen sie mit Gästen aus Wissenschaft, Wirtschaft und Zivilgesellschaft, wie KI ihren Beruf und unseren Alltag verändert.

Deutscher Nachhaltigkeitspreis
Deutscher Nachhaltigkeitspreis 2023 – RESET ist nominiert!

Der Deutsche Nachhaltigkeitspreis (DNP) prämiert Beiträge, die den Weg in eine nachhaltige Zukunft weisen. Wir freuen uns, mit RESET nominiert zu sein.

Torge Peters
Gebäudewende: Der CO2-intensive Sektor braucht eine schnelle Transformation

Das Bauen, Wärmen, Kühlen und Entsorgen unserer Gebäude hat einen Anteil von rund 40 Prozent an den CO2-Emissionen Deutschlands. Wie gelingt die Transformation und wie sehen nachhaltig-digitale Lösungen aus? Dem gehen wir in unserem neusten RESET-Greenbook nach.

Torge Peters
Neue RESET Podcast-Folge: Dieses Open-Source-Navi zeigt, wie die Mobilitätswende vorangetrieben werden kann

RESET war bei der re:publica 2023 mit der Session „Die Stadt nach dem Auto - es gibt viel zu gewinnen“ dabei. Jetzt gibt es unsere re:publica-Session als Podcastfolge zum Nachhören!