In der Anfangsphase der Corona-Pandemie wurde ausgiebig darüber diskutiert, wie sich die Einschränkungen auf die globalen Kohlenstoffemissionen auswirken. Relativ früh ging man davon aus, dass der Rückgang des Luft-, Schiffs- und Straßenverkehrs einen positiven Nutzen für die Umwelt haben könnte, wenn auch nur auf kurze Sicht.
Da das öffentliche Leben jedoch weiterhin eingeschränkt bleibt und das Arbeiten von zu Hause aus für Millionen Menschen zur neuen Norm geworden ist (laut einer Studie für etwa 26 Prozent der Arbeitnehmer*innen), werden nun vermehrt Untersuchungen über die tatsächlichen Umweltauswirkungen unseres zunehmend in den digitalen Raum verlagerten Lebens durchgeführt.
Eine aktuelle Studie, die sich mit diesem Thema beschäftigt, wurde von Grant Faber von der University of Michigan vorgestellt. Sie geht der Frage nach, ob Online-Konferenzen in Anbetracht der Kohlenstoffemissionen, die durch unsere Online-Aktivitäten und insbesondere durch Video-Streaming verursacht werden, tatsächlich umweltfreundlicher sind? Bisher wurden große Geschäfts-, Regierungs- oder Handelskonferenzen häufig für ihren Kohlenstoff-Fußabdruck kritisiert, da Hunderte Teilnehmer*innen und Mitarbeiter*innen an einem Ort für eine Reihe von Meetings oder Präsentationen zusammenkamen und dazu meist mit den zeiteffizientesten Transportmitteln anreisten – und nicht unbedingt mit den umweltfreundlichsten. Solche Konferenzen werden aktuell fast vollständig online über Videokonferenztechnologien wie Zoom abgehalten.
Fabers Studie untersuchte eine einzelne Konferenz, die im Mai 2020 stattfand und an der rund 200 Forschende teilnahmen, die sich mit der Entfernung oder Bindung von CO2 beschäftigten. Die Forschenden wollten die Klimaauswirkungen ihrer Online-Meetings untersuchen und diese dann kompensieren. Dazu wurden Informationen über die Kohlenstoffemissionen der von ihnen verwendeten Geräte wie Computer, Monitore und Schreibtischlampen sowie über die Online-Aktivitäten, einschließlich Video-Streaming, Suchmaschinenabfragen, Website-Besuchen und Planungsmeetings vor der Konferenz, gesammelt.
All dies zusammengenommen ergab, dass sechs Stunden Zoom-Meeting mit vielen Beteiligten rund 1.324 kg CO2-Emissionen verursachen. Das entspricht einer Fahrt von fast 3.300 Meilen oder der Verbrennung von 750 Kilogramm Kohle. Das klingt viel, aber damit haben sich die Online-Meetings immer noch als umweltfreundlicher als „reale“ Konferenzen bewiesen, bei denen im Durchschnitt etwa 66 Mal mehr Kohlenstoff erzeugt wird.
Bei der untersuchten Konferenz stammte der Großteil der Emissionen (64 Prozent) aus dem Datentransfer im Netzwerk, während nur 11 Prozent auf die eigentliche Computernutzung abfielen. Diese Zahlen verdeutlichen den wachsenden Energiebedarf der globalen Informationsinfrastruktur – und den CO2-Fußabdruck, den wir dadurch erzeugen.
Mehr Daten brauchen mehr Strom
Natürlich sind es nicht nur Online-Videokonferenzen, die einen Anstieg der Datenmenge verursachen. Schon vor der Pandemie verlagerte sich ein immer größerer Teil unserer täglichen Interaktionen in den digitalen Raum. Vor allem Video-Streaming-Plattformen haben einen enormen Anstieg an Abonnent*innen und Nachfrage erlebt: 91 Prozent der befragten Amerikaner*innen gaben in einer Studie an, mindestens einen Streaming-Dienst abonniert zu haben. Insbesondere bei jüngeren Generationen ersetzen Streaming-Dienste zunehmend das Fernsehen.
All dieser Datenverkehr ist natürlich mit einem enormen Energiebedarf in den globalen Rechenzentren, dem Rückgrat des modernen Internets, verbunden – Tendenz steigend. Laut einer Studie wird sich die Zahl der mit dem Internet verbundenen Geräte von 10 Milliarden im Jahr 2020 auf rund 30,9 Milliarden im Jahr 2025 verdreifachen. Darüber hinaus wird die Einführung von drahtlosen Hochgeschwindigkeits-Internetverbindungen wie 5G auch die Anforderungen an einzelne Geräte erhöhen. Insgesamt könnte die Datenübertragung im Internet bis 2030 damit rund 20 Prozent des weltweiten Energiebedarfs verbrauchen.
Was kann also getan werden, um den CO2-Fußabdruck der Digitalisierung zu verkleinern? Es gibt ein paar einfache Schritte, mit denen der eigene Fußabdruck verkleinert werden kann, zum Beispiel die Videoqualität beim Streaming reduzieren, das Ausschalten von Video bei Online-Anrufen oder sicherzustellen, dass das eigene Zuhause – und damit auch alle elektronischen Geräte – mit erneuerbarer Energie gespeist wird. Und mit Klimaschutzprogrammen, wie zum Beispiel Plantyflix, einem Abonnementdienst, der über monatliche Zahlung in das Pflanzen von Bäumen investiert, können die geschätzten Kohlenstoffemissionen der monatlichen Netflix-Nutzung ausgeglichen werden.
Doch für eine wirklich nachhaltige Digitalisierung sind Regierungen und Technologieunternehmen gefragt, um die Explosion des digitalen Energiebedarfs einzudämmen. Zum Beispiel könnten Hersteller von Computern und Online-Geräten dafür sorgen, dass ihre Produkte robuster und weniger emissionsintensiv konstruiert sind, um die Menge an Elektroschrott zu reduzieren. Und auch die Abwärme von Rechenzentren könnte wiederverwendet werden – zum Beispiel zur Warmwasserbereitung oder Algenzucht, wie bei Windcloud. Einige große Technologieunternehmen scheinen das Problem erkannt zu haben und klimaneutrale Versprechen abgegeben. Und auch kleinere Unternehmen und Startups zeigen, wie eine nachhaltige Digitalisierung aussehen kann. Aber im Moment sind dies vor allem Beispiele für Selbstregulierung als Richtlinien, die von Regierungen und Gesetzgebern kommen. In Deutschland geht immerhin die Digitalagenda des BMU erste Schritte in diese Richtung – und auch auf EU-Ebene kommt allmählich Bewegung in die Sache.
Die wirkungsvollste Strategie zur Reduzierung der Emissionen virtueller Meetings und sämtlicher anderer Online-Aktivitäten wäre jedoch die Dekarbonisierung des gesamten Stromnetzes – oder zumindest die Sicherstellung, dass Rechenzentren mit grüner Energie betrieben werden. Nach Fabers Berechnungen wären die Gesamtemissionen der Online-Veranstaltung um drei Viertel auf nur noch 344 kg Kohlendioxid gesunken, wenn für die konferenzbegleitenden Aktivitäten, wo immer möglich, Solarenergie eingesetzt worden wäre.
Überwindung der digitalen Kluft
Der anhaltende Digitalisierungsboom hat jedoch auch weiterreichende Auswirkungen im sozialen Bereich. Da digitale Medien, Apps und Kommunikation immer komplexer und anspruchsvoller werden, werden die Menschen auch über teurere und fortschrittlichere Hardware verfügen müssen, um Zugang zu diesen Services zu haben. Die Coronavirus-Pandemie hat bereits das wachsende Problem der „digitalen Armut“ und der sogenannten „digitalen Kluft“ selbst innerhalb der wohlhabenden Nationen im Globalen Norden aufgezeigt – die Ungleichheit, die innerhalb der Gesellschaft besteht, wenn es darum geht, wer sich den Zugang zu digitalen Diensten leisten kann. Laut einer Studie der Universität Cambridge in Großbritannien haben beispielsweise nur 51 Prozent der Haushalte mit einem Jahreseinkommen von 6.000 bis 10.000 GBP einen Internetzugang, verglichen mit 99 Prozent der Haushalte, die mehr als 40.000 GBP verdienen. Darüber hinaus erfordern bestimmte Apps oder Tools, die den Alltag komfortabler machen, oft Software-Updates, die auf älteren oder günstigeren Gerätemodellen nicht verfügbar sind.
Obwohl die Verlagerung der Infrastruktur ins Internet also erhebliche Vorteile mit sich bringt, müssen sich Regierungen, private Tech-Unternehmen und Einzelpersonen auch der sozialen und ökologischen Auswirkungen dieser Veränderung bewusst sein. Die Berechnung der Emissionen und die Sensibilisierung für das Thema sind erste Schritt, um an der Reduzierung unseres digitalen Fußabdrucks zu arbeiten.
Welche Online-Aktivitäten sind am energiehungrigsten? Und wie wirkt sich der Plattform-Kapitalismus auf die Kohlenstoff-Emissionen aus? In diesem Artikel erfährst du mehr über unseren digitalen Fußabdruck.
Dieser Artikel ist eine Übersetzung von Sarah-Indra Jungblut und erschien im Original zuerst auf unserer englischsprachigen Seite.