Welche Lösungen sind wirklich wirksam im Kampf gegen den Klimawandel?

Ein Simulationswerkzeug ermöglicht es, mithilfe wissenschaftlicher Daten und Vorhersagemodelle Klimaschutzmaßnahmen auf ihre Wirksamkeit hin zu testen – und schafft so eine solide Grundlage für dringliche politische Entscheidungen.

Autor Katie Cashman:

Übersetzung Katie Cashman, 03.08.20

Das Pariser Abkommen von 2015, welches aktuell von 195 Staaten ratifiziert ist, sieht vor, die globale Erwärmung auf deutlich unter 2 Grad Celsius zu begrenzen, um die Risiken des Klimawandels zu minimieren. Fünf Jahre später ist jedoch absehbar, dass dieses Ziel wohl außer Reichweite geraten wird, wenn die Treibhausgase nicht sofort und rasch reduziert werden. Die Coronavirus-Krise hat gezeigt, dass die globale Gesellschaft entschlossen handeln kann, dass grundlegende Veränderungen zum Wohle der Allgemeinheit durchsetzbar sind. Es ist zu hoffen, dass dieses entschlossene und schnelle Handeln sich auch auf die globale Klimakrise übertragen lässt – und politische Maßnahmen, die bisher nicht unmöglich schienen, nun nicht mehr ganz so undenkbar sind.

Viele umfassende Lösungsansätze werden bereits auf der ganzen Welt umgesetzt: Der Anteil erneuerbarer Energien am Energiemix wird immer größer, die E-Mobilität ist auf dem Vormarsch und mithilfe von technologischen Innovationen werden weltweit groß angelegte Wiederaufforstungsprojekte ermöglicht.

Doch welche dieser Klimaschutzmaßnahmen sind am wirksamsten? Und welche müssen jetzt vorangetrieben werden, wenn wir die entscheidenden Klimaziele erreichen wollen?

Mit dem Klimasimulationswerkzeug En-ROADS (was für „Energy Rapid Overview and Decision-Support Simulator“ steht) können die potenziellen Auswirkungen der verschiedenen politischen Maßnahmen zum Klimaschutz untersucht werden. Das Tool ist für die Allgemeinheit zugänglich, kann zum Beispiel von Wissenschaftler*innen ausprobiert, in Rollenspielworkshops für politische Entscheidungsträger*innen und Verhandlungsführer*innen eingesetzt und auch als Lerninstrument für neugierige Einzelpersonen, Studierende und Akademiker*innen verwendet werden.

Der Simulator umfasst 38.000 Gleichungen und basiert auf qualitativ hochwertigen Energie-, Land- und Klimadaten der letzten 100 Jahre. Er zeigt die quantitativen Auswirkungen von Lösungen für den Klimawandel in verschiedenen Bereichen wie Energieversorgung, Verkehr, Gebäude, Wirtschaftswachstum und Kohlenstoffabbau auf. Durch Auf- und Abwärtsbewegen der Schieberegler können die Benutzer*innen des Tools sehen, um wie viel Grad die globale Temperatur ansteigt, wenn der Anteil erneuerbarer Energien erhöht wird, wenn Technologien zur Kohlenstoffabscheidung eingeführt werden und wenn beispielsweise Landflächen mit Bäumen bepflanzt werden. Über die sechs wichtigsten Änderungskategorien hinaus können die Benutzer*innen auch tiefer in die Gleichungen des Simulators eintauchen, indem sie die sogenannten „Annahmen“ des En-ROADS-Tools infrage stellen, also die technischen Faktoren, die hinter den Hauptlösungen stehen. Dazu gehören Variablen wie die Klimasensitivität, die Wachstumszeit neu gepflanzter Bäume, das maximale Elektrifizierungspotenzial und andere Grenzwerte, die sich je nach politischer Ausrichtung ebenfalls ändern können.

Der Simulator macht auch deutlich, dass mit dem Business-as-usual-Szenario ein globaler Temperaturanstieg von +4,1 Grad bis zum Jahr 2100 zu erwarten wäre. Werden jedoch bestimmte Faktoren, wie die Anhebung des „Kohlenstoffpreises“ vom Status quo auf die dort angegebene Höchstgrenze geändert (eine globale Kohlenstoffsteuer von 250 US-Dollar pro Tonne Kohlendioxid), würde die Temperatur bis 2100 „nur“ um +2,9 Grad steigen. Die Maßnahme einer globalen Kohlenstoffsteuer erweist sich also als ein wirksames Instrument zur Eindämmung der globalen Erwärmung, würde aber selbst bei der im Tool angegebenen Maximalbepreisung nicht ausreichen, um die globale Erwärmung auf 2 Grad zu begrenzen. Kombiniert man jedoch einige (ambitionierte) Faktoren, dann wird deutlich, dass eine Reduzierung der Emissionen auf die im Pariser Abkommen vereinbarten Ziele – zumindest theoretisch – immer noch möglich ist.

Das En-ROADS-Tool wurde von der Denkfabrik Climate Interactive zusammen mit der Sloan Sustainability Initiative des Massachusetts Institute of Technology (MIT) und von Ventana Systems Inc. entwickelt. Die Arbeit von Climate Interactive zielt darauf ab, das Experimentieren mit verschiedenen Szenarien und Wegen zur Bewältigung der größten Herausforderungen der Welt zu lehren und zu fördern. Erreicht werden soll dieses Ziel mithilfe von Online-Tools, Workshop-Leitfäden und Spielen, die kostenlos angeboten werden und die alle durch wissenschaftlich fundierte Daten und Forschungsarbeiten untermauert sind.

Die Politikgestaltung im Bereich des Klimawandels hat eine immense Dringlichkeit – auch wenn diese nicht immer unmittelbar sichtbar ist. Wenn katastrophale zukünftige Klimaszenarien jedoch vermieden werden sollen, müssen solche Lösungen simuliert, geplant und dann Maßnahmen ergriffen werden, um sie in die Realität umzusetzen. Simulationen können dabei sehr hilfreiche Werkzeuge sein, um neue Wege zu finden oder die Wirksamkeit bestimmter Maßnahmen zu visualisieren.Wie Ellie Johnston, Leiterin der Abteilung Klima und Energie bei Climate Interactive, erklärt, verwandelt der En-ROADS-Simulator ein politisches Ratespiel in reale, bewährte Möglichkeiten zur Verbesserung des Szenarios: „Die Leute müssen nicht mehr darüber spekulieren, was funktioniert und was nicht. Sie können Szenarien durchspielen, ihre eigenen Tests erstellen und sehen, was einen Unterschied macht und was nicht.“ Der Simulator zeigt, dass wir in der Lage sind, die globale Erwärmung zu begrenzen und den Klimawandel wirksam zu bekämpfen. Aber wir müssen jetzt sofort drastische Schritte unternehmen, wenn ein CO2-armes, nachhaltiges Szenario jemals Realität werden soll.

Dieser Artikel ist eine Übersetzung von Lydia Skrabania. Das Original erschien zuerst auf unserer englischen Seite.

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