Was bedeutet es, wenn der Klimanotstand erklärt wird – und wie kann das helfen?

Was haben Schottland, Konstanz, Papst Franziskus und die Universität Exeter gemeinsam? Alle haben erklärt, dass es eine „Klimakrise“ gibt. Aber was bedeutet das für den Kampf gegen den Klimawandel?

Autor RESET :

Übersetzung RESET , 19.11.19

Laut ClimateEmergencyDeclaration.org haben 1.191 Jurisdiktionen und lokale Regierungen in 24 Ländern bisher den Klimanotstand erklärt (Stand 14. November 2019). Zwar gibt es keine einheitliche Definition des Begriffs, aber er vermittelt ein deutliches Gefühl der Dringlichkeit und des Handlungsbedarfs.

Der Guardian beschloss im Mai 2019 sogar, künftig den Begriff „Klimakrise“ („Climate Emergency“) anstelle von „Klimawandel“ zu verwenden. Die Begründung: „Klimawandel“ klinge eher passiv und sanft, wohingegen das, worüber Wissenschaftler*innen sprechen, eine Katastrophe für die Menschheit ist.

Viele Orte weltweit, die den Klimanotstand ausgerufen haben, spüren die Auswirkungen des Klimawandels bereits sehr deutlich: verstärkte Stürme, höhere Temperaturen, Dürren und Naturkatastrophen. Noch haben wir ein Zeitfenster, in dem wir unsere CO2-Emissionen reduzieren und die Zukunft schützen können. Doch wenn wir dies noch länger hinauszögern, dann haben wir schlicht keine Zeit mehr.

Im Jahresbericht 2018 des Weltklimarats wurden Geschwindigkeit und Ausmaß der Bedrohung durch die globale Erwärmung klar dargelegt: Wir haben nur 11 Jahre Zeit, um irreversible Schäden durch den Klimawandel zu verhindern; doch derzeit ist die Welt nicht auf dem richtigen Weg, die Erwärmung auf die notwendigen 1,5 Grad zu begrenzen. Es gibt sogar einen wachsenden Konsens, dass wir noch weniger Zeit haben und dass bereits bis Ende 2020 irreversible Schäden auftreten könnten. Auf jeden Fall muss „2019 das Jahr des Klimawandels auf allen Ebenen“ sein. Die Begrenzung der globalen Erwärmung auf 1,5 Grad Celsius erfordert sofortige und drastische Maßnahmen. Und im Moment tun wir nicht genug.

Dass ein ganzes Land oder eine ganze Stadt eine Klimakrise erklärt, das macht diese Dringlichkeit deutlich und schafft die Voraussetzungen dafür, dass auch andere Orte es gleichtun. Und es zeigt, dass die Zivilgesellschaft den Gesetzgeber dazu bringen kann, seine Maßnahmen gegen den Klimawandel zu verstärken.

Die Erklärung eines Klimanotstands bietet zudem eine geeignete Plattform, um radikal neue Klimaziele anzukündigen. Als Hoboken, New Jersey, als erste Stadt der USA bereits 2017 einen Klimanotstand verkündete, unterstützte die Stadt auch offiziell eine flächendeckende Kampagne, um bis 2027 Klimaneutralität zu erreichen und Maßnahmen zur Reduzierung und Vermeidung von Treibhausgasemissionen zu ergreifen. Und als Abgeordnete im Vereinigten Königreich den Klimanotstand erklärten, forderten sie auch die Regierung des Landes auf, Maßnahmen zur Veränderung zu ergreifen, einschließlich der Festlegung des neuen Ziels, bis 2050 die Netto-Emissionen auf null zu senken. Als Sydney der Bewegung beitrat, kündigte der Gesetzgeber an, eine CO2-Steuer erheben zu wollen und Arbeitnehmenden, die derzeit in der fossilen Kraftstoffindustrie beschäftigt sind, zu helfen, erfolgreich den Übergang zu nachhaltigen Arbeitsplätzen zu schaffen.

Konkrete Pläne, keine leeren Worte

Die Erklärung eines Notstandes wegen des Klimawandels ist insofern sehr hilfreich, um das Bewusstsein derjenigen, die die Macht haben, die notwendigen Veränderungen vorzunehmen, zu schärfen und der derzeitigen Umweltsituation Dringlichkeit zu verleihen. Aber sie wird nur dann echte Auswirkungen haben, wenn konkrete Pläne auf den Weg gebracht werden. Es sollten keine leeren Worte ohne konkrete Taten sein. Die Erklärung eines Klimanotstandes ist also nutzlos, wenn dann weiterhin Richtlinien umgesetzt werden, die die Nutzung fossiler Brennstoffe aufrechterhalten.

Obwohl das Vereinigte Königreich offiziell eine Klima-Notstandserklärung abgegeben hat, unterstützt das Land die Kohle-, Öl- und Gasindustrie weiterhin mit Milliardenbeträgen. Und Frankreich, das ebenfalls einen Klimanotstand erklärt und ein Gesetz verabschiedet hat, das darauf abzielt, dass das Land bis 2050 klimaneutral sein soll, wendet jedes Jahr Milliarden für Subventionen für fossile Brennstoffe auf.

Die Erklärung eines Klimanotstands ist ein Schritt, der die Dringlichkeit unterstreicht, mit der wir das Problem unseres Planeten angehen müssen. Der Klimawandel betrifft uns alle und sollte im Mittelpunkt aller politischen und planerischen Entscheidungen stehen. Wir müssen jetzt konkrete Maßnahmen ergreifen.

Das Ausmaß des Wandels, das für einen erfolgreichen Übergang zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft erforderlich ist, ist dabei beispiellos. Die Emissionen müssen bis etwa zur Mitte des Jahrhunderts auf netto null sinken. Weltweit sind Regierungen gefordert, Wege zu finden, dass dieser Übergang funktioniert. Es ist dringend und wichtig, das Thema im Mittelpunkt der politischen Agenda und in den Köpfen der Menschen zu verankern, indem man sicherstellt, dass der Ton der Debatte stimmt. Dies könnte entscheidend sein.

Was kannst du selbst sofort gegen den Klimawandel tun? Wir haben hier eine Liste mit konkreten Tipps zusammengestellt.

Dieser Artikel ist eine Übersetzung von Lydia Skrabania. Das Original wurde zuerst auf unserer englischen Seite veröffentlicht.

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