Von Vollblut-Aktivisten und Sofaklickern

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Quelle: fuldesign.se

Während das Internet für die meisten Menschen vor allem der Information, dem Konsum und der Kommunikation miteinander dient, eröffnet es gleichzeitig neue Taktiken für Aktivisten - und viele Möglichkeiten des Pseudo-Engagements.

Autor*in Sarah-Indra Jungblut, 02.05.12

Während das Internet für die meisten Menschen vor allem der Information, dem Konsum und der Kommunikation miteinander dient, eröffnet es gleichzeitig neue Taktiken für Aktivisten – und viele Möglichkeiten des Pseudo-Engagements.

Die neuen Medien und Services sind zu Kanälen geworden, die denen eine Stimme geben, die eigentlich keine Plattform haben – weil Zeitung und Fernsehen zu teuer sind und der Zugang politisch und sozial beschränkt ist. Die globale Zivilgesellschaft nutzt digitale Technologien als einen neuen sensorischen Apparat, mit dem Krisen weltweit aufgespürt und publik gemacht werden können – und sich anschließend Einzelpersonen und Netzwerke aus NGOs und NPOs zu Interventionen und Aktionen mobilisieren lassen.

 

Beispiele dafür gibt es viele. Wie den arabischen Frühling: Blogs und Foren befeuerten die Umbrüche in der arabischen Welt, die neuen Medien wurden zum Mittel der Selbstermächtigung.  Oder in Russland. Neue Tools und Technologien verwandeln sich dort in wirkungsvolle Waffen der Opposition.

Dennoch: Die Revolution findet auf der Straße statt und nicht in irgendeinem virtuellen Raum. Dort verkünden die Unzufriedenen lautstark und unübersehbar ihren Unwillen.

Das Engagement der Sofaklicker oder „One-Click-Aktivisten“ dagegen erschöpft sich – wie der Name schon impliziert – in einer Tipp-Bewegung des Fingers. Hier eine Aktion „geliked“, dort einen Punkt oder „Drop“ oder was auch immer für eine gute Tat gesammelt: jemanden angelächelt, Blumen gepflanzt oder den Kaugummi korrekt entsorgt. Ein Drop ist die „Währung“ auf Doonited, einer Internetplattform für die tägliche gute Tat. Ähnlich funktioniert auch Action Tracker: Auf der Seite werden viele kleine Aktionen vorgeschlagen, unter „Include everyone“ finden sich etwa Tipps wie „Learn to be friendly in another language“ oder „Remember Peoples Names´“. Was so weltverbessernd daherkommt sind allerdings kaum mehr als nette Gesten, die eher selbstverständlich sein sollten. Dabei sollte mit dieser Art des Nebenbei-Haltung-Zeigens nicht schon aller Aktivismus erschöpft sein.

Es geht nicht darum, solche Mini-Aktionen grundsätzlich schlecht zu reden. Sondern um die Verwechslung des Pseudo-Aktivismus mit wirklichem Engagement. Wenn es bei den kleinen Gesten anfängt und dann auch weitergeht – sehr gut. Wenn damit aber schon alles getan ist, dann war´s mal wieder nichts mit dem digitalem Aktivismus. Das kann und soll körperlich werden und in Fleisch und Blut übergehen, um tatsächlich etwas zu bewirken. Womit dann doch wieder die alles entscheidende Frage gestellt werden muss: Wie kommen wir von der Information zur Aktion? Und: Wie können Online-Kampagnen aussehen, die auch offline mobilisieren?

 

MARKIERT MIT
Digitaler Aktivismus

Handys, Blogs und Social Networks: wie Aktivisten heute digitale Technologien nutzen, um für sozialen Fortschritt zu streiten, zeigen konkrete Beispiele aus der ganzen Welt - von ägyptischen Bloggern über Videoaktivisten in Syrien bis zum kenianischen Handyprojekt Ushahidi.