So war es beim 4. Heldenmarkt in Berlin

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Drachenbrot, die Biobrotmarke.

Am Wochenende fand der 4. Heldenmarkt in Berlin statt. 147 Aussteller präsentierten ihre nachhaltigen Produkte auf 3.000 Quadratmetern, erstmals auf zwei Etagen. Dazu gab es ein Programm mit verschiedenen Vorträgen und Workshops, zu Themen wie Social Entrepreneurship, Lebensmittelspekulation, Fairtradeproduktion, ökologischen Reisen oder Zertifizierungsstandards. Daniel Hires mischte sich für RESET unter das Publikum und berichtet von seinen Eindrücken.

Autor*in RESET , 22.11.11

Nachhaltige Konsumhelden

Der Heldenmarkt ist eine Publikumsmesse, bei der nachhaltiger Konsum im Mittelpunkt steht: Firmen stellen sich und ihre Produkte und Dienstleistungen vor und erklären nicht nur, warum sie nachhaltig sind, sondern auch welchen Mehrwert sie bieten. Die Besucher können viel von den Anbietern direkt lernen und die Produkte direkt vor Ort testen und bei Gefallen auch kaufen.

Vom ersten Heldenmarkt war ich noch nicht sehr überzeugt, da ich den Eindruck hatte, dass er nicht dem traditionellen Bild von Ökoprodukten entspräche. Schließlich gab es schon viele Produkte, die biologisch und oder nach dem Fair Trade-Prinzip hergestellt wurden, aber keineswegs dem „unmodischen“ Ökoklischee entsprechen. Leider gab es im ersten Jahr noch einen spürbar hohen Anteil von Anbietern, die nicht ganz meiner Vorstellung von nachhaltigen Konsum entsprechen, der auch massentauglich ist. Dennoch fand ich die Veranstaltung durchaus sympathisch, auch wenn es nach der ersten Veranstaltung noch „Raum für Verbesserungen“ gab.

Obwohl ich selbst versuche, bewusst zu konsumieren, und Produkte bevorzuge, in denen keine Kinderarbeit oder Unmengen an CO2- oder ein enormer Wasserverbrauch steckt, weiß ich auch, dass wir uns aus den gegenwärtigen Umwelt- und Sozialproblemen nicht einfach ‚herauskonsumieren’ werden. Dennoch finde ich eine kritische Auseinandersetzung mit dem eigenen Konsum richtig und freue mich über die Bestrebungen vieler kleiner und mittelständiger Unternehmer, nachhaltiger zu produzieren.

Wieder etwas gelernt

So fand ich mich Samstag auf dem 4. Heldenmarkt, diesmal mit 50 Ausstellern mehr als im Vorjahr und auf zwei Etagen. Laut Veranstalter waren an den beiden Tagen 6.000 Menschen gekommen um sich ein Bild von nachhaltigem Konsum zu machen.

Ich besuchte als erstes eine Veranstaltung über fair gehandelte Fußbälle. Dort lernte ich, dass Fussbälle handgenäht werden, aus 20 sechseckigen und 12 fünfeckigen Stücken. Eine gute Näherin schafft einen Ball in eineinhalb Stunden, normalerweise dauert es bis zu drei Stunden, um  einen Ball fertigzustellen. Das besondere an den Fair Trade-Fußballherstellern ist aber nicht nur, dass die Arbeiter ca. 25-30% höhere Löhne erhalten und dort keine Kinder arbeiten, sondern dass vor allem die Arbeitsbedingungen verbessert werden, z.B. mit Schulen und Kinderbetreuung, medizinischer Fürsorge oder Mikrokreditprogrammen für Existenzgründer. Manchmal frage ich mich, wie es sein kann, dass so etwas nicht der Standard ist.

Ich durfte dann noch selbst testen wie es ist, ein paar Stiche an den mitgebrachten Fußballeinzelteilen nähen. Um den ganzen Ball zusammenzunähen fehlte mir aber nicht nur die Zeit, sondern auch das Know-How: Die letzte Naht kann nur von wenigen besonders talentierten Nähern vollzogen werden, da man ja dabei den Ball schließt und nicht mehr ‚von innen’ am Ball arbeitet. So beließ ich es bei ein paar Nähten und schaute mich weiter auf dem Markt um.

Die Ausstellerstände: nachhaltiges Design, Mode, und Kunst

Ich besuchte ein paar Stände von verschiedenen Anbietern. Interessant fand ich den Dopper, eine neue Trinkflasche die in schickem Design aus Holland kommt, wo sie sich anscheinend großer Beliebtheit erfreut. Ich hatte die Flasche schon einmal bei einer holländischen Freundin gesehen, wusste aber nicht viel darüber. Sie ist so gemacht, dass sich Leitungswasser einfach einfüllen lässt und der Deckel gleich auch als Becher funktioniert. Dazu ist es noch aus größtenteils recyceltem Kunststoff und ohne Weichmacher gefertigt. Mit dem Kauf wird auch die Wasserinitiative Viva Con Agua unterstützt, dazu soll es noch einen App geben, die anzeigt, wo man den Dopper gratis aufgefüllt bekommt. Sie sieht auf jeden Fall schick aus und ist ein Beitrag, Plastikmüll aus Wasserflaschen zu reduzieren.

Schick ging es auch weiter, denn die Fashionshow stand an. Auf dem Markt gab es zahlreiche Anbieter von Fairtrade-Klamotten, die teilweise auch aus Biobaumwolle oder recycelten Materialien gefertigt waren, und ein paar davon präsentierten sich in einer kleinen Modeshow auf der Bühne. Die präsentierten Stücke sahen wie die meisten in diesem Jahr auf dem Markt auch überhaupt nicht nach „öko“ aus! Einzig für Männer müssen im nächsten Jahr noch ein paar mehr Optionen auf die Bühne! Rund um die Bühne gab es auch ein Café in dem der Chef des Radialsystems frisch zubereitete, saisonalen Speisen anbot. Dazu gab es Getränke von Lemonaid und Charitea, sowie Viva Con Agua Wasser, mit echten Strohhalmen aus Stroh.

Toll war auch der Stand des kolumbianischen Künstlers Daniel Carrion, der Kopf hinter „elReinventor“. Er entwickelt künstlerisch Wertvolles aus gebrauchten Materialien – betreibt also nicht nur Recycling sondern Upcycling. Er entwickelt hübsche Sitze aus Metallfässern, tolle Lampen aus Blasinstrumenten oder einem alten Akkordeon – und vielleicht mein persönliches Highlight des Tages: Eine Halskette mit einer kleinen Öse, durch die eine weitere kleine Kette läuft und an deren Enden jeweils ein Herz und ein Hirn hängt. Dabei ist das Herz ein klein wenig schwerer und zieht ganz langsam beim Tragen das Hirn nach oben.

Innen nachhaltig, außen hübsch verpackt: nachhaltige Lebensmittel

Bevor wir uns auf den Weg in die untere Etage machten, verkosteten wir noch die Weine des Weinguts Grünewald & Schnell, die Ihren Betrieb nachhaltig gestalten. Das fängt bei der Produktion der Trauben an, geht über Solarthermie- und Energieeffizienzmaßnahmen sowie von einer Behindertenwerkstatt bezogene Holzkisten, und reicht bis zum CO2-optimierten Versand. Besonders vorbildlich ist, dass es eine Nachhaltigkeitsberichterstattung gibt, die mit externen Partnern erstellt werden. Dabei arbeiten sie mit Christian Hiß, Gründer der Regionalwert AG zusammen, Ashoka Fellow und vom Rat für Nachhaltige Entwicklung ausgezeichneter „Social Entrepreneur der Nachhaltigkeit“. Der Stand machte dabei überhaupt keinen Eindruck, dass dies Ökoweine sind, sondern war einfach nur geschmackvoll eingerichtet.

In der unteren Etage versammelten sich die Lebensmittelanbieter, die in diesem Jahr sehr zahlreich präsent waren. An jedem Stand gab es Kostproben und so konnte man sich durchschlemmen! Schön war, dass viele kleinere Hersteller ihren Weg dorthin fanden. In dem Wissen, dass das Geld direkt an die Verantwortlichen geht, konnte man guten Gewissens hier und da ein paar leckere Dinge kaufen, vor allem nachdem man schon so großzügig Kostproben angeboten bekam.

Besonders rührend fand ich die Geschichte hinter dem im Oktober frisch gegründeten feinschlicht. Unter diesem Namen bietet der gelernte Koch Falko Schumann Frucht- und Gemüseaufstriche, Chutneys und Saucen an. Diese sind nicht nur innovativ kreiert, aus Bio- und Fair Trade Zutaten hergestellt und in schönem Design verpackt, sondern auch sagenhaft lecker und vielschichtig im Geschmack. Das sympathische daran ist außer dem selbst nach der fünften Kostprobe freundlichen Auftreten des Kochs, dass der Stand samt Waren mit einem (lokal hergestelltem) Lastenfahrrad transportiert wird, wenn die Produkte auf diesem und anderen Wochenmärkten verkauft werden. Feinschlicht sucht übrigens aktuell nach einer Produktionsküche, da die Untermiete in einer Küche im Wedding bald ausläuft, vielleicht kann ja ein Leser helfen.

Gut fand ich auch den Ansatz des „Klosterdorfer Drachenbrots“ – als ich fragte, was das denn genau sei, erfuhr ich, dass es ein Holzkohlebrot aus biologischen Zutaten ist. Mit dem markanten Namen wurde jedoch eine Marke geschaffen, die leichter kommunizierbar ist. Dies finde ich sehr klug, denn statt einer umständlichen Beschreibung können auch erfreute Kunden dies einfacher weiterkommunizieren und es hat definitiv Wiedererkennungscharakter. Da hat jemand ein gutes Verständnis von Markenkommunikation bewiesen.

Der Ausstellermix macht’s

Alles in allem fand ich den 4. Heldenmarkt eine äußerst gelungene Veranstaltung, nicht zuletzt wegen dem überzeugenden Ausstellerkonzept. Die untere Etage mit den Nahrungsmitteln erinnerte fast schon an die Essensetagen größerer Kaufhäuser und die Atmosphäre was sehr einladend. Ich hoffe, es hat sich auch für die Aussteller gelohnt. Dafür spricht jedenfalls, dass ich viele Menschen beobachten konnte, die dort etwas für dich selbst kauften oder vielleicht auch schon ein paar nachhaltige Weihnachtsgeschenke mitnahmen. Schön fand ich auch das inhaltliche Rahmenprogramm, das natürlich keine Fachkonferenz war, aber den Besuchern eine Möglichkeit gibt, nicht nur zu konsumieren, sondern auch zu wohl informiert zu reflektieren und zu partizipieren.

Der Heldenmarkt findet dieses Jahr auch vom 3.-4. Dezember in Stuttgart statt. Sollte es dort ähnlich dem Berliner Markt werden, dann ist das eine rundum empfehlenswerte Veranstaltung.

Torge Peters
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