Seawater Greenhouse: Eine Wüste voller Pflanzen

Große Gewächshäuser, in denen Pflanzen mit entsalztem Meerwasser bewässert werden. Dazu Solaranlagen, die sauberen Strom erzeugen und zusätzliche Trinkwasserherstellung - das klingt wie ein Traum.

Autor*in Simon Dupree, 13.10.16

Eine Gruppe Wissenschaftler aus England lässt diese Art der Energie- und Landgewinnung Wirklichkeit werden. Das Projekt Seawater Greenhouse soll die Wüste zu einem ertragreichen Garten machen und dazu noch Strom und Süßwasser liefern. 

Meerwasserentsalzung ist nichts Neues. In den meisten Fällen ist der Energieverbrauch von Entsalzungsverfahren, wie z.B. Umkehrosmose (ein Membranverfahren, das mit der Hilfe von Hochdruckpumpen arbeitet), enorm hoch. Deshalb waren konventionelle Entsalzungsanlangen innerhalb landwirtschaftlicher Produktion in trockenen Gebieten bisher nicht auf dem Vormarsch. 

Das Seawater Greenhouse ist in der Lage, allein mit Meerwasser und Sonnenenergie landwirtschaftliche Pflanzen effektiv zu bewässern, Trinkwasser zu produzieren, Salz und Nährstoffe aus dem Meerwasser zu extrahieren und sich dabei noch selbst mit genügend Energie zu versorgen. Dieses Konzept könnte großes Potenzial besitzen und in trockenen Gebieten, die durch den Klimawandel oftmals noch größere Schwierigkeiten bekommen werden, als echter Gamechanger eingesetzt werden.

 

© Seawater GreenhoWie funktioniert das Seawater Greenhouse?

Das Prinzip basiert auf folgendem Fakt: Im Normalfall wachsen Pflanzen schneller unter zunehmender Sonneneinstrahlung, jedoch langsamer unter zunehmender Hitze. Um optimale Wachstumsbedingungen zu erzeugen, sollte das Klima im Inneren des Gewächshauses möglichst feucht und nicht zu heiß sein. Doch wie schafft man das in einer Wüste ohne großen Energieaufwand?

Indem man den Verdunstungsprozess von Meerwasser mithilfe von Solarenergie anwendet (erhitzen!) und luftdurchlässige Wände baut. Das Material des Gewächshauses lässt durch eine schwammartige Baustruktur den reichlich vorhandenen Wüstenwind durchblasen. Dieser kühlt den nun salzfreien Wasserdampf im Inneren der Anlage ab. Der Effekt: Die Temperatur sinkt und die Luftfeuchtigkeit steigt. 

Beim Seawater Greenhouse wird der natürliche Wasserkreislauf sozusagen in Miniaturformat nachgebaut und die Funktionsweise üblicher Treibhäuser umgekehrt. Es erlaubt durch Kühlung den Anbau von Gemüse und Obst in Regionen, in denen normalerweise nichts gedeiht. Zudem gewinnt man über die Verdunstung Süßwasser.

Der einzige Energieaufwand wird benötigt, um das Salzwasser zu der Verdunstungsanlage zu pumpen und es darüber unter Druck zu versprühen. Die Pumpen können ohne Probleme mit Hilfe der Solarzellen betrieben werden. 

Das Beste daran: Da die Wände luftdurchlässig sind, bläst der Wind nicht nur hinein, sondern auch wieder hinaus. Kalte, feuchte Luft wird also auch in umliegende Bereiche verteilt und hat eine Art Oaseneffekt. Dieser kann für die weitere Produktion verwendet werden. Als Nebeneffekt wird so viel sauberes Wasser erzeugt, dass sogar eine Trinkwasserleitung installiert werden kann, um die Betreiber der Anlage mit sauberem Wasser zu versorgen. Da Meerwasser zudem voller Nährstoffe und Salz ist, können durch den Verdunstungsprozess noch weitere wertvolle Produkte, wie z.B. Speisesalz, gewonnen werden.

Wo sind Seawater-Gewächshäuser sinnvoll?

Letztlich in allen wasserarmen Regionen! Das Seawater Greenhouse gibt es aber in verschiedenen Varianten: In Südaustralien gibt es neuerdings eine Anlage, die mit solarbetriebener Entsalzungstechnologie jährlich 450.000 Kubikmeter sauberes Wasser produziert und dabei 15.000 Tonnen Tomaten auf 20 Hektar produzieren kann. Hierzu wurde ein 51.500 Quadratmeter großes Solarfeld und ein 127 Meter hoher Solarturm errichtet. Insgesamt werden 300 Arbeiter beschäftigt.

Jedoch sind vor allem jene Projekte interessant, die auch in finanziell schwächeren Regionen funktionieren könnten. So werden derzeit z.B. Selbstversorgergewächshäuser mit Solar-Entsalzungsanlage für Kleinbauern in Somalia von Seawater Greenhouse geplant. Dortige Landwirte besitzen meist nur eine ein Hektar-große landwirtschaftliche Fläche. Hier könnten die Seawater-Gewächshäuser so konzipiert werden, dass sie nur etwa ein Fünftel der Fläche einnehmen. 

In Somalia sind etwa 85 Prozent der Bevölkerung in der Landwirtschaft oder Viehzucht tätig. Durch die nachteiligen klimatischen Bedingungen und fehlendes Süßwasser müssen jedoch 40 Prozent aller Nahrungsmittel importiert werden. 

Seawater-Greenhouses haben das Potential, durch den oben beschriebenen Oaseneffekt zudem auch die Nutzflächen im Umkreis positiv zu beeinflussen. Hierdurch könnten durch traditionelle Landwirtschaft Obstgärten und Gemüsebeete angelegt werden und Futter für Schafe und Ziegen gepflanzt werden.

Laut dem Briten Charlie Paton, dem Erfinder des Konzepts, sind die Solargewächshäuser relativ leicht zu betreiben und zu erhalten. 

Vielleicht wären Seawater-Greenhouses ein weiterer Schritt zu mehr Unabhängigkeit benachteiligter Regionen. Unabhängigkeit von fehlendem Wasser, dem Gold des 21. Jahrhunderts, und von der gemeinsamen Agrarpolitik westlicher Nationen, die häufig auf die Kosten armer Länder geht.

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