Rio+20 – Der Gipfel und sein Gegengipfel

Morgen geht er los, der Klimagipfel Rio+20. Genau 2 Dekaden nach dem Meilenstein Rio soll mal wieder über die Zukunft der Erde verhandelt werden. Doch genauso wenig, wie sich in den letzten 20 Jahren außer vieler Worte wenig verändert hat, genauso wenig rechnet irgendjemand mit konkreten Ergebnissen oder gar Taten.

Autor*in Sarah-Indra Jungblut, 19.06.12

Morgen geht er los, der Klimagipfel Rio+20. Genau 2 Dekaden nach dem Meilenstein Rio soll mal wieder über die Zukunft der Erde verhandelt werden. Doch genauso wenig, wie sich in den letzten 20 Jahren außer vieler Worte wenig verändert hat, genauso wenig rechnet irgendjemand mit konkreten Ergebnissen oder gar Taten. Wirklich spannend ist es dann auch eher nebenan – im Flamengopark, auf dem Peoples Summit – und vielleicht auch im Nebenprogramm der Konferenz.

Barbara Unmäßig fasst die aktuelle Situation vor dem Klimagipfel sehr treffend zusammen:

„Für die internationale Umweltpolitik war Rio sicherlich ein Meilenstein. Aber ich möchte Rio 92 nicht als nostalgischen Referenzrahmen betrachten. Dort wurden zwar eine Klima-Rahmenkonvention, eine Biodiversitäts- und eine Wüsten-Konvention, die Agenda 21 und die Rio-Erklärung verabschiedet. Aber eine globale Trendumkehr ist damals leider nicht eingeleitet worden. Wir haben heute die höchsten CO2-Emissionen, die es je gegeben hat. Der Verlust der biologischen Vielfalt schreitet weiter voran. In Rio wurde eine Definition von nachhaltiger Entwicklung definiert, nach der die soziale und ökologische Dimension zusammen gedacht werden müssen. Das ist seither aber mitnichten geschehen. Was das Soziale angeht, müssen wir weiterhin zusehen, wie Milliarden Menschen in Armut leben. Und die, die unmittelbar von den Ressourcen leben, also vom Wald, von den Fischen, von den Ökosystemen werden vertrieben und verdrängt. Also weder in der sozialen noch in der ökologischen Dimension ist die Welt heute besser. Im Gegenteil, alle Umweltdaten sind schlechter denn je. Rio 92 hat zwar ein Nachdenken eingeleitet, aber dem sind keine Taten gefolgt.“  (Quelle: Böll-Stiftung)

Natürlich ist die Rettung der Welt in 3 Tagen kaum möglich – Anbetracht der strukturell tief verankerten Umweltprobleme, der sozialen Missstände und dem Durcheinander an Interessen, die bei den Klimakonferenzen aufeinandertreffen. Nichtsdestotrotz könnte ein Ziel alle Beteiligten einen und sie veranlassen, gemeinsam über vielfältige Schatten zu springen:  bessere Zukunftschancen für alle. Hoffnung besteht darauf kaum.

Der Gegengipfel auf geschichtsträchtigem Boden

Doch wenn nicht von höchster politischer Ebene, wo sollen dann die Ideen herkommen, wo ist der Hoffnungsschimmer am Horizont einer globalen Misere? Vielleicht ja hier, in „Aterro do Flamengo“. Am damaligen Ort des Erdgipfels von Rio 1092 kommen viele Menschen aus allen Ecken und Enden der Welt zusammen, um sich Gedanken zu einer wirkliche Transformation der Gesellschaft und einer Politik hin zu einer besseren Welt zu machen. Bis zu 50.000 Aktivistinnen und Aktivisten von sozialen Bewegungen, Umwelt- und Menschenrechts-Gruppen werden zum „Gipfel der Völker“ erwartet.

Auch der Evangelische Entwicklungsdienst (EED) und das katholische Hilfswerk Misereor betonen die Bedeutung des „Peoples Summit“: „Für uns ist der große Zulauf des Parallelgipfels ein klares Misstrauensvotum der Vertreterinnen und Vertretern der Zivilgesellschaft gegen den Gipfel der Staats- und Regierungschefs. Sie trauen den Staatsregierungen schlichtweg nicht zu, die drückenden Probleme beim Thema Umwelt und Entwicklung ehrlich und lösungsorientiert anzugehen“, so Jürgen Reichel, der in Rio den Evangelischen Entwicklungsdienst (EED) und die Dachorganisation der deutschen Entwicklungshilfe-Organisationen (VENRO) vertritt.

Sehr bezweifelt wird hier, dass die Worthülse „Grüne Wirtschaft“ , der der Gipfel gewidmet ist, wirklich Abhilfe schafft. Der Peoples‘ Summit sieht sich vor allem in der Rolle, den verengten Blickwinkel der Green Economy aufzubrechen, eigene Vorschläge und Ansätze zu Nachhaltiger Entwicklung nach vorne zu bringen – und vor allem viel Raum für eine tatsächlichen Austausch und Diskussionen zu geben. Dazu werden zwischen dem 15. und dem 23. Juni in verschiedenen Themen-Zelten (Hunger, Nachhaltige Entwicklung, Fleischkonsum, Landwirtschaft etc.) mehr als 500 Workshops und Podiumsdiskussionen stattfinden.

«Es soll ein Schrei werden gegen das Konzept der „Green Economy“ und die Kommerzialisierung der Natur und des Lebens», formulierte Sandra Quintela, eine der Organisatorinnen, die Grundrichtung.

Mehr zum Peoples Summit erfährst Du hier: Cupula Dos povos

Auf dem Peoples Summit werden nicht die Interessen einiger weniger vertreten, wie auch Barbara Unmüßig betont: „Ich spüre überall auf der Welt großes Unbehagen gegenüber diesen Entwicklungen und dem Raubtierkapitalismus, mit dem wir es zu tun haben. Es wird überall neu nachgedacht über andere Wirtschaftsmodelle, die die Grundbedarf-Versorgung ohne Raubbau an der Natur ermöglichen.“

Flickr, http://www.flickr.com/photos/foradoeixo/7161260303/, (CC BY-SA 2.0)

40 km – Eine Reise in eine andere Welt

Leider liegen zwischen dem Gipfel und seinem Counterpart Welten. Während im Riocentro die Staatschefs bei Klimaanlagen vor allem viel verhandeln und wenig verändern werden, wird im Flamengo-Park auf dem „Gipfel der Völker“ unter schattigen Bäumen diskutiert. Das geschätzte Durchschnittsalter beider Gipfel liegt zwanzig Jahre auseinander. Berührungspunkte gibt es leider kaum – allerhöchstens über das Nebenprogramm der Konferenz. Hier haben NGOs und Vertreter der Länder die Möglichkeit, Ideen und Projekte für eine nachhaltige Entwicklung vorzustellen. Wenn schon kaum ein Regierungschef die einstündige Reise zum Gegengipfel antritt, so ist zu hoffen, dass sich der ein oder andere zu einem spannenden Panel im Nebenprogramm verirrt.

Das Programm kannst Du hier einsehen: UNCSD 2012 Sidevents

Power to the people!

Links und Artikel zum Thema

  • Themespezial der Friedrich-Ebert-Stiftung: fes-sustainability.org
  • Blog zum kurzen Besuch des Achim Steiner beim Peoples Summit: Klima der Gerechtigkeit
  • Zur Lage der Welt 2012. Nach­hal­tig zu einem Wohl­stand für alle. Rio 2012 und die Archi­tek­tur einer welt­wei­ten grü­nen Poli­tik. Hrsg.: World Watch Insti­tute, Heinrich-Böll-Stiftung, Ger­man­watch. Oekom Ver­lag
  • Offizielle Seite Rio+20: UNCSD 2012
  • Wissens-Artikel zu Klimakonferenzen: Umweltkonferenzen – Worum geht´s?
MARKIERT MIT
UN-Klimakonferenzen: Worum geht’s?

Jedes Jahr treffen sich Regierungschefs, Organisationen und Aktivisten aus Umwelt, Wirtschaft und Technik, um bei den Klimagipfeln bzw. Klimakonferenzen über die Zukunft unserer Erde zu verhandeln. Aber was ist eine Klimakonferenz genau, wer ist beteiligt und welche Reichweite haben hier getroffene Entscheidungen?