Kaffee zählt zu den beliebtesten Getränken der Welt. Rund 400 Milliarden Tassen des duftenden Wachmachers werden jedes Jahr weltweit konsumiert. Allein in Großbritannien rund 95 Millionen Tassen am Tag getrunken – das ist ein Plus von 25 Prozent in nur zehn Jahren. Diese gigantischen Mengen an Kaffee sorgen aber auch für riesige Berge von Kaffeesatz. Dieses Nebenprodukt, das nach der Zubereitung des Kaffees übrig bleibt, landet normalerweise im Müll und wird auf Deponien entsorgt. Zwei Schotten wollen das jetzt ändern: Ihr Sozialunternehmen Revive Eco arbeitet mit Partnern wie Cafés und Büros in ganz Glasgow zusammen. Deren Kaffeereste werden gesammelt und zu einer Recyclinganlage transportiert, wo daraus ein vielseitiges Öl gewonnen wird. Dieses kann u.a. im Lebensmittelbereich und in der Pharmaindustrie eingesetzt werden.
RESET sprach mit Fergus Moore, der Revive Eco 2015 zusammen mit Scott Kennedy gegründet hat, über das Projekt und die großen Pläne der beiden Gründer-.
Fergus, wie ist die Idee zu Revive Eco entstanden?
Scott und ich haben beide BWL an der University of Strathclyde in Glasgow studiert. In einem unserer Kurse bekamen wir die Aufgabe, eine Geschäftsidee zu entwickeln, die eine gewisse soziale oder ökologische Wirkung hat. Zu dieser Zeit arbeiteten wir beide im Gastgewerbe und hatten schon erlebt, dass Leute uns dort nach gebrauchtem Kaffeesatz für ihren Komposthaufen baten. Wir wussten daher, dass dieser Stoff eigentlich zu wertvoll sein muss, um ihn einfach in den Müll zu werfen, auf eine Deponie oder zur Verbrennung zu bringen. Wir begannen also zu forschen, was man mit Kaffeesatz machen könnte – und uns war schnell klar, dass wir damit auf etwas gestoßen waren.
Wie vielseitig ist Kaffeesatz denn? Was kann man damit machen?
Was wahrscheinlich jeder weiß, ist, dass Kaffeesatz eine wunderbare Ergänzung für den Kompost darstellt, da er viele Elemente und Nährstoffe enthält, die das Pflanzenwachstum fördern. Außerdem hat er einen wirklich hohen Brennwert, so dass er, wenn er pelletiert wird, eine hervorragende kohlenstoffarme Energiequelle darstellt. Wir befassen uns aber mit den Ölen, die im Kaffeesatz enthalten sind, denn dort liegt der wahre Wert! Sie sind in vielen verschiedenen Bereichen einsetzbar, wie z.B. in der Nahrungs- und Getränkeindustrie, bei Kosmetika, Pharmazeutika, Haushaltsprodukten etc.
Das Spannendste für uns ist aber, dass diese Öle alle die gleichen Komponenten wie Palmöl enthalten. Palmöl hat einen sehr schlechten Ruf, weil mit seinem Anbau Entwaldung und damit einhergehende Emissionen verbunden sind. Wir entwickeln ein Verfahren, das es uns ermöglicht, die Öle im Kaffee effizient und kostengünstig zu separieren und zu reinigen. Das bedeutet, dass wir eine nachhaltige Alternative bieten und Palmöl in den verschiedensten Produkten ersetzen können, in denen es derzeit verwendet wird.
Woran arbeitet ihr bei Revive Eco derzeit?
Aktuell konzentrieren wir uns auf die Entwicklung des Prozesses selbst. Dessen Optimierung ist entscheidend für den Erfolg von Revive und deshalb investieren wir viel Zeit und Geld in die Entwicklung. Wir hoffen, dass wir die erste kleine Verarbeitungseinheit noch in diesem Jahr in Betrieb nehmen können. Bis zum nächsten Sommer wollen wir dann eine großtechnische Anlage bauen.
Die Café-Kultur wird weltweit immer beliebter. Was kann die Branche tun, um umweltfreundlicher zu werden?
Viele Kaffeehäuser tun bereits viel, um umweltfreundlicher zu werden. Sie fördern die Verwendung von Mehrwegbechern oder zumindest die Bereitstellung von recycelbaren Bechern. Viele der Cafés, mit denen wir zusammenarbeiten, nutzen ihre Lebensmittelabfälle als Kompost in der lokalen Gemeinde. Auch die Verwendung kompostierbarer Verpackungen hat stark zugenommen – was sehr erfreulich ist, solange die Sammelsysteme sich weiterentwickeln, um sicherzustellen, dass dieses Material effektiv getrennt und recycelt wird. Die Analyse der Lieferkette kann auch dazu beitragen, dass Coffee-Shops nachhaltiger werden, vom Kaffee- über den Milchlieferanten bis hin zu dem, was mit all den Abfällen passiert. Es sind kleine Änderungen möglich, die einen großen Einfluss haben können.
Bei so viel Kaffeesatz, der jeden Tag verschwendet wird – wie wollt ihr Revive Eco skalieren?
Jedes Jahr werden allein in Schottland über 40.000 Tonnen Kaffeesatz erzeugt, so dass wir einen großen Spielraum haben, Revive zu skalieren. Der Schlüssel zu einer schnellen und effektiven Skalierung liegt in den Partnerschaften, die wir aufbauen. Für uns ist es von entscheidender Bedeutung, eng mit unserer Lieferkette zusammenzuarbeiten, vor allem mit den Kaffeeröstereien und Cafés, die den Kaffeesatz herstellen, sowie mit Ressourcenmanagement-Unternehmen, die uns den Zugang dazu ermöglichen. Wir wissen, dass es eine wachsende Nachfrage aus der Industrie gibt, mit Kaffeesatz nachhaltiger umzugehen, und sind daher zuversichtlich, dass wir sehr schnell skalieren können.
Wie reagieren Kunden und Konsumenten auf euer Konzept?
Fantastisch! Viele unserer Kunden sind zu uns gekommen, weil sie aktiv nach einer nachhaltigen Lösung wie unserer gesucht haben. Und warum sollten Cafés ihre Abfälle nicht so nachhaltig und umweltfreundlich wie möglich entsorgen wollen? Bei den Abnehmern für unsere Öle war die Reaktion ähnlich positiv. Branchen wie die Kosmetikindustrie legen definitiv Wert auf Materialien, die lokal und nachhaltig produziert werden. Und diese Anforderung können wir erfüllen. Das ist eine interessante Entwicklung, die von den Verbrauchern sehr stark vorangetrieben wurde. Es ist großartig, dass die Unternehmen zur Kenntnis nehmen, was den Verbrauchern wichtig ist.
Was kann man noch tun, um Kaffee so nachhaltig wie möglich zu genießen?
Es gibt viele kleine Dinge, die Menschen tun können, um den Kaffeekonsum nachhaltiger zu gestalten. Der Kauf und die Verwendung eines Mehrweg-Bechers zum Unterwegstrinken ist wohl das Offensichtlichste und Wirkungsvollste. Inzwischen ist allgemein bekannt, dass Einweg-Kaffeebecher eine Katastrophe sind. Eine wiederverwendbare Kaffeetasse ist nicht nur viel besser für die Umwelt, sondern man bekommt in vielen Cafés auch einen kleinen Rabatt auf seinen Einkauf. Wenn man gemahlenen Kaffee zu Hause trinkt, dann sollte man den Kaffeesatz nicht in den Müll werfen, sondern ihn für den Garten oder den Komposthaufen nutzen. Kaffeesatz ist ideal für Rosen und Tomatenpflanzen und wirkt auch als natürliches Anti-Schneckenmittel – eine Win-Win-Situation! Und natürlich kann man immer schauen, wo der Kaffee eigentlich herkommt: Ist er nachhaltig bezogen oder produziert worden? Es gibt immer mehr Cafés, die sich sehr bewusst darum bemühen, in sämtlichen Aspekten ihres Geschäfts nachhaltig zu sein. Das freut uns sehr.
Dieses Interview erschien zuerst auf unserer englischsprachigen Website. Die Übersetzung ins Deutsche stammt von Lydia Skrabania.