Die zwei Visionäre Uta Mühleis und Jan Northoff nutzen das Internet auf ganz unterschiedliche Weise, um ihre beruflichen Visionen zu verwirklichen. Dafür verzichten sie auf geregelte Arbeitszeiten und finanzielle Sicherheit
Uta Mühleis hat vor drei Jahren noch einmal von vorne begonnen. Sie suchte mehr Sinnhaftigkeit in ihrem Berufsleben, als sie die gemeinnützige Stiftungsgesellschaft „RESET – For A Better World“ gründete und dafür ihre internationale Internet- und Beratungsfirma für Mediendesign mit hundert Mitarbeitern verkaufte. Geholfen haben ihr dabei Kontakte, die sie in früheren Jobs geknüpft hat. Nach wie vor ist sie viel im Netz unterwegs – heute aber für einen guten Zweck. Auf der Internetplattform www.reset.to, die sie zusammen mit zwanzig zum Teil ehrenamtlichen Mitarbeitern betreut, können sich die Besucher zu Themen wie Umwelt, Menschenrechte und Nachhaltigkeit informieren und per Mausklick selbst aktiv werden. Kleine, ausgewählte Projekte werden mit Spenden ab fünf Euro (für Firmen ab fünfzig Euro) unterstützt. Ein Spendenbalken zeigt an, wie viel Geld noch fehlt. Die „Resetter“ wissen dabei immer genau, wofür es eingesetzt wird – sei es für einen Schulbus für „Skateistan“, eine Skate-schule in Afghanistan oder für eine Hebamme für das Klinikschiff „The lake clinic“ in Kambodscha. Im Gegensatz zu ähnlichen Modellen zweigt reset kein Geld von den Projektspenden ab, sondern finanziert sich über separate Einnahmen.
Uta Mühleis möchte ihre Mitmenschen zum Umdenken anregen, etwas bewegen, helfen. Sie spricht von Erfolgserlebnissen, wenn zum Beispiel ein Anwalt seine Kanzlei auf Ökostrom umstellt. Auch Unternehmen konnte sie überzeugen, sich für spezielle Projekte und auch für die Plattform selbst zu engagieren. Frustrierend ist der Gedanke, dass „man immer nur kleine Schritte machen kann“, in Anbetracht dessen, was es alles zu tun gibt.
Alle wichtigen Entscheidungen werden in der „Kommandozentrale“, der Küche des RESET-Büros, in Prenzlauer Berg getroffen. Über zwei Etagen erstreckt sich das verglaste, von außen unauffällige Ladenbüro. „Nicht zu trashig und nicht zu schick“ – so beschreibt sie ihren Arbeitsplatz. In der Küche wird geredet und gekocht. Für die Raucher gibt es einen Balkon. Das Miteinander ist ihr wichtig – mit vielen ihrer Kollegen ist sie privat befreundet.
„Wenn man viel Geld verdienen will, ist das hier nicht der richtige Job“, stellt die Gründerin fest. Zurück in ihr altes Berufsleben, das finanzielle Sicherheit bedeuten würde, möchte die 42-Jährige dennoch nicht. „Ich bin in einem Alter, wo ich langfristig gucke und eine Perspektive suche“, erklärt die Nachhaltigkeitsaktivistin. Und diese Perspektive sieht sie momentan vor allem in der Weiterentwicklung von RESET, das noch in diesem Jahr in Richtung China und Indien ausgebaut werden soll.
Dass Zufriedenheit und Inhalte mehr wert sind als finanzielle Absicherung, ist ein Gedanke, den auch Jan Northoff teilt. Das Geld, das er in seiner Firma „Youin3D“ durch die Organisation von virtuellen Konferenzen verdient, fließt sofort wieder zurück in die Entwicklung seiner Welt. Auch deshalb nutzt er das Büro am Oranienburger Tor zum Arbeiten und zum Leben. „Für eine eigene Wohnung würde es nicht reichen“, Northoff hat eine Vision, die ihn treibt und der er vieles unterordnet. Er ist überzeugt, dass 3D in naher Zukunft im Alltag selbstverständlich sein wird und hofft, dass irgendwann alle seine Mitarbeiter von ihrer Arbeit leben können – im Sommer in Berlin und im Winter in der kalifornischen Wüste. Selbst seine wichtigste Mitarbeiterin, die virtuelle Assistentin Maike, arbeitet momentan noch ohne Lohn. Wenn um 19 Uhr Northoffs zweite Arbeitsschicht beginnt, berichtet sie ihm, was zu tun ist, wann welches Meeting, wo welcher Event stattfindet. Um sich über Wasser zu halten, geht Maike nebenher noch einem normalen Job nach.
Es ist der Glaube an die gemeinsame Sache, der die beiden verbindet: Gesehen haben sie sich nur einmal, dennoch teilen sie so viel, dass sie einmal im Jahr virtuell heiraten. Immer am Valentinstag.
Auszug aus dem Artikel von Beate Scheder und Karolin Korthause. Den vollständigen Artikel gibt es in der Ausgabe 03, Der Wedding