RecyCoal: Kohle für gefahrloses Kochen und finanzielle Unabhängigkeit

Mit einerm Pyrolyse-System fertigt RecyCoal aus Biomasse rauchgasarme Briketts

Ein Viertel der Weltbevölkerung kocht und heizt im Inneren ihrer Häuser mit Holz oder Kohle – mit fatalen Folgen für die Gesundheit. RecyCoal will Abhilfe schaffen.

Autor*in Laura Wagener, 29.11.17

Übersetzung Laura Wagener:

Die Weltgesundheitsorganisation stellt fest: Etwa drei Milliarden Menschen kochen und heizen in ihren Wohnräumen mit offenem Feuer und nutzen dafür vor allem Biomasse, also Holz, Kuhdung oder landwirtschaftliche Resterzeugnisse, und Kohle. Etwa vier Millionen Menschen sterben jährlich an Krankheiten, die auf die Haushaltsluftverschmutzung durch das Kochen mit festen Brennstoffen zurückzuführen sind. Besonders traurig: Die Hälfte aller Todesfälle von Kindern unter fünf Jahren sind durch Lungenentzündungen wegen Feinstaub in ihrem Wohnumfeld verursacht.

Zum Vergleich: Etwa eine Million Menschen starb 2016 an den Folgen von Aids. Im Anblick dieser Zahlen fragt man sich also: Wieso habe ich von diesem Problem noch nie gehört? Und: Was können wir da tun? Aktiv werden – genau das ist das Ziel der gemeinnützigen Initiative „RecyCoal“, die Teil des Vereins Enactus Aachen ist. 

Was ist und macht „RecyCoal“?

Das Team von RecyCoal hat ein Pyrolyse-System entwickelt, mit dessen Hilfe kommunaler und landwirtschaftlicher Abfall zu einer Art Kohle verbrannt werden kann. Pyrolyse ist die Verbrennung von Stoffen unter sehr hohen Temperaturen ohne die Zuführung von Sauerstoff. So werden beispielsweise auch andere brennbare Stoffe wie Holzkohle, Teer oder brennbares Gas hergestellt. Im Anschluss an den Pyrolysevorgang wird ein Nachbrenner eingesetzt, der bei der Pyrolyse entstandene toxische Gase verbrennt. Als Produkt dieses Vorgangs entstehen Briketts, die bei der Verbrennung selbst sehr viel weniger Feinstaub absondern als beispielsweise Holz. Sie können als Rohstoff verkauft werden und tragen so zur Erhöhung des Grundeinkommens bei. Außerdem machen sie Menschen unabhängig von den Marktpreisen anderer Verbrennungsmaterialien.

Die „RecyCoal“-Kohle mindert also nicht nur die Gesundheitsbelastung vor allem für Frauen und Kinder, die sich beim Kochen und Heizen häufiger als Männer im Haus befinden. Da die spezielle Kohle Holz als Brennmaterial überflüssig macht, leistet sie auch einen direkten Beitrag zum Umwelt- und Waldschutz. Ein weiterer Pluspunkt der Briketts: Der Heizwert von RecyCoal ist deutlich höher als der von Holz, es wird also vergleichsweise weniger davon benötigt. Das kann wiederum zur Entlastung der Frauen beitragen, die in den Ländern des globalen Südens in der Regel für die Hausarbeit zuständig sind und sowohl die Brennstoffe als auch Lebensmittel für die Versorgung der Familie heranschaffen müssen.

Und was passiert jetzt?

Im Sommer 2017 haben die Gründer von RecyCoal ihr Pyrolyse-System, das grob einer regulären Feuertonne ähnelt, unter Berücksichtigung realer Umstände und Bedürfnisse in Kigali, der Hauptstadt des ostafrikanischen Ruandas, getestet und optimiert. 2018 soll das System dann vorerst als Pilotprojekt in Kigali implementiert und verbreitet werden. 

Ob sich RecyCoal langfristig durchsetzen und verbreiten kann, hängt vor allem davon ab, ob sich die RecyCoal-Briketts vor Ort gut verkaufen lassen. RecyCoal selbst arbeitet gemeinnützig und will mit seiner Technologie die Kleinbauern und -bäuerinnen bei der Hilfe zur Selbsthilfe unterstützen. Folgerichtig verkauft die Initiative die Brenner nicht selbst, sondern die Produktion der Briketts soll durch lokale Kleinbauernverbände (Farmer’s Cooperatives) erfolgen. Beginnend in Kigali werden durch die Farmer‘s Cooperative Pyrolyse-Systeme installiert und Personal zur Betreibung derselben geschult.

Laut RecyCoal amortisieren sich die Investitionskosten der Pyrolyse-Brenner bereits nach vier Monaten. Anschließend können monatlich Briketts im Wert von 27 Euro gefertigt werden, wenn der Brenner wenigstens zehn Mal befeuert wird. Ein stattlicher Nebenverdienst in Ländern wie Ruanda, in denen das monatliche Durchschnittseinkommen bei etwa 50 Euro liegt.

Mehr Informationen zum Projekt gibt dieses Video der Initiative

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