re:campaign, zweiter Tag: Von der Crisitunity zum Storytelling

© Uta Mühleis

re:campaign

Autor*in Helge Peters, 18.04.10

Eigentlich sollte der zweite Tag der re:campaign mit einer Präsentation von Duane Raymond beginnen, der für fairsay.com NGOs im eCampaigning berät. Weil wegen des Vulkanausbruchs immer noch keine Flüge gehen, musste Justin Perkins von Care2.org für Raymond einspringen. In einer Art Powerpoint-Karaoke erzählte Perkins über die Präsentation von Raymond drüber, die Erfolgsfaktoren für Online-Kampagnen klären sollte.

Im Grunde sei eCampaigning wie normales Campaigning, nur mit anderen Mitteln. Perkins erklärte das mit drei historischen Phasen: Im 19. Jahrhundert  wurden institutionelle Netzwerke wie Kirchen und Gewerkschaften mobilisiert, im 20. Jahrhundert konzentrierte sich die Mobilisierung auf die Netzwerke der Massenmedien, heute dagegen können wir über Social Media viele verschiedene persönliche Netzwerke nutzen.

Drei „Wege zum Erfolg“ gebe es:

Money. Mit Geld lässt sich Expertise und Präsenz einkaufen, man kann es ohne gute Strategie aber auch leicht verschwenden. Es hilft zwar, um Kampagnen zu gewinnen, reicht dafür aber nicht.

Luck. Oft hat man einfach Glück gehabt, wenn man einen Erfolg gelandet hat, der sich dann genau so auch nicht unbedingt wiederholen lässt. Je öfter man es versucht, desto höher die Wahrscheinlichkeit, auch mal Glück zu haben.

Strategy, expertise, hard work. Strategie, Expertise und harte Arbeit bieten die besten Voraussetzungen, um wiederholbare Erfolge zu erreichen. Damit würden sich glückliche Zufälle nutzen lassen.

Der Erfolg einer Kampagne hänge viel mehr von sinnvoller Planung ab, als von technischen Dingen. Wichtig sei, schnell auf eine „Crisitunity“, also eine Krise und/oder gute Gelegenheit reagieren zu können und dann stabile Beziehungen zu Unterstützern bereits vorweisen zu können.

Zuletzt gab er 5 Ratschläge:

1.    Nachhaltige, stabile, tiefe Beziehungen zu Unterstützern aufbauen.
2.    Die User Experience ständig feintunen, testen und verbessern.
3.    Lernen was gut funktioniert und schlechte Methoden auch wieder bleiben lassen.
4.    Eine gute Story mit Spannungsbogen über die gesamte Kampagne hinweg planen.
5.    Von Unterstützern ermöglichte Offline-Aktionen mit einplanen.

Als vorbildlicher Case wurde die Kampagne „Wake Up Humans“ von Amnesty Belgien genannt.

In der zweiten Präsentation des Tages erzählte Dr. Brigitte Reiser viele richtige und grundlegende Dinge über die Chancen von NGOs mit sozialen Medien – mein Eindruck war aber, dass man das so oder so ähnlich schon oft gehört hat. Ganz interessant fand ich ihre Feststellung, dass NGOs eigentlich alle Kompetenzen für eine gute Performance im Social Web aus ihrer organisationalen Eigenlogik heraus sowieso schon hätten, nämlich Dialogorientierung, Flexibilität, freiwilliges Engagement und Personenzentrierung. Schließlich forderte sie noch eine stärkere Vernetzung zwischen NGOs, die ihre Ressourcen poolen und ihr Wissen besser teilen sollten, um Herausforderungen gemeinsam zu begegnen.

Damit war die klassische Konferenz beendet und das Barcamp begann.

Ich entschied mich für einen Workshop von FutureChallenges.org, eine von der Bertelsmann Stiftung initiierte Plattform über die Interdependenzen globaler Megatrends wie Demographie, Klimawandel und Migration. Kein uninteressantes Projekt, bei dem allerdings ein bißchen unklar blieb, wie es das erklärte Ziel der Vernetzung von Experten- und Laienwissen konkret erreichen will.

Mein nächster Workshop zum Thema Storytelling wurde von Maike Gosch gestaltet, die auf sehr sympathische Art dazu anregte, ihre Erfahrungen als Drehbauchautorin und Lektorin in die Kampagnenkommunikation zu übertragen.

Wie jede gute Story brauche auch eine Kampagne eine Erzählstruktur aus Exposition, Konflikt und Lösung. Am Anfang stehe eine Frage, die nicht sofort beantwortet wird, um den Rezipienten erstmal selbst spekulieren zu lassen und damit zu involvieren. Am Beispiel von Harry Potter erklärte Gosch, wie eine emotionale Verbindung zwischen Figur und Leser konstruiert werden kann, indem eine Figur mit positiven Attributen in eine ungerechte Notlage gerät.

Kampagnenmacher sollten u.a. lernen, persönliche Geschichten zu erzählen und zu überlegen, ob sich ihr Thema vielleicht sogar in eine Art Genre einordnen lässt. Nicht immer müsse die Tonalität ernst und sachlich sein. Auch wenn NGOs oft mit ernsten Themen beschäftigt sind, sollte doch immer deutlich gemacht werden, dass ein Kampf auch gewonnen werden kann, um die Unterstützer nicht emotional zu überfordern. Hier klang schon stark das „Happy End“ durch.

Zuletzt überlegte Gosch, wie man reale Situationen in ein Spiel verwandeln könne. Eine gute Einführung in das Thema ist ein Video von Jane McGonigal, die von Maike Gosch wärmstens empfohlen wurde.

Das war´s dann auch für mich mit der ersten re:campaign. Hat Spaß gemacht und zum Denken aufgefordert. Um im Storytelling-Sprech zu bleiben: Hoffentlich gibt es nächstes Jahr eine Fortsetzung!

RESET ist Medienpartner der re:campaign 2010. Den Bericht vom ersten Konferenztag kannst du hier nachlesen.

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re:campaign, erster Tag: Taktiken und Tools für Online-Aktivisten

Heute startete mit der re:campaign die erste Konferenz in Deutschland, die sich mit Online-Campaigning für NGOs auseinandersetzt. RESET ist als Medienpartner mit dabei. Mein erster Eindruck: Das Thema war lange überfällig, die Konferenz ausverkauft. Der zweite: Vor allem die jüngere Generation von Aktivisten und Engagierten ist interessiert.