Racoon: Die digitale Recycling-Tonne trennt Abfall und verteilt Belohnungen

Racoon ist noch in der Prototyp-Phase, aber ein vielversprechener neuer Ansatz.

Rund ein Viertel der Abfälle, die in der Wertstofftonne landen, sind eigentlich nicht recycelbar. Eine neue, mit Kameras ausgestattete Mülltonne soll in der Branche aufräumen und Verbraucher*innen unterstützen.

Autor Mark Newton:

Übersetzung Mark Newton, 21.07.21

Obwohl Wertstofftonnen heute in vielen Ländern zum Alltag gehören, heißt das noch lange nicht, dass alles, was darin landet, auch tatsächlich recycelt werden kann. Aus verschiedensten Gründen landen nicht recycelbare Materialien oder die falschen Materialien in der Recyclingtonne. Diese „Verunreinigungen“ werden dann dem Recyclingstrom zugeführt, wo sie später getrennt werden müssen. Das kostet Geld, verlangsamt die Recyclingprozesse und kann mitunter sogar zu vorübergehenden Schließungen von Recyclinganlagen führen.

Die Mülltrennung in den Anlagen erfolgt mithilfe von Magneten, Filtern oder einfach von Hand und es werden viele neue Technologien entwickelt, um Recyclingsysteme weiter zu rationalisieren. Doch man kann auch an einem anderen Punkt des Prozesses anfangen – bei der Recyclingtonne.

Mit Kamera, Algorithmen und App zu höheren Recycling-Quoten

Studenten der Rice University haben den Prototyp eines Abfalleimers entwickelt, der wiederverwertbares und nicht wiederverwertbares Material trennen kann, bevor es überhaupt eingesammelt wird. Der auf den Namen Racoon getaufte Entwurf enthält eine Kamera, Algorithmen und eine App, um nicht nur das Recycling zu verbessern, sondern gleichzeitig auch die Verbraucher*innen zu informieren.

Derzeit funktioniert das System, das mit einem Raspberry Pi und Arduino betrieben wird, folgendermaßen: Die Nutzenden heben die Frontklappe an und legen den Abfall auf ein Tablett. Diese Bewegung signalisiert der Kamera, ein Bild des Mülls zu machen. Die Klappe wird dann verriegelt und die Informationen über den Abfall werden vom integrierten Klassifizierungsalgorithmus ausgewertet. Dabei identifiziert die Kamera die Art des Materials im Sortierbereich, indem sie es mit Objekten aus ihrem breiten Katalog vergleicht. Wenn das Material mit einem recycelbaren Objekt übereinstimmt, schiebt der Racoon den Abfall in die Recyclingtonne. Ist dies nicht der Fall, wird es zurückgewiesen und in die allgemeine Mülltonne verschoben.

Die Technologie, die hinter dem Racoon steckt, ist nicht ganz neu. Das Startup CleanRobotics verwendet eine ähnliche Methode in seinem Trashbot. Was das Projekt an der Rice University jedoch von anderen unterscheidet, ist das sekundäre Ziel: Feedback geben. Bevor die Nutzer*innen ihren Abfall in den Racoon geben, können sie einen QR-Code scannen, der mit ihrem Konto verknüpft ist. Wenn ihr Abfall tatsächlich recycelbar ist, erhalten sie Punkte, die in der App eingelöst werden können. Ist er es nicht, werden sie informiert und verlieren Punkte.

Das Team hofft, dass dies dazu beiträgt, eine der Ursachen für Verunreinigungen in der Recyclingkette zu reduzieren – das mangelnde Bewusstsein der Verbraucher*innen. Im Vergleich zum Trashbot, heißt es in ihrem Bericht: „Während die „Set it and forget it“-Mentalität des Geräts sicherlich bequem ist, versäumt es, ein Hauptproblem des Recycling-Wissens anzugehen, indem die Nutzer kein Feedback oder Anreize zum korrekten Recyceln erhalten und so ihre Gewohnheiten vielleicht sogar verschlimmern.“

Verunreinigungen sind tatsächlich ein großes Problem für die Recycling-Branche. Nach Angaben von Rubicon Technologies, einem Unternehmen für intelligente Abfallsoftware, ist etwa jeder vierte Recyclingartikel verunreinigt und es wird geschätzt, dass zwar 75 Prozent des Abfalls recycelbar sind, aber nur etwa 34 Prozent davon tatsächlich recycelt werden. Der Rest landet auf der Mülldeponie. Manchmal wird der Abfall auch quer durch die Welt verschifft, zum Beispiel zu Anlagen in China oder Indien, wo er unter Umständen zurückgewiesen und zurückgeschickt wird – was noch mehr unnötige CO2-Emissionen verursacht.

Schon seit einiger Zeit gibt es Anreizprogramme, um das richtige Recycling zu fördern, die vor allem auf institutioneller Ebene angesiedelt sind. Die Rice University zum Beispiel ist, wie viele andere Universitäten auch, Teil eines Recyclingprogramms, das die Institution für ordnungsgemäßes Recycling finanziell belohnt und für unsachgemäßes Recycling Geldstrafen verhängt. Systeme wie Racoon können dazu beitragen, dass auch die Menschen, die ihren Abfall entsorgen, mehr Verantwortung übernehmen.

Racoon ist für den James Dyson Award 2021 nominiert. Auch andere Innovationen im Abfallbereich gehören zu den diesjährigen Nominierten, wie zum Beispiel ein Kunststofftrenngerät, das mit Hilfe von KI arbeitet, und ein digitaler Kunststoffscanner, auf dem genau erkennbar ist, aus welcher Art von Kunststoff ein Abfallstück besteht.

Dieser Artikel ist eine Übersetzung von Sarah-Indra Jungblut und erschien im Original zuerst auf unserer englischsprachigen Seite.

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