PlugSurfing: Warum es sich trotzdem lohnt schon jetzt ein E-Auto zu fahren

Die Elektromobilität in Deutschland kommt nur schwer in die Gänge. Vor allem die Besorgnis, im Nirgendwo mit leerem Akku liegen zu bleiben, schreckt viele potenzielle Neukunden ab. Eine App namens PlugSurfing sagt dem unübersichtlichen Dickicht unterschiedlicher Ladesäulen, Stromanbieter und Abrechnungssysteme den Kampf an. 

Autor*in Simon Dupree, 23.02.17

Übersetzung Terri Kafyeke:

Richtig Sinn haben E-Autos erst dann, wenn an vielen kleinen Spots getankt werden kann; vor der eigenen Haustür, beim Einkaufen oder direkt vorm Büro. Das hört man immer wieder. Zugegeben, die derzeitige Situation ist alles andere als komfortabel für Stromfahrer: Es gibt eine Vielzahl an Anbietern mit unterschiedlichen Bezahl- und Ladesystemen. Ohne gezielte Vorbereitung, können längere Reisen mit einem E-Auto ein schwieriges Unterfangen darstellen.

Die innovative App PlugSurfing erschien im Jahr 2012 und nahm sich zum Ziel, alle Barrieren beim Aufladen eines E-Cars zu beseitigen. Der entscheidende Vorteil: Statt einer Vielzahl an Ladekarten und Apps unterschiedlicher Anbieter wird nur noch ein Zugangsmedium benötigt. Dies soll die Reichweiten-Angst vermindern. Im Rahmen eines Interviews, berichtete RESET bereits 2014 über PlugSurfing. Seitdem hat sich einiges getan.

Background: Marktgeschehen im Bereich E-Autos

Die grundsaätzliche Frage, ob E-Mobilität ein wachsender oder schleppender Markt ist, lässt sich pauschal wohl nicht beantworten. Geht man nach der technologischen Entwicklung, lässt sich folgendes Bild erkennen: Die Autohersteller bringen nach und nach Modelle mit besseren Akkus auf den Markt: höhere Leistung, weniger Wärmeproduktion und Ladezyklen, dadurch höhere Lebensdauer, verbesserte Ladetechniken und höhere Reichweiten. Durch Ladenetze von lokalen, privaten und gewerblichen Anbietern kann die benötigte Strommenge somit leichter bereitgestellt werden. Zudem wird die eigene Produktion von Solarstrom zunehmend attraktiver und schont die Stromnetze. Die Preise für die E-Fahrzeuge werden in absehbarer Zeit mehr und mehr konkurrenzfähig sein. Die Zahl der Modelle vervielfacht sich gerade und in den kommenden Jahren, so die Prognosen, werden sich daher auch die privaten und gewerblichen Ladepunkte vervielfachen. Mehr als 15 Milliarden Euro haben die deutschen Hersteller nach Angaben des Verbands der Automobilindustrie (VDA) bereits in Forschung und Entwicklung der Elektromobilität investiert (Stand 2016).

Doch hat E-Mobilität bereits einen Platz um Verkehrssystem von heute oder müssen wir auf zukünftige Verbesserungen hoffen?

In Deutschland sollten Fördermaßnahmen wie Subventionen und Kaufprämien bewirken, dass der Anteil von E- und Plug-In-Hybrid Autos sich von derzeit unter 50.000 auf eine Million bis 2020 erhöht. In Ländern wie Norwegen müssen E-Fahrzeugbesitzer nicht einmal Mehrwert- oder Abgassteuer zahlen. Sie dürfen zudem auf Busspuren am Stau vorbeiziehen, kostenlos Parken und Strom tanken und umsonst Mautstraßen und Fjordfähren benutzen. Doch trotz all der Privilegien scheint der Markt noch nicht ins Rollen zu kommen. So haben sich 77 Prozent der norwegischen Neuwagenkäufer 2015 zu einem Modell mit Benzin- oder Dieselmotor entschieden. In Deutschland liegt der Elektroanteil am Bestand aller Autos noch unter 0,1 Prozent.

Andere Kritiker bemängeln, dass E-Autos keinen wirklichen Umweltvorteil mit sich bringen. Dies läge an der oftmals nicht nachhaltigen Stromerzeugung, die beispielsweise auf Braunkohleverbrennung basiert. Klar, in Ländern wie China, dem derzeit größten Markt für E-Autos, ist der Zugang zu grünem Strom stark eingeschränkt. Aber hierzulande…

Hierzulande sind wohl eher die unzureichende Verbreitung von Ladestationen und das Chaos bezüglich der Bezahl- und Tankmethoden als hemmende Faktoren für die Verbreitung von Elektroautos zu nennen. Also zurück zum eigentlichen Thema.

PlugSurfing – der Grund für mehr E-Mobilität?

Experten sagen, dass das eigentliche Problem nicht die Menge an Ladepunkten ist, sondern die Vielzahl an Stromanbietern und die unterschiedlichen Vertragsauflagen. Im Umkehrschluss heißt das: Für jeden Anbieter muss man sich separat anmelden. Nehmen wir als konkretes Beispiel die Hauptstadt: Neben größeren Stromanbietern wie Vattenfall und RWE betreiben auch viele kleinere Betriebe wie ebee, The New Motion und Belectric Ladestationen in den Berliner Bezirken. Theoretisch müsste jemand, der alle Ladesäulen nutzen will, tatsächlich bei jedem Betreiber eine Art Scheckkarte erfragen, um dort Strom zapfen zu können. Man stelle sich diesbezüglich das überregionale Chaos vor. Auch in Sachen Abrechnung fehlen weiterhin Standards. Während manche Anbieter nach Tankzeit (Minuten) abrechnen, wählen andere die Füllmenge (Kilowattstunde) als Berechnungsgröße. Dies macht Preisvergleiche mühselig.

Wer PlugSurfing nutzt, kann nicht nur einsehen, zu welchem Tarif an einer Station geladen werden kann, ob der passende Ladestecker angeboten wird oder die Station gerade belegt ist, die App soll auch den Bezahlvorgang vereinfachen. PlugSurfing könnte man demnach als eine Art PayPal für Elektrofahrzeuge bezeichnen. Der Kunde schließt mit dem Unternehmen einen Vertrag ab, verfügt über ein Online-Konto und kann derzeit automatisch über 35.000 Ladestationen in 15 Ländern Europas nutzen.

 Alleine in Berlin können App-User an etwa 260 Ladestationen automatisch aufladen.

Der User erhält eine universell einsetzbare RFID-Karte, eine Art Bezahlchip, oder kann alternativ die kostenlose App nutzen. Die Abrechnung erfolgt dann kanalisiert über PlugSurfing, am Ende des Monats erhält man eine Rechnung. Inzwischen hat sich PlugSurfing zu einem Electric-Mobility- und Payment- Anbieter weiterentwickelt und bildet die Schnittstelle zwischen Endkunde und Ladesäulenbetreiber. Der Service ist für Kunden kostenlos, dafür erhält das Unternehmen von den Stromanbietern 10 Prozent Provision pro Aufladung. PlugSurfing ist zudem ein Partner von Hubject, das als Aggregator Ladenetzwerke zusammenführt. Hubject wurde von den Unternehmen BMW, Bosch, Daimler, EnBW, Innogy und Siemens gegründet. Anfang 2017 stieg zudem VW als Europas größter Automobilbauer mit ein. Ähnlich wie PlugSurfing ermöglicht die eRoaming-Plattform es Fahrern von Elektroautos, Ladestationen über ihr Navigationssystem oder eine App freizuschalten und den geladenen Strom anschließend zu bezahlen. Hier lässt sich erkennen, das vor allem die Autobauer derzeit massiv investieren, um der Elektromobilität zum Durchbruch zu verhelfen. BMW, Daimler, Ford und Volkswagen haben angekündigt, in den nächsten Jahren ein europaweites Netz an Stromtankstellen für Elektroautos entlang der wichtigsten Verkehrsachsen aufzuziehen.

Genug Information! Was lässt sich zusammenfassend festhalten?

Zunächst einmal: Kritik am derzeitigen E-Mobilitätsmarkt ist gerechtfertigt. Neben fehlenden Reichweiten ist es die Ladeinfrastruktur, die nach wie vor den Auftrieb der E-Autos für Privatnutzer hemmt. Bisher sind die Zugangs- und Abrechnungssysteme größtenteils unterschiedlich und nicht kompatibel und elektrisches Reisen setzt demnach nach wie vor viel Planung voraus. Die Mehrheit dieser Unbequemlichkeiten hat jedoch nichts mit dem neuen Antriebsverfahren zu tun. Dies ist wohl ein Hauptgrund für die vorherrschende Kundenunzufriedenheit. Um das Laden so einfach wie das Benzin- oder Dieseltanken zu machen, muss also noch eine Menge passieren. Derartige Probleme lassen sich leider auch durch das Benutzen von PlugSurfing und ähnlicher Plattformen nicht hundertprozentig aus der Welt schafffen.

E-Mobilität ist auf der anderen Seite ein bedeutsamer Schritt in Sachen Klimazielerreichung. Im Verkehrssystem der Zukunft wird der private Pkw wohl nicht verschwinden, automatisierte E-Mobilitätssysteme werden jedoch an Zuwachs gewinnen. Gekoppelt mit grünem Strom, basierend auf erneuerbaren Energien, ist dies ein immens wichtiger Weg in Richtung Nachhaltigkeit.

Dass der Schritt des Umdenkens und Handelns oftmals mit einer persönlichen Komforteinschränkung verbunden ist, sollte uns klar sein. Deshalb sind all die hier behandelten Kritikpunkte im Bereich E-Mobilität zwar zumindest teilweise berechtigt, sollten aber nicht ausschlaggebend für Autofahrer sein. Ein Umstellen auf E-Mobilität lohnt sich schon heute! PlugSurfings Pionierarbeit sollte demnach hochgelobt werden. Denn: Je einfacher und komfortabler ein System, desto mehr Menschen werden es nutzen.

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Du willst auf dem aktuellen Stand bleiben? Alle News zu Elektromobilität findest du hier: RESET-Spezial E-Mobility

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