Zwei Sizilianerinnen könnten nicht nur eine Antwort auf diese Frage, sondern zugleich eine Möglichkeit gefunden haben, wie sie die Modebranche nachhaltiger gestaltet werden kann. Denn auch die Textilbranche wächst und wächst – und damit nehmen auch die negativen Auswirkungen auf die Umwelt zu. Zwar werden immer mehr Modelabels ins Leben gerufen, die im Zeichen von Sustainable Fashion neue Ideen auf den Markt bringen und die häufig unmenschlichen Arbeitsbedingungen im Sektor verbessern wollen. Dennoch: Die Kleidungsindustrie landet bei der Verursachung der weltweiten CO2-Emissionen auf dem traurigen zweiten Platz, hinter der Ölindustrie. Was aber können Zitrusfruchtabfälle daran ändern?
Orange sind alle meine Kleider
Adriana Santanocito und Enrica Arena entwickelten bereits 2011, damals als Studentinnen, den Plan, die Abfälle aus der Zitrusfruchtindustrie für die Faserproduktion zu nutzen. Gemeinsam mit dem Polytechnikum Mailand führten sie zunächst eine Machbarkeitsstudie durch und meldeten nach deren erfolgreichem Abschluss ihre Innovation zum Patent an. Im Jahr 2014 folgte die Gründung ihres Startups Orange Fiber und die Präsentation ihres Prototyp-Stoffes aus Zitrus-Cellulose. Diese wird aus „Pastazzo“ gewonnen. Der italienische Begriff bezeichnet den Fruchtbrei und die Überreste, die bei der Orangensaftherstellung zurückbleiben. Das Pastazzo wird so verarbeitet, dass die Zitrus-Cellulose extrahiert und anschließend in Garn gesponnen werden kann. Die Garne aus Zitrus-Cellulose werden dabei zu hundert Prozent aus den Zitrusfrüchten hergestellt, können sich aber auch mit anderen Materialien vermischt werden und so zum Beispiel opak oder glänzend gemacht werden. Die Stoffe, die sich anfühlen sollen wie Seide, können außerdem beliebig gefärbt und bedruckt werden.
Ein Blick auf die Wertschöpfungskette von Orange Fiber zeigt eine von vorne bis hinten nachhaltige Produktion und Herstellung, ganz im Sinne der Kreislaufwirtschaft: Die Textilfasern sind biologisch abbaubar, während die Rohstoffe aus lokalen, recycelten und nachhaltigen Abfallprodukten gewonnen werden. Das italienische Unternehmen setzt damit ein positives Beispiel in Zeiten der Fast-Fashion Industrie und gewann mit der innovativen Idee mehrere Preise, unter anderem den Ideas4Change Award der United Nations Economic Commission for Europe (UNECE) im Jahr 2015.
Dass die Abfallprodukte von Zitrusfrüchten längst noch nicht in die Tonne gehören, haben auch andere erkannt. Das ebenfalls aus Italien stammende Unternehmen Favini extrahiert daraus ebenfalls Cellulose und stellt damit ein umweltfreundliches Papier her.
Und noch an ganz anderer Stelle könnten Zitrusfruchtreste von großem Nutzen sein: Ein Forschungsteam der Princeton-Universität entdeckte bei einem Feldforschungeinsatz in Costa Rica eine große Überraschung: In den 90er Jahren hatte ein Orangensafthersteller auf einer gerodeten Waldfläche in Guanacaste 12.000 Tonnen Orangenabfälle abgeladen, 20 Jahre später hatte dies zu einem Zuwachs der Biomasse von 176 Prozent geführt, also zu einem wahren „Bio-Boost“. Präzedenzfälle wie dieser zeigen einmal mehr, wie landwirtschaftliche Abfälle sinnvoll und CO2-arm entsorgt werden und dabei sogar noch die Renaturierung von Waldflächen unterstützen könnten…
Mitarbeit: Lydia Skrabania