Nachhaltiger Klogang

Wie ein simples Verfahren menschlichen Urin als Chance für die Nachhaltigkeit transformiert.

Autor*in Simon Dupree, 07.07.16

Menschlicher Urin enthält neben umweltbedrohlichen Stoffen wie Medikamentenresten oder hormonaktiven Substanzen vor allem Nährstoffe. Der Hauptteil der im Urin enthaltenen Nährstoffe (z.B. Phosphor und Stickstoff) gelangt über Abwässer, oftmals ungefiltert, in die Ökosysteme unserer Welt. Obwohl Urin nur 1% des gesamten Abwasservolumens ausmacht, liefert er bis zu 80% aller darin vorkommenden Nährstoffe (Quelle: WiWo). Das Problem: Gelangen zu viele Nährstoffe in die Gewässer (Flüsse, Seen und Meere), führt dies zu übermäßigem Algenwachstum und folglich zu Sauerstoffmangel – denn Algen müssen schließlich auch atmen. Dieser Prozess hat den Namen Eutrophierung und führt zu Fischsterben in ungeahnten Ausmaßen. „Die Fischbestände werden in Zukunft durch Nährstoffe mehr bedroht als durch Überfischung“, warnt in diesem Bezug die Umweltbehörde der Vereinten Nationen.

Global gesehen werden nur etwa 6% des Stickstoffs aus dem menschlichen Stoffwechsel in Kläranlagen entfernt. Die nachträgliche Eliminierung der Nährstoffe ist zudem sehr energie- und kostenaufwändig (Quelle: baulinks). Würde man somit den Urin vorab behandeln, könnte man daher einen enormen Beitrag zur Nachhaltigkeit leisten.

Schädliche Algenblüte in Gewässern: Verursacht durch das Einleiten von zu vielen Nährstoffen eutrophication&hypoxia

Aus Urin wird wertvoller Dünger

Ein aussichtreiches Verfahren nennt sich Urinseparierung. Durch die Methode wird ein wesentlicher Teil der im Urin enthaltenen Nährstoffe bereits vor der Einleitung in Abwassersysteme abgetrennt. Neben der Entlastung von Gewässern und Kläranlagen, ermöglicht der Prozess zudem die Aufbereitung der im Urin enthaltenen Nährstoffe zu Dünger für die Landwirtschaft. Dies ist vor allem für Phosphor wichtig, da dessen natürliche Vorkommen zunehmend limitiert sind (Quelle: Eawag).

Das Schweizer Wasserforschungsinstitut Eawag entwickelt und testet derzeit einige aussichtsreiche Verfahren zur Herstellung von mineralischem Pflanzendünger aus gesammeltem Urin. „Unser Körper scheidet den grossen Teil der Nährstoffe im Urin aus (nicht in den Fäkalien). Indem wir Urin separat sammeln, können wir wertvolle Nährstoffe wie Stickstoff, Phosphor, Kalium usw. zurückgewinnen. Gleichzeitig vermeiden wir, Gewässer mit hohen Nährstoffeinträgen zu verschmutzen.“, schreibt Eawag auf der eigenen Homepage.  

Die ForscherInnen erfinden somit den Bauernhof-Nährstoffkreislauf neu: Statt tierischer Fäkalien wird menschlicher Urin zu einem mineralischen Dünger namens Aurin verarbeitet.

Um Urin separat von den Fäkalien für eine weitere Aufbereitung zu sammeln, werden spezielle Sanitäranlagen mit „NoMix-Technologie“ verwendet. Diese Systeme trennen Urin und Fäkalien direkt: Während der vordere Teil der Toilette die Flüssigkeiten in einem Sammelbecken auffängt, werden Fäkalien im hinteren Teil wie gewohnt in die Kanalisation gespült. Der Sammelbehälter könnte, wie einst beim Plumpsklo, von Spezialfahrzeugen regelmäßig geleert werden. Wird der Urin danach eingedampft, bleibt wertvoller Dünger übrig (Quelle: WiWo). Weitere Möglichkeiten, die Nähr- von den möglichen Schadstoffen zu trennen, sind Nanofiltration oder Elektrodialyse.

SuSanA SecretariUrinseparierung: Ein vielversprechendes Konzept

Aurin wurde bereits erfolgreich von der Eawag mit Silomais getestet und schnitt dabei ähnlich gut ab wie synthetischer Mineraldünger (meist sehr teurer) und deutlich besser als Gülle oder organischer Handelsdünger. Laut Schätzungen des Eawag könnten Nährstoffe aus menschlichem Urin in der Schweiz mindestens 37% des Stickstoff- und 20% des Phosphorbedarfs ersetzen, die heute durch importierten und oft unnachhaltig produzierten Kunstdünger gedeckt werden (Quelle: agrarheute).

Neben dem Erzeugnis von wirksamen Düngemitteln zeigt das Eawag Projekt zudem, dass Abwassersysteme deutlich entlastet werden könnten. Sie werden flexibler und effizienter und es werden Energie und Kosten eingespart. Statt auf die Nährstoffe kann das Augenmerk auf die Reinigung anderer Problemstoffe gerichtet werden. Vor allem aber in Ländern, in denen Abwässer aufgrund fehlender Klärsysteme ungereinigt abfließen, stellt die NoMix-Technologie eine ernstzunehmende, nachhaltige Alternative dar. Hier könnte Urinseparierung als Ergänzung zum Auf- und Ausbau von Kläranlagen dienen. Das gilt ganz besonders für die weltweit stark wachsenden Großstädte in Küstennähe (Quelle: baulinks). Laut Eawag sollen die Sanitärsysteme auch die Wirtschaft in Entwicklungsländern ankurbeln. Drei Anlagen seien schon in Betrieb: eine in Dübendorf und zwei in der südafrikanischen Stadt Durban (Quelle: ze.tt).

Die NoMix-WCs scheinen zumindest bei der schweizerischen Bevölkerung gut anzukommen. Im Rahmen des Forschungsprojekts Novaquatis installierte Eawag vor Jahren vier derartige Toiletten in öffentlichen Gebäuden. Diese liefern jetzt den Rohstoff für die „Aurin Recycling-Dünger“-Anlage. Die Befragung von 1750 NoMix-Nutzern ergab, dass die große Mehrheit der Urinseparierung positiv gegenüber steht (Quelle: WiWo).

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