Militärische Gewalt ist nicht ok! Oder?

Eine interessante Debatte spielt sich momentan in deutschen Leitmedien ab: Polemisch lässt sie sich auf die Frage reduzieren: Wird Krieg wieder "in"? Der prominente Staatssekretär a.D. Alexander Gauland hat in einem Kommentar im Tagesspiegel die kritische Einstellung der Deutschen gegenüber militärischer Gewalt als "diffusen Ganzkörperpazifismus" abgetan

Autor*in Jenny Louise Becker, 15.08.12

und Bismarck zitiert:“ „Nicht durch Reden und Majoritätsbeschlüsse werden die großen Fragen der Zeit entschieden – das ist der große Fehler von 1848 und 1849 gewesen – sondern durch Eisen und Blut.“

Das rief den Bundesverwaltungsrichter und langjährigen Friedensrechtler Dr. Dieter Deiseroth auf den Plan, der in diesem Kommentar zu Gaulands Artikel darauf hinwies, dass militärische Gewalt beispielsweise „zur Sicherung von Handelswegen“, wie sie Bundespräsident Köhler als Maßnahme vorgeschlagen hatte, schlicht völkerrechtswidrig sei, da sie gegen das Gewaltverbot der UN-Charta verstößt. Dort steht nämlich in Art. 2 Ziff. 4 dass jede militärische Gewalt – nicht mehr nur der Krieg – eines Staates gegen einen anderen verboten ist und damit völkerrechtswidrig. Militärische Gewalt darf ausnahmslos nur zur Selbstverteidigung (also wenn ein Staat durch einen anderen Staat militärisch angegriffen wird) oder zur Abwendung von Gewalt im Sinne eines Völkermords angewendet werden (Kap VII UN-Charta). Und dies entscheidet der UN-Sicherheitsrat.

Deiseroth schreibt über Gaulands Standpunkt: „Das Skandalöse seines am 23. Juli 2012 veröffentlichten Beitrags (Diffuser Pazifismus. Warum sich die Deutschen mit Gewalt so schwer tun) liegt für mich darin, dass er dafür wirbt, bei der Entscheidung über die militärische Durchsetzung außen- und sicherheitspolitischer Interessen Deutschlands künftig allein politische Nützlichkeitserwägungen anzustellen. Gauland wörtlich: „Die Deutschen haben ein gestörtes Verhältnis zur militärischen Gewalt. Sie betrachten sie nicht als die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln im Sinne von Clausewitz, sondern als das schlechthin Böse und Falsche, als ein Mittel, aus dem nie und unter keinen Umständen Brauchbares entstehen könne.“

Er stellt mithin noch einmal klar und deutlich die Rechtslage fest: „Das völkerrechtliche Gewaltverbot der UN-Charta gehört zum sogenannten zwingenden Völkerrecht („jus cogens“) und damit auch zu den „allgemeinen Regeln des Völkerrechts“ im Sinne von Art. 25 des Grundgesetzes (GG). Sie sind in Deutschland kraft ausdrücklicher verfassungsrechtlicher Normierung „Bestandteil des Bundesrechts“, gehen nach Art. 25 Satz 2 GG „den Gesetzen vor und erzeugen Rechte und Pflichten unmittelbar für die Bewohner des Bundesgebietes“. Wer als Staat oder als Staatenbündnis militärische Gewalt einsetzt, die gegen das völkerrechtliche Gewaltverbot verstößt und völkerrechtlich nicht gerechtfertigt ist, begeht eine völkerrechtliche Aggression. Nach Art. 25 GG sind bereits die Vorbereitung eines Angriffskrieges und damit erst recht dessen Führung verfassungswidrig und unter Strafe zu stellen.“

Die Debatte ist noch nicht beendet – ich verfolge sie gespannt. Werden wir hier Zeuge, wie peu a peu eine neue Ära eingeleitet werden soll? Eine Ära, in der Deutschland seine politischen Interessen im Verbund mit seinen Alliierten wieder militärisch durchsetzt? Die Bundeswehr ist schließlich bereits weg von der Verteidigungsarmee hin zu einer modernen Interventionsarmee mutiert.

Ich hoffe, wir bleiben wachsam und treten gegebenenfalls mit aller gebotenen zivilgesellschaftlichen Power auf die Bremse;)

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