Mikroplastik aus dem Wasser entfernen – mit diesem Verfahren ist das ganz leicht

Mikroplastik verbreitet sich rasant in unseren Ökosystemen. Doch es gibt Möglichkeiten, die teils mikroskopisch kleinen Teilchen zu stoppen, bevor sie über Wasserwege in die entlegensten Orte unseres Planeten vordringen. Ein erfolgsversprechendes "Verklumpungs"-Verfahren kommt von dem gemeinnützigen Startup Wasser 3.0.

Autor*in RESET , 08.10.20

Durch unseren enormen Plastikkonsum sind wir Menschen mittlerweile dafür verantwortlich, dass Plastik auf dem kompletten Erdball verteilt ist. Kleinste Plastikteilchen, das sogenannte Mikroplastik, lassen sich mittlerweile auch in Regionen nachweisen, in die sich kaum je ein Mensch verirrt, wie in der Arktis und in der Tiefsee. Die Forschung zu den Folgen für Natur und Menschen steckt noch in den Kinderschuhen, aber es zeichnet sich ab, dass Mikroplastik einen irreparablen Schaden in der Umwelt – und auch in unseren Körpern – anrichtet.

 Wasser 3.0

Seit längerem werden deshalb diverse Techniken zur Reinigung von Gewässern erprobt, wie zum Beispiel auch bei Wasser 3.0. Das Startup geht ganz an den Anfang – dorthin, wo das Mikroplastik ins Wasser gelangt. Um dies eben zu verhindern, hat das Startup einen Lowtech-Ansatz entwickelt: Das Wasser wird gefiltert, bevor es in den Wasserkreislauf zurückkehrt. Alles, was es dazu braucht, ist ein Reaktor mit einer Art Rührvorrichtung, der überall dort, wo Wasser gereinigt werden soll, aufgestellt werden kann.

Katrin Schuhen, die Gründerin und Geschäftsführerin der gemeinnützigen GmbH, und ihr Team haben ein Verfahren entwickelt, das Mikroplastik im Wasser bündelt. In der Fachsprache bezeichnet man das, was dabei passiert, als „Agglomerationsfixierung“ des Mikroplastiks. Dabei verklumpt das Mikroplastik und kann dann abgeschöpft werden. Die Verklumpung wird durch ein spezielles Hybridkieselgel erreicht, dessen Hauptbestandteil Kieselsäure ist, was wiederum auch in Quarzsand enthalten ist. „Das Material wird speziell für die jeweilige Anwendung hergestellt, angepasst an das Wasser und die Anforderungen vor Ort“, erläutert Katrin Schuhen gegenüber RESET. Der konkrete Ausgangsstoff sei jedoch Betriebsgeheimnis, erklärt die promovierte Chemikerin, ergänzt aber, dass es trotzdem eine frei zugängliche Ressource sei.

Die individuelle Anpassung sorgt dafür, dass das Gel mit allen im jeweiligen Wasser auftretenden Kunststoffpartikeln reagiert und Klumpen bildet, die sich leicht abschöpfen lassen. Diese Klumpen sollen – so das Ziel – wiederverwendet werden. Katrin Schuhen verweist an dieser Stelle auf den Unterschied zum Recycling. „Es geht uns darum, dass die Produkte im Ganzen in neuen Prozessen wieder Verwendung finden, deswegen sprechen wir von Re-Use. „In der Baubranche könne das Material für Füllungen genutzt werden und auch in der Glasindustrie gebe es Potenzial. Aktuell laufen in Bezug auf die Weiterverwendung noch wissenschaftliche Studien.

Bisher fasst ein Reaktor aufgrund der nötigen Rührvorrichtung maximal zwei Kubikmeter. Katrin Schuhen betont, dass es bei größeren Mengen ressouceneffizienter sei, mehrere Reaktoren aufzustellen. Das erklärte Ziel von Wasser 3.0 ist es, dafür zu sorgen, dass Mikroplastik erst gar nicht in die Ökosysteme gelangt. Auf Nachfrage erläutert Katrin Schuhen, dass sie dabei zwei Ansätze sieht, die Hand in Hand gehen. Zum einen sollten Industrien, bei denen es möglich ist, ihre Prozesse so umwandeln, dass der Einsatz von Mikroplastik nicht mehr nötig ist. So geschehen ist das beispielsweise schon in der Produktion von einigen Kosmetika. Der zweite Weg betrifft die Industriezweige, bei denen Mikroplastik entsteht. Bei ihnen könne die Technik von Wasser 3.0 greifen, und zwar am besten, wenn sie prozessintegriert am Standort stattfindet. Tests dazu laufen zur Zeit mit einzelnen Partnern. Doch hier gebe es ein Problem, so Katrin Schuhen: „Es fehlen Regularien zum Eingang von Mikroplastik in die Umwelt, es gibt nur Handlungsempfehlungen. Und in der Detektion fehlt auch ein Verfahren, das nach DIN-Maßgaben die Menge des Mikroplastiks misst.“ Im laufenden Prozess arbeite Wasser 3.0 deshalb auch an der Entwicklung eines neuen Verfahrens zum Messen von Mikroplastik.

Um also aktiv ihren Eintrag von Mikroplastik zu reduzieren, fehlt vielen Industrien im Moment (noch) der Handlungsbedarf. Mit entsprechenden Richtlinien und politischen Rahmenbedingungen könnte sich aber die Nachfrage nach Filtersystemen wie die von Wasser 3.0 erhöhen. Und diese sind dringend nötig, um die globale Plastikflut einzudämmen. Wie verschiedene Studien zeigen, sind viele Stellschrauben bereits bekannt…

MARKIERT MIT
global_plastic_navigator_screenshot_wwf
Screenshot/ WWF
Interaktive Weltkarte zeigt Plastikverschmutzung der Ozeane

Es gibt mittlerweile kaum einen Flecken im Ozean, in dem noch kein Plastikmüll entdeckt wurde. Der WWF veranschaulicht eines der größten Umweltprobleme nun in einer interaktiven Weltkarte.

80 Prozent weniger Plastikverschmutzung bis 2040 möglich – aber nur mit weitreichenden globalen Maßnahmen

Aktuell gelangen Jahr für Jahr Millionen Tonnen Plastik in die Ökosysteme unseres Planeten und überdauern dort für Jahrhunderte. Um die Flut einzudämmen, sind dringend Maßnahmen gefragt – und zwar auf allen Ebenen, wie eine neue Studie belegt.

Plastik: Lenkt uns die Panik vom eigentlichen Problem ab?

Der Kampf gegen Plastikmüll ist eines der größten Umweltthemen unserer Zeit – eines mit enorm viel medialer Aufmerksamkeit. Aber ist unser Fokus auf das Plastikmüllproblem auch sinnvoll?

Der Plastikatlas zeigt: Hauptverursacher der Plastikkrise sind nicht Konsumenten, sondern international agierende Unternehmen

Plastik ist aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken – es erleichtert vieles, gefährdet aber auch unsere Gesundheit und überhäuft unseren Planeten mit Müll. Der neue Plastikatlas der Böll-Stiftung bietet Daten und Fakten über eine Welt voller Kunststoff.

Diese 6 Tools helfen, die Welt vom Plastikmüll zu befreien

Plastik ist überall: am Strand, im Park und in der Luft. Dass wir ein gewaltiges Problem mit dem vielseitigen Material haben, ist nicht mehr zu ignorieren. Trotzdem kann jeder dazu beitragen, eines der größten Umweltprobleme unserer Zeit anzugehen.

Mikroplastik – Klein, fies und überall

Mikroskopisch kleine Plastikpartikel sind mittlerweile in nahezu allen Gewässern, in unseren Böden und sogar in der Luft, die wir atmen. Wo kommen sie her, was machen sie mit uns und vor allem: Was können wir dagegen tun?

Photokatalyse: Die Lösung für den Kampf gegen Mikroplastik?

Forscher des Königlichen Instituts für Technologie (KTH) haben ein Verfahren entwickelt, mit einem Halbleiter und Sonnenlicht kleine Plastikteilchen zu zersetzen.

Cora Ball – ein Plastikball gegen Mikroplastik

Bei jeder Wäsche gelangen über gelöste Fasern Giftstoffe und mikroskopische Synthetikteilchen in den Wasserkreislauf. Ein per Crowdfunding realisierter Waschball des Rozalia Projects soll Abhilfe schaffen.

Du hast genug vom Plastikwahn? Es geht auch anders!

Weltweit werden jährlich über 600 Milliarden Plastiktüten verbraucht, davon allein in Deutschland etwa sechs Milliarden. Nicht nur Tüten, auch PET-Flaschen, Plastikverpackungen und andere Einweg-Plastikprodukte lassen den Plastikmüll an Land und in den Meeren anwachsen. Doch dagegen läst sich etwas tun!