Könnten Fischabfälle der Biokunststoff der Zukunft werden?

Forschenden ist es gelungen, Fischhaut und -knochen in eine Art Kunststoff zu verwandeln.

Wir produzieren und entsorgen so viel Plastikmüll, dass es im Jahr 2050 mehr Plastik als Fische im Meer geben könnte. Was wäre, wenn Fische selbst die Quelle für meerestierfreundliches Bioplastik sein könnten?

Autor Mark Newton:

Übersetzung Mark Newton, 15.04.21

Die Schäden, die durch Plastikverschmutzung verursacht werden, beeinträchtigen viele Ökosysteme. Doch am meisten Aufmerksamkeit galt in den letzten Jahren den Auswirkungen der Plastikverschmutzung auf unsere Meere und Ozeane. Groß angelegte Projekte wie The Ocean Cleanup erforschen die Möglichkeiten, Plastik aus dem Meer zu entfernen, während andere mit der Entwicklung innovativer Biokunststoffe experimentieren, die sich nicht über Jahrhunderte, sondern innerhalb kürzester Zeit zersetzen.

Auch ein Team der Memorial University of Newfoundland hat eine neue Methode entwickelt, um ein umweltfreundlicheres Bioplastik herzustellen. Dabei haben sie sich vom Meer selbst inspirieren lassen – oder genauer gesagt von den Überresten des Lebens im Meer: Das Projektteam hat eine plastikähnliche Substanz aus Fischgräten und anderen Fischabfällen geschaffen. Die Forschenden Francesca Kerton und Mikhailey Wheeler haben das Projekt kürzlich auf der Frühjahrstagung der American Chemical Society (ACS) vorgestellt.

Die Basis dieses Biokunststoffprodukts bildet natürliches Fischöl. Die Herstellung von Fischöl aus Fischabfällen ist natürlich kein neues Verfahren, aber es in einen Biokunststoff zu verwandeln, wurde bisher noch nicht erforscht. Dazu erwarb das Team zunächst große Mengen an Fischabfällen aus der kommerziellen Lachsfischerei und extrahierte das Fischöl dann daraus. Dem ungesättigten Öl wurde kontrolliert Sauerstoff zugefügt, um Epoxide zu erzeugen, also Moleküle, die denen in Epoxidharz ähneln. Diese wurden dann mit Kohlendioxid zur Reaktion gebracht und so die stickstoffhaltigen Amine zu einer neuen Polymersubstanz verknüpft. Diese kunststoffähnlichen Materialien können in Verpackungen verwendet oder zu Fasern für Kleidung verarbeitet werden.

Es ist nicht das erste Mal, dass Meerestiere als Grundlage für Biokunststoffe verwendet werden. Forschende haben bereits mit dem Kerotin von Tintenfischzähnen experimentiert, und eine australische Firma mit Krabben- und Garnelenabfällen, um Chitosan zu produzieren, eine Art Polykohlenhydrat, das in einen wirklich biologisch abbaubaren Biokunststoff verwandelt werden kann.

Wie biologisch abbaubar ist Biokunststoff wirklich?

© Mikhailey Wheeler Mit diesem neuen Material könnten erdölbasierte Kunststoffe vielleicht schon bald ersetzt werden.

Die Herkunft und die biologische Abbaubarkeit dieser neuen Form von Biokunststoff könnten für die gesamte Branche von Bedeutung sein. Unter dem Begriff Biokunststoff verbergen sich die unterschiedlichsten Materialien; gemein haben sie, dass sie die Eigenschaften traditioneller, aus Erdöl gewonnener Kunststoffe nachahmen, allerdings auf Basis biologischer Quellen. Das bedeutet aber nicht, dass diese Kunststoffe im traditionellen Sinne kompostierbar sind. Derzeit basieren viele Biokunststoffe auf Polymilchsäure (PLA), die aus Quellen wie Maisstärke oder Sojabohnen gewonnen wird. Obwohl diese Quellen im Vergleich zu erdölbasierten Kunststoffen umweltfreundlicher sind, haben sie auch ihre Kehrseiten.

Erstens erfordert ihre Herstellung viel Land und Wasser; und das in einem Maßstab, der auch mit der Nachfrage nach billigem Einwegplastik vergleichbar ist. Da diese Ressourcen an vielen Orten weltweit bereits Mangelware sind, belastet die Produktion der Biokunststoffe die Umwelt zusätzlich. Zweitens sind solche PLA-Kunststoffe nicht im eigentlichen Sinne biologisch abbaubar, sondern vielleicht besser als „biologisch abbaubarer“ als herkömmlicher Kunststoff zu bezeichnen. Derzeit müssen PLA-Kunststoffe einer konsequenten Behandlung mit Hitze und speziellen Enzymen unterzogen werden, um den Kunststoff abzubauen. Ohne eine solche Behandlung können selbst PLA-Kunststoffflaschen potenziell bis zu 1.000 Jahre überdauern. Obwohl sie also in Bezug auf die Toxizität nicht das gleiche Risiko darstellen wie Kunststoffe auf Erdölbasis, können sie dennoch unsere Ökoysteme beeinträchtigen.

Außerdem weisen die biologisch abbaubaren Kunststoffe tendenziell schwächere mechanische Eigenschaften auf, was zu einer kürzeren Lebensdauer und höheren Zerbrechlichkeit führen kann. Einige Biokunststoffe entsprechen damit einfach nicht dem Standard, den Hersteller*innen und Verbraucher*innen fordern. Hohe Kosten und eine geringe Ausbeute tragen zusätzlich dazu bei, dass Biokunststoffe industriellen Anforderungen nicht gerecht werden.

Darüber hinaus kann die Herstellung und das Recycling von Biokunststoffen die Entwicklung neuer industrieller Prozesse und Lieferketten erfordern, die ebenfalls zu einem Anstieg der CO2-Emissionen und einer weiteren Verschlechterung der Umweltbedingungen führen. Letztendlich kann der Umweltnutzen von Biokunststoffen also nur dann erheblich verbessert werden, wenn die Hersteller*innen, wie bei oben genanntem Projekt, ihre Rohstoffe aus den Abfallprodukten bereits bestehender Lieferketten beziehen – auch wenn einige die Umweltfreundlichkeit einer Industrie anzweifeln mögen, der häufig Überfischung vorgeworfen wird. In jedem Fall können durch eine effizientere Nutzung ohnehin vorhandener Ressourcen und ein besseres logistisches Management Abfälle und Schäden – zumindest theoretisch – auf ein Minimum reduziert werden. Und natürlich gilt in diesem Bereich das Gleiche wie in allen anderen: Am besten ist das Verpackungsmaterial, das gar nicht erst benötigt wird.

Das Team hinter dem fischbasierten Biokunststoff erforscht im Moment, wie biologisch abbaubar ihr neues Polymer ist. Dazu wird das Material einfach einmal in normales Wasser eingetaucht und einmal in Wasser, das mit Lipase gemischt ist, einem Enzym, das zum Abbau von Fetten wie denen in Fischöl verwendet wird. In beiden Fällen sah das Team das Wachstum von Bakterien, was hoffentlich auf eine gute biologische Abbaubarkeit schließen lässt.

Dieser Artikel ist eine Übersetzung von Sarah-Indra Jungblut und erschien zuerst auf unserer englischsprachigen Seite.

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