KarmaKonsum-Konferenz 2012– Yoga allein rettet nicht die Welt!

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Vielleicht stünde es heute schon besser um die Weltrettung, hätte vergangenen Donnerstag nicht kurz vor 18 Uhr ein Regenschauer Yogis und Teilnehmer der 6. KarmaKonsum Konferenz von Körperübungen an der frischen Luft im Herzen des deutschen Finanzmarkts abgehalten. Ob bei dem umgeleiteten Yoga-Mob genug positive Yogaenergie entstanden ist, um den Lauf der Geschichte zu beeinflussen, bleibt offen. Aber immerhin: Die Konferenzbeiträge stimmen hoffnungsvoll.

Autor*in Sarah-Indra Jungblut, 05.06.12

Es steht nicht gut um die Erde und mit ihr auch um uns, wenn wir so weitermachen. Doch das wissen wir ja bereits – wie auch die meisten der Besucher der Konferenz. Daher sollten auf der 6. Karma-Konferenz mit dem Motto „Gemeinwohl – Ein Paradigmenwechsel in Ökonomie und Gesellschaft” Wege aus dem Schlammassel gezeigt und Hoffnung auf eine bessere Welt gegeben werden. Das geht nach Meinung von Christoph Harrach, Initiator und Organisator der Konferenz, mit guten Ideen im Alltag und Business– und Yoga oder anderen spirituellen Praktiken. Und er hat einige Redner gefunden, die das genauso sehen.

Wie z.B. der Herr Helmut Lind, Vorstandsvorsitzenden der Sparda-Bank München eG, der auf anraten seines Zen-Meisters in der Gesellschaft, in seiner Bank blieb und hier versucht, Spuren zu hinterlassen, von innen heraus zu agieren sozusagen. Ein großer Schritt war da z.B. die Veröffentlichung einer Gemeinwohlbilanz – nahezu revolutionär für so neuerungsbehäbige Systeme wie Banken.

Oder auch Nikolay Georgiev. Statt in Studium, Job und Meditation nur wenig zur positiven Entwicklung der Gesellschaft beizutragen, hat er sich der Open Source Ecology (OSE) verschrieben. Die Idee ist, DIY-Baukästen und Baupläne für Maschinen zu entwickeln, die jeder leicht und individuell aufbauen und weiterentwickeln kann. Zur Zeit unterstützt er die OSE Bewegung in den USA, organisiert und treibt OSE Europe voran und baut die erste OSE Community in Deutschland auf.

Dass dann auch der Herr Prof. Dr. phil. Franz-Theo Gottwald, der übrigens eine brilliante Keynote zur Preisverleihung hielt, nicht nur Dozent für Politische Ökologie, Honorarprofessor für Umwelt-, Agrar- und Ernährungsethik und geschäftsführende Vorstand der Schweisfurth-Stiftung ist, sondern auch noch Yoga-Lehrer, überraschte am Ende eines langen Konferenztages niemanden mehr. 

Gemeinwohl und Commons

Green Economy ist das Thema der Konferenz und auch das der in wenigen Wochen stattfindende Konferenz Rio+20 der Vereinten Nationen. Auf globaler Ebene fehlen Definitionen, was eine „Grüne Wirtschaft“ ausmacht, auf der KarmaKonsum-Konferenz wurden hauptsächlich zwei Ansätze dazu vorgestellt: die Ideen der Gemeinwohlökonomie und der Commons.

Einig sind sich die Redner_innen darin, dass eine reine Orientierung am Bruttoinlandsprodukt und am Wirtschaftswachstum dorthin geführt hat, wo wir heute stehen: zu der Ausbeutung von Mensch und Natur. Und auch darin, dass wir einen Wechsel im Denken erleben; immer mehr Menschen erkennen die Grenzen des Wachstums und suchen nach neuen Ideen und Konzepten für eine andere, eine sozialere Wirtschaft. Das Credo der Referenten war, unser Wirtschaftssystem vom Streben nach  Gewinn und Konkurrenz auf Gemeinwohl und Kooperation umzupolen.

Die Idee einer am Gemeinwohl orientierten Wirtschaft ist, dass sämtliche unternehmerischen Tätigkeiten nicht etwa der Gewinnmaximierung von Banken, Unternehmen oder Privatpersonen und schier grenzenlosem Wachstum dienen, sondern dem Wohle aller. Das Gemeinwohl bemisst andere Faktoren als das Einkommen von Menschen oder die Umsätze von Unternehmen, so Christian Felber, Buchautor, Universitätslektor und freier Tänzer. Faktoren, wie die allgemeine Zufriedenheit, Gesundheit, Bildungschancen oder das Sicherheitsgefühl. Und in Bezug auf Unternehmen, in wie fern sie zum Wohle ihrer Mitarbeiter und dem sozialen und ökologischen Umfeld beitragen. Vor allem möchte die Gemeinwohlökonomie einen Beitrag dazu leisten, wie unser Wirtschaftssystem vom gegenseitigen „Auffressen“ auf ein Level der Kooperation, der Solidarität und ökologischen Verantwortung gehoben werden kann. Ganz randständig ist das Konzept nicht mehr – bereits mehrere hundert Unternehmen veröffentlichen bereits regelmäßig eine Gemeinwohlbilanz: http://www.gemeinwohl-oekonomie.org/

Ideen und Ansätze zu einem Umgang mit Ressorcen als Commons, sprich Gemeingütern, gewinnen aktuell erst wieder an Aufmerksamkeit. Lange Zeit war den Commons aberkannt worden, die Organisation und Erhaltung von Ressourcen leisten zu können. Zu dominant war die Ansicht, dass die einer Gemeinschaft überlassene Verantwortung über eine Ressource fast immer auch zu ihrer Plünderung führen würde. Bekanntestes Beispiel ist die Tragik der Allmende. Als Lösung dieses Konflikts galt und gilt die Privatisierung. Dass die Vergabe von Grund, Boden und Gütern an Privatpersonen kein Allheilmittel ist, macht jedoch die aktuelle soziale und ökologische Schieflage deutlich. Auf der Suche nach alternativen Wirtschaftsmodellen erlebt der Ansatz der Commons lange nach Verleihung des Nobelpreises an Eleanor Oström nun eine Rennaissance. Dies zeigt auch die eben erschienene Publikation „Commons – Für eine neue Politik jenseits von Markt und Staat“ die Herausgeberin und Autorin Silke Helfrich auf der Konferenz vorstellte.

Commons liegt die zu Grunde, Dinge, Ressourcen (Gegenstände, Wälder, Meere, Seen) als Gemeingut zu begreifen und gemeinsam für ihren Erhalt und ihre Nutzung Sorge zu tragen. Ganz oben stehen die Prinzipien Zugang statt Besitz und Kontrolle, die kollektive Weiterentwicklung statt künstliche Verknappung und ein intensiver Austausch, innerhalb dessen miteinander Regeln und Normen der Nutzung der Commons entwickelt werden. Beispiele sind Open Source Software, geteiltes Wissen (Wikipedia) oder offene Design-Projekte, wie Wikispeed oder die Open Source Ecology (OSE). Wer mehr Wissen will: das Buch gibt es beim Oekom Verlag oder als Download.

Wichtig dabei ist das Vertrauen in ein Kollektiv, das Denken als Gemeinschaft. Hier kommt uns ein Merkmal unserer Zeit entgegen: die Komplexität, so Rainer Zimmermann.

Die Komplexität ist unser Freund

Die Komplexität unserer Zeit hilft, Veränderungen voranzutreiben, das veranschaulichte Prof. Dr. phil. Rainer Zimmermann, Soziologe und Professor für Strategie und Design an der FH Düsseldorf. „Die Komplexität ist unser Freund!“, so seine abschließenden Worte. Und meint damit, dass in Zeiten mit einer unüberschaubaren Anzahl an Akteueren, Interaktionen und Interdependenzen Rückschlüsse von Ursache auf Wirkung schwieriger geworden sind. Viele Geschehnisse und Entwicklungen passieren überraschend und unvorhersehbar, wie z.B, der Arabische Frühling. Daher sind es aktuell andere Mechanismen, die unsere Entwicklungen prägen: Schwärme. Diese gut vernetzten, dezentralen Systeme und Communities, die sich mehr für Zugang als Besitz interessieren und sich kollaborativ organisieren würden postmaterialistisches Wirtschaften begünstigen, so Zimmermann.

And the winner is…

Passend zum Thema der Konferenz war dann auch der Preisträger des diesjährigen Awards: Mundraub.org, eine Plattform und digitale Karte, in die prinzipiell alle verwaiste Obstbäume eintragen oder sich auf die Suche nach Erntegut machen können. Ein spannendes und beglückendes Konzept im Sinne des Gemeinwohls und der Commons.

Damit war die diesjährige KarmaKonsum-Konferenz mal wieder eine ungewöhnliche Mischung aus Konferenz und Yoga-Retreat – die meistens auch gelang. Einzig der Vortrag von Preetha Krishna, Führungskraft, Leiterin einer Wohltätigkeitsorganisation, Initiatorin ökologischer Projekte, Mentorin einer Akademie für bewusstes Leben zum Thema „Spiritual Principles for Conscious Business Leadership“ war mir doch zu viel Meditation im nicht ganz passenden Rahmen.

MARKIERT MIT
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6. KarmaKonsum Konferenz, 31.5. – 1.6.2012, Frankfurt/ Main

Unter dem Motto "Gemeinwohl - Ein Paradigmenwechsel in Ökonomie und Gesellschaft" findet zum Monatswechsel die sechste KarmaKonsum Konferenz statt. Hier treffen sich Organisationen aus dem Nachhaltigkeitssektor zum Austausch und Netzwerken.