„Strom mit anderen zu teilen ist die Zukunft“

Die PV-Anlage auf dem Dach des Münchner Luitpoldblocks erzeugt jährlich ca. 40.000 kWh Mieterstrom.

Nicht nur Eigenheimbesitzer, auch Mieter von Wohnungen können inzwischen von der Stromerzeugung aus regenerativen Energien auf ihrem Gebäude profitieren. RESET hat mit dem Polarstern-Gründer Florian Henle über Eigen- und Mieterstrom gesprochen.

Autor*in Lydia Skrabania, 10.07.17

Der Anblick von Photovoltaik-Anlagen auf Hausdächern ist für unsere Augen längst nichts Ungewöhnliches mehr. Viele Eigenheimbesitzer erzeugen inzwischen ihre eigenen Solarenergie. Sogar kleine Windkraftanlagen kann man mitunter auf Grundstücken entdecken. Wer aber in einer Mietwohnung wohnt, der hatte in den vergangenen Jahren nur eingeschränkte Möglichkeiten, unabhängiger vom öffentlichen Stromnetz zu werden, z.B. durch eine kleine Solaranlage auf dem Balkon. Das hat sich mit der Neugestaltung des EEG-Gesetzes geändert: Nicht nur Eigenstrom, auch Mieterstrom wird dadurch attraktiver.

© Polarstern Florian Henle, Mitgründer und Geschäftsführer von Polarstern

Wir haben über den Status quo und die Potenziale von Eigen- und Miterstrom mit Florian Henle gesprochen. Er ist Mitgründer und Geschäftsführer des Energieversorgers Polarstern. Das Münchner Unternehmen bietet neben Ökostrom und -gas auch Lösungen zur dezentralen Energieversorgung sowie Mieterstrommodelle an.

Florian, PV-Anlagen zur Erzeugung von Eigenstrom sind in den vergangenen Jahren deutlich günstiger geworden, Solarstromspeicher sind aber immer noch sehr kostenintensiv. Für wen lohnt sich diese Investition? Wann rentiert sich die Anschaffung?

Die Kombination aus PV-Anlagen und Stromspeicher lohnen sich inzwischen fast für jeden Eigenheimbesitzer. In einem Haus fällt automatisch ein höherer Stromverbrauch an als in einer Wohnung. In der Regel geht es ab 2.000 Kilowattstunden pro Jahr los. Und bereits für diesen Verbrauch gibt es sinnvolle Anlagen-Kombinationen. Generell gilt: Die eigene Stromerzeugung rechnet sich umso besser, je mehr selbst erzeugter Strom auch selbst genutzt wird. Genau aus diesem Grund macht die Integration eines Speichers Sinn. Er steigert den so genannten Eigenverbrauchsanteil und verbessert die Unabhängigkeit vom öffentlichen Stromnetz, da durch den Speicher auch abends und bei Schlechtwetter eigener Strom genutzt wird.

Ab wann sich die Anschaffung genau rechnet, das hängt von der gewählten Anlagentechnik ab und davon, wie hoch der Eigenverbrauchsanteil und die Unabhängigkeit vom öffentlichen Stromnetz sind. Meist haben sie sich die Anlagen nach etwa acht Jahren amortisiert.

Die Netzeinspeisung spielt nur noch eine untergeordnete Rolle, wenn es um die Anschaffung einer Solaranlage für Eigenheimbesitzer geht. Wie wichtig ist eurer Erfahrung nach der Autarkiegedanke?

Der Wunsch, durch die eigene Energieerzeugung unabhängiger vom öffentlichen Stromnetz zu sein und sich aus eigener Kraft heraus zu versorgen, ist groß. Die seit Jahren steigenden Strompreise verstärken diesen Wunsch. Letztlich ist die eigene Nutzung des selbst erzeugten Stroms wirtschaftlich attraktiver als die Einspeisung ins öffentliche Netz; zumal die Einspeisevergütung weiter sinkt. Perspektivisch können Haushalte, die selbst Strom erzeugen, sogar weitere Einnahmequellen erschließen, etwa indem sie Strom mit anderen teilen oder netzdienliche Dienstleistungen anbieten. Aber das ist noch Zukunftsmusik.

Heute speist fast jeder Haushalt auch einen Teil in das öffentliche Netz. Gerade an sonnigen Tagen produzieren sie mehr Strom als sie selbst nutzen und speichern können. Für den eingespeisten Strom erhalten die Kunden bei unserem Wirklich Eigenstromangebot die entsprechende Einspeisevergütung.

Für Mieter gibt es noch immer nur sehr eingeschränkte Möglichkeiten zur eigenen Energieerzeugung, z. B. Mini-Solaranlagen auf dem eigenen Balkon. Damit lässt sich aber nur ein geringer Anteil des Energiebedarfs decken. Durch die Änderung des EEG-Gesetzes sind nun Mieterstrommodelle möglich und Immobilienbesitzer können selbst erzeugten Strom an ihre Mieter weiterreichen. Welche Entwicklungen erwartet ihr in diesem Bereich?

Mieterstrom ist ein deutlich anziehender Markt. Bei uns haben sich allein in diesem Jahr verglichen zum Vorjahr, die Mieterstromanfragen vervierfacht. Erst vor kurzem wurde die Mieterstrom-Direktförderung im Bundestag verabschiedet und damit wird Mieterstrom auch gerade für die Mieter wirtschaftlich noch spannender. Für uns ist Mieterstrom ein sehr wichtiges Feld, um die Energiewende fair zu gestalten. Nicht nur Eigenheimbesitzer sollen von der eigenen Stromerzeugung auf ihrem Gebäude profitieren. Außerdem bietet die eigene Energieerzeugung die Chance, das Energiebewusstsein von Eigenheimbesitzern und Mietern zu steigern. Denn die Energieversorgung rückt näher an sie heran und sie haben selbst immer mehr Einfluss auf ihre Energiekosten. Insofern kann die dezentrale Stromversorgung richtig aufgesetzt sogar den Energieverbrauch reduzieren.

Ihr bietet bei eurem Mieterstrommodell an, dass ihr anstelle des Immobilieneigentümers die Rolle des Energieversorgers übernehmt. Welche Vorteile bringt das für die Eigentümer?

Nur durch so ein Modell, bei dem wir als Dienstleister fast alles übernehmen, ist für viele Immobilienbesitzer Mieterstrom möglich. Zum einen laufen sie ansonsten oft Gefahr, Gewerbesteuer zahlen zu müssen, wenn sie ihre Mieter mit Mieterstrom versorgen. Damit würden auch all ihre anderen Projekte und Geschäftsfelder von der Gewerbesteuer „infiziert“, sprich die wirtschaftlichen Nachteile wären für sie groß. Nicht zu unterschätzen sind auch der Aufwand zur Stromversorgung und das hierfür erforderliche Energiemarktwissen. In rechtlicher und regulatorischer Hinsicht kann man hier viel falsch machen. Dies alles selbst zu übernehmen ist in der Regel für den Immobilienbesitzer ineffizient und teuer.

Ihr plant langfristig eure Eigenstrom-Community zusammenzuschließen, damit man bei Überschuss seinen Strom mit den Nachbarn teilen bzw. man aus der Community Eigenstrom beziehen kann, wenn der Bedarf durch die eigene Stromerzeugung nicht gedeckt wird. Für wie relevant stuft ihr solche dezentralen Modelle für die Energiewende ein?

Das ist die Zukunft. Strom mit anderen zu teilen macht Sinn, verbindet und eröffnet neue Einnahmemöglichkeiten bzw. steigert die eigenen Energiekostenersparnisse. Schließlich ist durch das Teilen nahezu eine hundertprozentige Autarkie des einzelnen Haushalts möglich.

Die Digitalisierung macht auch vor dem Zuhause nicht Halt. Welche Potenziale seht ihr in puncto Smart Home?

Durch smarte Vernetzung daheim können der Eigenstromverbrauch und die Unabhängigkeit vom öffentlichen Netz gesteigert werden. Beispielsweise laufen schon heute Haushaltsgeräte, die über eine Smart-Home-Zentrale mit der PV-Anlage und dem Speicher vernetzt sind, bevorzugt dann, wenn gerade Strom erzeugt wird. Außerdem können mit smarten Angeboten die Energieversorgung visualisiert und so die Folgen des eigenen Verhaltens leichter verstanden werden. Das schärft das Energiebewusstsein und ist ein wichtiger Aspekt für die Energiewende, bei der eine Reduzierung des Strombedarfs und eine erneuerbare Energieversorgung Hand in Hand gehen müssen.

Vielen Dank, Florian!

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