Indische Forschende entdecken in einem Sumpfgebiet Bakterien, die Kunststoff fressen

Einwegprodukte wie Einkaufstüten, Trinkhalme und Plastikflaschen tragen erheblich zur Umweltverschmutzung durch Kunststoffe bei.

Bei der Erforschung lokaler Sumpfgebiete entdeckte eine indische Universität Bakterien, die zum Abbau von Kunststoffen verwendet werden könnten.

Autor Mark Newton:

Übersetzung Mark Newton, 21.10.19

Die Zersetzung von Kunststoffen dauert Jahrhunderte, man geht derzeit von etwa 450 Jahren aus. Eventuell könnte sich das bald ändern: Forscher der Shiv Nadar University im indischen Greater Noida konnten nach eigenen Angaben zwei Bakterienstämme isolieren, die zum biologischen Abbau von Kunststoffen wie Polystyrol verwendet werden könnten. Die Forscher gehen davon aus, dass diese neu entdeckten Bakterien den Zersetzungsprozess von Kunststoffen beschleunigen und die Notwendigkeit einer chemischen Vorbehandlung überflüssig machen könnten.

Laut Press Trust of India machte das Team der Shiv Nadar University die Entdeckung in unmittelbarer Nähe des eigenen Campus: Angrenzend an das Universitätsgelände befindet sich ein Feuchtgebiet, das von den Forschenden erkundet wurde. Während ihrer Untersuchung entdeckten sie verschiedene neue Bakterienstämme. Professor Richa Priyadarshini vom Department of Life Sciences erklärte:

„Feuchtgebiete gehören zu den artenreichsten Lebensräumen mit mikrobieller Vielfalt, sind aber relativ unerforscht. Daher sind diese Ökosysteme ideale Voraussetzungen für die Isolierung von Bakterien mit neuartigen biotechnologischen Anwendungen.“

Das Team konnte zwei spezifische Bakterienstämme isolieren, die als Exiguobacterium sibiricum Stamm DR11 und Exiguobacterium undae Stamm DR14 identifiziert wurden. Wenn die Bakterien Polystyrol (auch bekannt als Styropor) ausgesetzt sind, nutzen sie es als Kohlenstoffquelle und produzieren daraus Biofilme (Gemeinschaften von Bakterienzellen). Dadurch werden die physikalischen Eigenschaften des Polystyrols verändert, hydrolysierende Enzyme freigesetzt und die Polymerketten abgebaut.

In der Regel sind Kunststoffe wie Polystyrol sehr widerstandsfähig gegen den natürlichen biologischen Abbau. Obwohl diese Eigenschaft einer der Hauptgründe für ihre Beliebtheit ist, hat die zunehmende Verschmutzung durch Kunststoffabfälle dazu geführt, dass wir unseren Umgang mit Plastik und Co weltweit neu überdenken. Doch obwohl zurzeit an natürlich abbaubaren Kunststoffalternativen aus Algen, Zuckerrohr und Kalkstein experimentiert wird, wächst unsere Abhängigkeit von Kunststoffen weiter. Allein Indien produziert 16 Millionen Tonnen Kunststoffabfälle pro Jahr, von denen 14 Millionen Tonnen nicht biologisch abbaubar sind.

Die schlimmsten Übeltäter in dieser Kategorie sind so genannte Single Use Plastics (SUPs), die eine breite Palette von Produkten abdecken, die in der Regel extrem kurzlebig sind,  wie Trinkgefäße, Besteck und Lebensmittelverpackungen. Diese Produkte benötigen im Anschluss Jahrhunderte zur Zersetzung und finden auch ihren Weg in die Flüsse, Meere und Ozeane der Welt, was zu einer erheblichen Verschmutzung und Schädigung der Biodiversität und komplexer Ökosysteme führt, insbesondere in Form schädlichen Mikroplastiks. Indien kündigte aus diesem Grund an, bis 2022 den Einsatz von SUPs unterbinden zu wollen.

Bisherige Verfahren zum Abbau von Kunststoffen erforderten oft, dass sie mit Chemikalien vorbehandelt oder durch Thermo- oder Photooxidation behandelt wurden. Die neuentdeckten Bakterien sind in der Lage, auch unbehandelte und unveränderte Kunststoffe zu „fressen“, was sie – hoffentlich – zu einer kostengünstigeren und weniger umweltschädlichen Lösung macht.

Der nächste Schritt für DR11 und DR14 ist die weitere Erforschung ihrer Eigenschaften und die Entschlüsselung der Geheimnisse ihrer Enzyme. Das Team hofft, neue Wege im Stoffwechsel zu finden, die die „Plastikfresser“-Fähigkeiten der Bakterien weiter steigern und sie zu einem praktischen Werkzeug für die Biosanierung entwickeln könnten.

Dieser Artikel ist eine Übersetzung von Lydia Skrabania. Das Original erschien zuerst auf unserer englischsprachigen Seite.

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