Noch vor wenigen Jahrzehnten konnten sich nur die Reichen und Berühmten Flugreisen leisten – doch das ist längst Geschichte. Die zivile Luftfahrt ist zu einem massentaugichen und sehr günstigem Fortbewegungsmittel geworden, unter anderem auch wegen der Billigfluglinien auf Kurzstrecken. Dieses Wachstums und seine negativen Auswirkungen auf die Umwelt sind zuletzt immer stärker in den Blick der Öffentlichkeit gerückt und haben unter anderem zu der Bewegung von „Nichtfliegern“ oder dem sozialen Phänomen „Flygskam“ (deutsch: „Flugscham“) geführt: dem Schamgefühl, das man empfindet, wenn man fliegt, obwohl sauberere – aber oft weniger bequeme – Fortbewegungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen.
Das schwedische Startup Heart Aerospace hat sich ein großes Ziel gesetzt: Es will den Luftfahrtsektor umkrempeln und Flugzeuge zu einem umweltverträglichen Verkehrsmittel für kürzere, regionale Entfernungen machen. Dafür hat das Startup Prototypen von Flugzeugen entwickelt, die nach Unternehmensangaben null betriebsbedingte Emissionen haben sollen.
Die Technologie unterscheidet sich nicht grundlegend von der Technologie traditioneller Flugzeuge oder der von Elektrofahrzeugen. Einfach ausgedrückt: Um Auftrieb unter ihren Flügeln zu erzeugen und aufrechtzuerhalten, benötigen Flugzeuge große Schubkraft. Meistens wird dies durch die Verwendung von speziell entwickeltem Flugkraftstoff erreicht, der aus einer komplexen Mischung von Kohlenwasserstoffen besteht, die für eine hohe Leistung ausgelegt ist. Dies ist umso wichtiger bei größeren Flugzeugen, die natürlich schwerer sind und daher für den Flug mehr Schub benötigen.
Heart Aerospace beabsichtigt, die Treibstoffkomponente von herkömmlichen Flugzeugen durch große elektrische Batterien zu ersetzen – ähnlich denen, die bereits bei den E-Fahrzeugen eingesetzt werden, die auf unseren Straßen unterwegs sind. Bis vor kurzem galten solche Batterien allerdings noch als zu schwer für Flugzeuge, da die von ihnen erzeugte Leistung nicht ausreichte, um den Auftrieb zu erreichen. Die rasante Entwicklung des Markts von E-Fahrzeugen hat inzwischen jedoch zu schnellen Fortschritten in der Technologie geführt, die auch E-Flugzeuge möglich machen könnten.
Heart Aerospace hat mit der ES-19 ein vollelektrisches 19-sitziges Turbopropellerflugzeug entwickelt, das, oberflächlich betrachtet, in seinen Spezifikationen einem traditionellen Flugzeug sehr ähnlich zu sein scheint. Aufgrund des E-Antriebs der ES-19 würden – so die Angaben des Startups – jedoch nicht nur null Kohlenstoffemissionen ausgestoßen, sondern es käme auch zu weniger Lärmbelästigung und einem ruhigeren Flug.
Derzeit wird erwartet, dass die ES-19 eine Reichweite von rund 400 Kilometern haben wird. Für internationale Lang- und Kurzstreckenflüge wäre sie somit ungeeignet. Stattdessen soll die ES-19 private Verkehrsflugzeuge ersetzen, die auf regionaler Ebene operieren.
Eine nachhaltige Option für Kurzstreckenflüge?
Nach Angaben der Luftfahrtindustrie sind Verkehrsflugzeuge nur für 1,5 bis zwei Prozent der weltweiten Kohlenstoffemissionen verantwortlich, aber diese Zahl ist relativ irreführend. Ein Großteil der Entwicklungsländer nutzt die zivile Luftfahrt nur in geringem Maße, was bedeutet, dass diese zwei Prozent der globalen Kohlenstoffemissionen in Wirklichkeit von einem kleineren Anteil der globalen Bevölkerung – meist westlicher, einkommensstarker Nationen – produziert werden. Beispielsweise sind die USA für rund 24 Prozent aller Luftverkehrsemissionen verantwortlich, wobei der größte Teil dieser Emissionen auf kürzere Inlandsflüge entfällt. In Großbritannien ist der Flugverkehr eher für etwa 13 bis 15 Prozent der gesamten Kohlenstoffemissionen verantwortlich.
Obwohl regionale Flüge unter 700 Kilometern nur einen kleinen Teil dieser globalen Gesamtemissionen ausmachen, sind sie – pro Kopf betrachtet – umweltschädlicher als Langstreckenflüge. Im Durchschnitt produzieren kürzere Regionalflüge etwa 251 Gramm Kohlenstoff pro Kilometer, im Vergleich zu 195 Gramm pro Kilometer bei Langstreckenflügen. Dieser Unterschied ist darauf zurückzuführen, dass bei Start und Landung der meiste Treibstoff verbraucht wird, bei Flügen in großer Höhe hingegen weniger Treibstoff. Dass einige Privatjet-Flugzeuge nur für exklusive Personengruppen eingesetzt werden und während des Fluges oft nicht voll besetzt sind, verschärft dieses Problem zusätzlich.
Heart Aerospace hofft, dass die ES-19 aufgrund ihrer Umweltfreundlichkeit für schnellen und nachhaltigen Regionalverkehr eingeführt wird. Die ES-19 soll auch in der Lage sein, auf kürzeren Start- und Landebahnen zu landen, wodurch sie auch kleinere Regionalflugplätze erschließen könnte, die von den großen Fluggesellschaften oft nicht angeflogen werden. Aufgrund ihrer leiseren Triebwerke könnte das E-Flugzeug außerdem näher an Städten und städtischen Gebieten landen, wodurch auch die Emissionen anderer Fahrzeuge, die große Flughäfen ansteuern, reduziert würden.
Darüber hinaus hofft das schwedische Startup, dass im Zuge der Verbesserung der Batterietechnologie und -effizienz irgendwann einmal auch Flüge mit Schmalrumpfflugzeugen von etwa 2.000 Kilometern möglich werden. Auf diesen Sektor entfällt mit rund 43 Prozent der Kohlenstoffemissionen ein weitaus größerer Anteil der Luftverschmutzung durch die Luftfahrt. Entscheidend für die Nachhaltigkeit batterie-betriebener Flugzeuge wird aber auch sein, ob mit ihnen wirklich emmissions-intensive Flüge ersetzt werden, oder ob sie einen neuen Markt erschließen – zum Beispiel, indem sie Kurzstrecken bedienen, die bisher bequem auch per Zug bereisbar sind – und damit eher noch zu weiteren CO2-Emissionen führen.
Derzeit wird erwartet, dass die ES-19 im Jahr 2026 für den Flugbetrieb zugelassen wird, wo sie in erster Linie skandinavische Städte bedienen soll. Sowohl Norwegen als auch Schweden haben sich zu vollelektrischen Inlandsflügen bis 2030 bzw. 2040 verpflichtet. Das Startup arbeitet derzeit aber auch an einer breiteren Flugzulassung und will Fluggesellschaften in anderen Märkten wie Nordamerika, Asien und Europa adressieren.
Dieser Artikel ist eine Übersetzung von Lydia Skrabania. Das Original erschien zuerst auf unserer englischen Seite.